Einigung von Durban ist "ein großer Schritt voran"
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, hat die Ergebnisse des UN-Klimagipfels in Durban als "großen Erfolg" gewertet. Der Weg sei jetzt frei für einen verbindlichen Klimavertrag, an dem alle Staaten beteiligt seien.
Jörg Degenhardt: Auch der längste Klimagipfel geht einmal zu Ende. Nur, ob am Ende alles gut war? Erstmals jedenfalls soll jetzt ein Abkommen alle Staaten zur Reduktion von Treibhausgasen verpflichten, doch die Umsetzung beginnt erst 2020, und auch große Klimasünder wie die USA und China wollen in einem Weltklimavertrag verbindliche Ziele zur Reduzierung ihrer Treibhausgasausstöße akzeptieren. Die einen begrüßen nun, dass die Verhandlungen weitergehen und das Kyoto-Protokoll in Kraft bleibt, andere sagen, die Welt habe einen besseren Deal verdient als diesen lauwarmen Klimakompromiss. Jochen Flasbarth ist Präsident des Umweltbundesamtes. Guten Morgen, Herr Flasbarth!
Jochen Flasbarth: Ja, schönen guten Morgen!
Degenhardt: Sie haben vor der Konferenz gesagt, es sei nicht angebracht, Durban schon vorher totzureden. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?
Flasbarth: Ja, allerdings, denn das ist ganz zweifellos ein großer Erfolg, dass wir jetzt den Weg freihaben, erstmals alle Staaten mit in einen verbindlichen Klimavertrag zu bekommen. Da war vor Jahren und auch vor Wochen fast noch nicht die Rede davon. Die USA werden zukünftig dabei sein, China, Indien, die ganz großen Emittenten, und das ist ein großer Schritt voran. Es bleibt allerdings, das gehört auch dazu, noch sehr viel zu tun, damit wir am Ende tatsächlich die Klimakatastrophe abwenden können.
Degenhardt: Ist es denn wirklich so, dass der Klimawandel durch Durban gebremst wird? Das Zwei-Grad-Ziel wird doch so wahrscheinlich nicht erreicht.
Flasbarth: Uns steht jetzt ein Jahrzehnt größte Anstrengung, auch auf freiwilliger Basis bevor, denn der neue Klimavertrag wird nicht vor Ende dieses Jahrzehnts in Kraft treten. Es ist ein großer Fortschritt, dass wir dann danach alle mit verbindlich an Bord haben, aber es bleibt eine relevante Lücke. Die muss geschlossen werden, und das geht, nachdem wir kein rechtliches Instrument - das Kyoto-Protokoll wird fortgesetzt, umfasst aber nur etwa 15 Prozent der Emissionen -, darüber hinaus kein rechtliches Instrument haben, und deshalb heißt das Motto: Alles daransetzen, auf freiwilliger Ebene durch Technologietransfer, durch Kooperationen die Emissionen zu mindern.
Degenhardt: Aber das Prinzip Freiwilligkeit, das greift doch nur, wenn alle den Ernst der Lage begriffen haben. Ist das mittlerweile so?
Flasbarth: Das Prinzip Freiwilligkeit wäre ein falsches, wenn es die Perspektive wäre. Die Perspektive ist aber - und das ist der große Erfolg von Durban - ein rechtlich verbindliches Abkommen für alle, und das, was jetzt an Zwischenraum fehlt, das, was an Treibhausgasminimierung in diesem Jahrzehnt fehlt - und dieses Jahrzehnt ist entscheidend, das müssen wir durch Kooperation erreichen. Und da bin ich auch ganz zuversichtlich, denn wir haben ja in Durban auch zusätzlich einen neuen Klimaschutzfonds arbeitsfähig gemacht, der wird nun in Kürze seine Arbeit beginnen, und darüber müssen wir die Entwicklungsländer in die Lage versetzen, in klimaneutrale, klimaarme Technologien zu investieren.
Degenhardt: Wenn Sie von Kooperation sprechen, meinen Sie dann vielleicht auch eine stärkere Zusammenarbeit Deutschlands mit zum Beispiel Schwellen- und Entwicklungsländern, denn Deutschland könnte ja so eine Art Klimaschutzvorreiter sein?
Flasbarth: Deutschland ist ein Klimaschutzvorreiter. Wir haben ehrgeizige Ziele, wir haben die Technologien, wir haben das Know-how, und es ist deshalb gut, dass Deutschland auch sich um den Sitz des neuen Klimaschutzfonds bemüht hat. Er wird jetzt vorläufig seine Arbeit in Bonn aufnehmen: Ich glaube, damit haben wir eine gute Konstellation geschaffen mit dem Klimarahmensekretariat in Bonn, mit dem Technologiezentrum für die Erneuerbare-Energien-Agentur und jetzt auch der Klimafonds, das ist eine gute Voraussetzung, das bedeutet aber auch alles, dass wir in Europa beherzt vorangehen müssen, da sind wir insgesamt in Europa noch nicht ambitioniert genug.
Degenhardt: Welche Figur haben überhaupt die Europäer und speziell die Deutschen in Durban abgegeben aus Ihrer Sicht?
Flasbarth: Also mal mit den Deutschen anzufangen, das ist auch traditionell so: Seit den 80er-Jahren ist international Deutschland, egal in welcher Regierungskonstellation, einer der Treiber. Das ist auch gut so, das können wir aus unserem Land heraus mit unseren Erfahrungen heraus, und das hat sich jetzt hier in Durban fortgesetzt. Die Europäer haben den entscheidenden Druck ausgeübt. Sie haben auch klug eine Allianz mit den kleinen Inselstaaten, mit den armen Entwicklungsländern gesucht und gefunden. Noch erfolgreicher wird Europa zukünftig sein, wenn wir nicht zu zaghaft mit den eigenen Zielen sind. 20 Prozent Treibhausgas-Reduzierung aus der EU ist nicht ambitioniert, und wir wären sehr viel glaubwürdiger, wenn wir ein ambitionierteres Ziel - 30 Prozent bis 2020 - angehen. Das können wir, und das zieht dann natürlich auch andere nach.
Degenhardt: Wir zeigen, wenn es um CO2-Belastungen geht, oft gern mit dem Finger auf China. Peking baut jetzt aber auch einen Emissionshandel auf. Muss der Westen das nicht stärker zur Kenntnis nehmen?
Flasbarth: Ja, das nimmt der Westen auch zur Kenntnis. Es wird ja auch gefördert, es gibt diese Kooperation, und das alte "mit dem Finger auf China zeigen" ist aus meiner Beobachtung vorbei. Es ist aber auch gut, dass die Chinesen jetzt ihre Verantwortung erkannt haben, dass es bei dieser Freiwilligkeit in mittlerer Sicht nicht bleiben kann. Deshalb kamen frühzeitig von der Konferenz Signale von den Chinesen - man wusste zunächst nicht genau, wie man das einschätzen soll -, dass man zur Verbindlichkeit bereit sein kann, und das, glaube ich, hat auch dazu geführt, dass letztendlich die Amerikaner und auch die Inder nicht mehr abseits stehen konnten.
Degenhardt: Sie haben die Inder gerade angesprochen. Ist es nicht bedauerlich, dass Indien weiter auf die Kohle setzt?
Flasbarth: Das tut ja nicht nur Indien, das tun viele Länder, das tut auch China, und es ist deshalb wichtig, dass wir die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich auch für diese Länder marktfähig machen, so, dass sie so günstig sind, um auch in diesen Ländern Anwendung zu finden, und das können wir gerade zum Beispiel in Deutschland treiben. Wir sind da auf einem sehr guten Weg, der muss sehr engagiert, sehr konsequent weiter gegangen werden. Dann bin ich sicher, dass wir innerhalb dieses Jahrzehnts mit den erneuerbaren Energien in Kostenbereichen sind, die auch für Schwellenländer erschwinglich sind.
Degenhardt: Sie ziehen insgesamt eine doch positive Bilanz des Klimagipfels in Durban. Andere, zum Beispiel die Naturschutzorganisation BUND, spricht vom Schneckentempo in Sachen Klimaschutz. Ist es nicht generell ein Problem, wenn so viele Staaten an einem Tisch sitzen und im Prinzip keiner widersprechen darf, man sich dann zum Schluss letztendlich doch auf die kleinste gemeinsame Formel einigen muss?
Flasbarth: Also es ist ja das Recht, ich glaube, sogar die Pflicht, von den Nichtregierungsorganisationen, kritisch anzumerken und darauf hinzuweisen, dass das Tempo nicht ausreichend ist - und das stimmt auch. Allein, es gibt überhaupt keine Alternative dazu. Sich auf einen kleinen Kreis von Staaten zurückzuziehen. Das ist in der Vergangenheit gescheitert. Man kann das tun, um sozusagen die Koalition der Willigen zu bilden, Technologiekooperationen voranzubringen - aber um einen Vertrag auszuhandeln, da braucht man von den kleinen Inselstaaten bis hin zu den großen Emittenten wie USA und China alle an Bord, und ich glaube, das sehen auch die Umweltorganisationen so.
Degenhardt: Die Resultate des Klimagipfels - was taugen sie wirklich? Das war der Präsident des Umweltbundesamtes Jochen Flasbarth. Vielen Dank für das Gespräch!
Flasbarth: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Jochen Flasbarth: Ja, schönen guten Morgen!
Degenhardt: Sie haben vor der Konferenz gesagt, es sei nicht angebracht, Durban schon vorher totzureden. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?
Flasbarth: Ja, allerdings, denn das ist ganz zweifellos ein großer Erfolg, dass wir jetzt den Weg freihaben, erstmals alle Staaten mit in einen verbindlichen Klimavertrag zu bekommen. Da war vor Jahren und auch vor Wochen fast noch nicht die Rede davon. Die USA werden zukünftig dabei sein, China, Indien, die ganz großen Emittenten, und das ist ein großer Schritt voran. Es bleibt allerdings, das gehört auch dazu, noch sehr viel zu tun, damit wir am Ende tatsächlich die Klimakatastrophe abwenden können.
Degenhardt: Ist es denn wirklich so, dass der Klimawandel durch Durban gebremst wird? Das Zwei-Grad-Ziel wird doch so wahrscheinlich nicht erreicht.
Flasbarth: Uns steht jetzt ein Jahrzehnt größte Anstrengung, auch auf freiwilliger Basis bevor, denn der neue Klimavertrag wird nicht vor Ende dieses Jahrzehnts in Kraft treten. Es ist ein großer Fortschritt, dass wir dann danach alle mit verbindlich an Bord haben, aber es bleibt eine relevante Lücke. Die muss geschlossen werden, und das geht, nachdem wir kein rechtliches Instrument - das Kyoto-Protokoll wird fortgesetzt, umfasst aber nur etwa 15 Prozent der Emissionen -, darüber hinaus kein rechtliches Instrument haben, und deshalb heißt das Motto: Alles daransetzen, auf freiwilliger Ebene durch Technologietransfer, durch Kooperationen die Emissionen zu mindern.
Degenhardt: Aber das Prinzip Freiwilligkeit, das greift doch nur, wenn alle den Ernst der Lage begriffen haben. Ist das mittlerweile so?
Flasbarth: Das Prinzip Freiwilligkeit wäre ein falsches, wenn es die Perspektive wäre. Die Perspektive ist aber - und das ist der große Erfolg von Durban - ein rechtlich verbindliches Abkommen für alle, und das, was jetzt an Zwischenraum fehlt, das, was an Treibhausgasminimierung in diesem Jahrzehnt fehlt - und dieses Jahrzehnt ist entscheidend, das müssen wir durch Kooperation erreichen. Und da bin ich auch ganz zuversichtlich, denn wir haben ja in Durban auch zusätzlich einen neuen Klimaschutzfonds arbeitsfähig gemacht, der wird nun in Kürze seine Arbeit beginnen, und darüber müssen wir die Entwicklungsländer in die Lage versetzen, in klimaneutrale, klimaarme Technologien zu investieren.
Degenhardt: Wenn Sie von Kooperation sprechen, meinen Sie dann vielleicht auch eine stärkere Zusammenarbeit Deutschlands mit zum Beispiel Schwellen- und Entwicklungsländern, denn Deutschland könnte ja so eine Art Klimaschutzvorreiter sein?
Flasbarth: Deutschland ist ein Klimaschutzvorreiter. Wir haben ehrgeizige Ziele, wir haben die Technologien, wir haben das Know-how, und es ist deshalb gut, dass Deutschland auch sich um den Sitz des neuen Klimaschutzfonds bemüht hat. Er wird jetzt vorläufig seine Arbeit in Bonn aufnehmen: Ich glaube, damit haben wir eine gute Konstellation geschaffen mit dem Klimarahmensekretariat in Bonn, mit dem Technologiezentrum für die Erneuerbare-Energien-Agentur und jetzt auch der Klimafonds, das ist eine gute Voraussetzung, das bedeutet aber auch alles, dass wir in Europa beherzt vorangehen müssen, da sind wir insgesamt in Europa noch nicht ambitioniert genug.
Degenhardt: Welche Figur haben überhaupt die Europäer und speziell die Deutschen in Durban abgegeben aus Ihrer Sicht?
Flasbarth: Also mal mit den Deutschen anzufangen, das ist auch traditionell so: Seit den 80er-Jahren ist international Deutschland, egal in welcher Regierungskonstellation, einer der Treiber. Das ist auch gut so, das können wir aus unserem Land heraus mit unseren Erfahrungen heraus, und das hat sich jetzt hier in Durban fortgesetzt. Die Europäer haben den entscheidenden Druck ausgeübt. Sie haben auch klug eine Allianz mit den kleinen Inselstaaten, mit den armen Entwicklungsländern gesucht und gefunden. Noch erfolgreicher wird Europa zukünftig sein, wenn wir nicht zu zaghaft mit den eigenen Zielen sind. 20 Prozent Treibhausgas-Reduzierung aus der EU ist nicht ambitioniert, und wir wären sehr viel glaubwürdiger, wenn wir ein ambitionierteres Ziel - 30 Prozent bis 2020 - angehen. Das können wir, und das zieht dann natürlich auch andere nach.
Degenhardt: Wir zeigen, wenn es um CO2-Belastungen geht, oft gern mit dem Finger auf China. Peking baut jetzt aber auch einen Emissionshandel auf. Muss der Westen das nicht stärker zur Kenntnis nehmen?
Flasbarth: Ja, das nimmt der Westen auch zur Kenntnis. Es wird ja auch gefördert, es gibt diese Kooperation, und das alte "mit dem Finger auf China zeigen" ist aus meiner Beobachtung vorbei. Es ist aber auch gut, dass die Chinesen jetzt ihre Verantwortung erkannt haben, dass es bei dieser Freiwilligkeit in mittlerer Sicht nicht bleiben kann. Deshalb kamen frühzeitig von der Konferenz Signale von den Chinesen - man wusste zunächst nicht genau, wie man das einschätzen soll -, dass man zur Verbindlichkeit bereit sein kann, und das, glaube ich, hat auch dazu geführt, dass letztendlich die Amerikaner und auch die Inder nicht mehr abseits stehen konnten.
Degenhardt: Sie haben die Inder gerade angesprochen. Ist es nicht bedauerlich, dass Indien weiter auf die Kohle setzt?
Flasbarth: Das tut ja nicht nur Indien, das tun viele Länder, das tut auch China, und es ist deshalb wichtig, dass wir die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich auch für diese Länder marktfähig machen, so, dass sie so günstig sind, um auch in diesen Ländern Anwendung zu finden, und das können wir gerade zum Beispiel in Deutschland treiben. Wir sind da auf einem sehr guten Weg, der muss sehr engagiert, sehr konsequent weiter gegangen werden. Dann bin ich sicher, dass wir innerhalb dieses Jahrzehnts mit den erneuerbaren Energien in Kostenbereichen sind, die auch für Schwellenländer erschwinglich sind.
Degenhardt: Sie ziehen insgesamt eine doch positive Bilanz des Klimagipfels in Durban. Andere, zum Beispiel die Naturschutzorganisation BUND, spricht vom Schneckentempo in Sachen Klimaschutz. Ist es nicht generell ein Problem, wenn so viele Staaten an einem Tisch sitzen und im Prinzip keiner widersprechen darf, man sich dann zum Schluss letztendlich doch auf die kleinste gemeinsame Formel einigen muss?
Flasbarth: Also es ist ja das Recht, ich glaube, sogar die Pflicht, von den Nichtregierungsorganisationen, kritisch anzumerken und darauf hinzuweisen, dass das Tempo nicht ausreichend ist - und das stimmt auch. Allein, es gibt überhaupt keine Alternative dazu. Sich auf einen kleinen Kreis von Staaten zurückzuziehen. Das ist in der Vergangenheit gescheitert. Man kann das tun, um sozusagen die Koalition der Willigen zu bilden, Technologiekooperationen voranzubringen - aber um einen Vertrag auszuhandeln, da braucht man von den kleinen Inselstaaten bis hin zu den großen Emittenten wie USA und China alle an Bord, und ich glaube, das sehen auch die Umweltorganisationen so.
Degenhardt: Die Resultate des Klimagipfels - was taugen sie wirklich? Das war der Präsident des Umweltbundesamtes Jochen Flasbarth. Vielen Dank für das Gespräch!
Flasbarth: Bitte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Weitere Beiträge zum Klimagipfel im Deutschlandradio:
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Kommentar von Theo Geers: Mehr als Nichts aber immer noch zu wenig
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