Einmal Babel und zurück

Von Gerrit Stratmann |
Fast 6000 Sprachen werden weltweit gesprochen, da fällt die Verständigung mitunter gar nicht leicht. Computerentwickler träumen seit Jahrzehnten davon, Programme zu schreiben, die als maschinelle Übersetzer einen Großteil der Arbeit von Dolmetschern übernehmen. Doch dieser Traum hat sich noch lange nicht erfüllt.
Glaubt man der Bibel, hat die Menschheit seit dem Turmbau zu Babel ein Verständigungsproblem. In diesen alten Tagen hat Gott die Sprache der Menschen verwirrt. Seit ein paar Jahrzehnten versucht man mit Computern, die Fremdsprachengrenzen zu überwinden. Die schlechte Nachricht vorweg: Bis jetzt kommt kein einziges Übersetzungsprogramm auf der Welt ohne menschliche Nachbearbeitung aus. Und das hat seinen Grund.

"Einen Text zu übersetzen ist sehr schwer, denn es reicht nicht, wie das viele Übersetzungssysteme versuchen, Wort für Wort zu übersetzen,"

Rike Bacher arbeitet bei der Firma Linguatec in München. Dort wird die Übersetzungssoftware "Personal Translator" entwickelt, die ganze Texte auf Knopfdruck zum Beispiel vom Englischen in eine lesbare deutsche Fassung überträgt.

Einfache Sätze sind für das Programm kein Problem. ‚Flying planes can be dangerous.’ überträgt der Personal Translator zum Beispiel in die mögliche Übersetzung:

"Flugzeuge zu fliegen, kann gefährlich sein."

Die Sprachausgabe ist im Programm integriert und kann beliebige Texte vorlesen. Im Vergleich zu kostenlosen Übersetzungshilfen aus dem Internet zeigen sich erste Unterschiede. Die Übersetzungsmaschinen, die sich bei Lycos, Google und Altavista finden, übersetzen den gleichen Satz nämlich als:

"Fliegenflächen können gefährlich sein."

Offensichtlich gehen die Übersetzungshilfen im Internet allzu wörtlich vor. Daran wird allerdings das Grundprinzip deutlich, nach dem die maschinelle Übersetzung bei den meisten Programmen funktioniert. Rike Bacher:

"Der erste Schritt ist natürlich auch, wie bei der menschlichen Übersetzung, dass man die Wörter kennen muss, um einen Satz korrekt zu übersetzen. Das heißt die Wörter werden im Wörterbuch nachgeschlagen und wenn alle Wörter vorhanden sind, dann kann man zum zweiten Schritt gehen, der syntaktischen Analyse. Subjekt, Prädikat, Objekt wird rausgesucht, Nebensätze und Hauptsätze. Und im dritten Teil, im Transferteil und in der Generierung, wird dann die richtige Struktur in der Zielsprache hergestellt."

Was sich in der Theorie so einfach anhört, ist in der Praxis ein Weg, der mit vielen Hürden gespickt ist. Ein Beispiel aus der New York Times: How did worms become the first environmental activists? Die Frage wird vom kommerziellen Programm richtig übersetzt als:

"Wie wurden Würmer die ersten Umweltaktivisten?"

Die kostenlosen Alternativen aus dem Internet machen daraus:

"Wie standen Endlosschrauben den ersten Klimaaktivisten?"

Nicht alles, was deutsch klingt, ist es auch. Das Problem ist: In vielen Sprachen gibt es Wörter mit mehr als einer Bedeutung, so genannte Homonyme. Und besonders schwierig wird es auch bei literarischen Texten, wenn es um mehr geht als nur um den Inhalt.

"Stolperfallen hält die Sprache sehr viele bereit, zum Beispiel Homonyme, die sehr schwierig zu übersetzen sind, oder auch Metaphern in Gedichten. Da braucht man dann schon noch einen menschlichen Übersetzer, der diese poetische Komponente auch in die Übersetzung reinbringen muss, die ja dann auch eine eigene literarische Qualität haben muss."

"Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage: Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden?"

Der berühmte Hamlet-Monolog in Schlegels poetischer Übertragung aus dem 18. Jahrhundert. In der maschinellen Übersetzung klingt die metaphernreiche Sprache etwas steril:

"Zu sein oder nicht zu sein. Das ist die Frage. Ob es stattlicher im Verstand ist, die Schlingen und Pfeile von unerhörtem Glück zu erleiden oder Arme gegen ein Meer von Schwierigkeiten zu nehmen und dadurch, dass es ist, sie zu beenden."

Mitunter erscheinen die Übersetzungsprogramme unfreiwillig kreativ. ‚He kicked the bucket’ meint im Englischen eigentlich, dass jemand ins Gras beißt. Im Internet übersetzt Altavistas Babelfish allerdings wörtlich:

"Er trat den Eimer."

Personal Translator kennt die Redewendung und übersetzt in diesem Fall richtig. Das schützt das Programm aber noch lange nicht vor anderen Fallen. Aus der einfachen Feststellung, dass die Zeit wie im Fluge vergeht – Time flies like an arrow -, macht es seinerseits die allzu wörtliche Behauptung:

"Zeitfliegen mögen einen Pfeil."

Den Programmen fehlt das alltägliche Weltwissen, das wir Menschen gespeichert haben. Trotz großer Wörterbücher und ausgefeilter Regelsysteme, mit denen sie Sätze bilden können, wissen sie zum Beispiel nicht, dass es zwar Obstfliegen, aber keine Zeitfliegen gibt. Aber auch wenn die Ergebnisse in den seltensten Fällen druckreif sind, spart eine maschinelle Übersetzung nicht nur Zeit, sondern hat auch andere handfeste Vorteile.

"Wenn Sie zum Beispiel eine Fremdsprache überhaupt nicht beherrschen, dann können Sie sich mit dem Programm eine Rohübersetzung erstellen lassen, und können so überhaupt kommunizieren in einer Fremdsprache, die Sie selbst nicht beherrschen."

Der Traum vom Universalübersetzer ist noch lange nicht erfüllt. Ein Babelfisch, wie ihn der Kultautor Douglas Adams für seinen Welterfolg "Per Anhalter durch die Galaxis" erfunden hat, harrt noch der Entdeckung oder Entwicklung. Aber selbst wenn die Programme niemals an die Übersetzungsleistung dieses telepathischen Tierchens heranreichen werden: Von ihren grundlegenden Fähigkeiten ist Rike Bacher heute schon überzeugt.

"Ich denke, die Übersetzungsleistung so auf der Ebene des Abiturwissens, da kann ein maschinelles Übersetzungssystem ganz gut mithalten."

Wikipedia-Artikel zum Thema "Maschinelle Übersetzung"