Einsam im Coronawinter
In diesem Corona-Winter fühlen sich viele Menschen einsam und fürchten weitere Kontaktbeschränkungen. © picture-alliance / Pixsell / Kristina Stedul Fabac
Mehr Empathie wagen
06:57 Minuten
Die Psychologin Carlotta Welding rät in dieser Zeit der Pandemie zu mehr Mitgefühl und weniger Groll. Kontaktbeschränkungen seien zwar notwendig, doch alleinlebende Menschen vereinsamen. Es brauche Mut, sich diese Gefühle einzugestehen.
Die Einsamen dürften in der Pandemie nicht vergessen werden, sagt die Emotionstherapeutin Carlotta Welding. Sie habe das Gefühl, dass in diesem zweiten Coronawinter statt Empathie an verschiedenen Fronten eher Groll herrsche als Empathie. Da sei etwa der Groll der Geimpften gegenüber den Ungeimpften, aber auch gegen die Corona-Maßnahmen. "Es scheint sich einfach eingeschlichen zu haben, dass der Weg ziemlich lang ist, den man beschritten hat auf diesem Corona-Pfad."
Fehlende Empathie
Es fehle an Mitgefühl für Menschen, die anderer Ansicht seien, kritisiert Welding. Es sei in der aufgeladenen Situation zwar schwierig, dieses Mitgefühl zu behalten. "Aber ich bin immer noch überzeugt, dass man am weitesten kommt, wenn man versucht, sich in den Anderen hineinzuversetzen und dessen Beweggründe verstehen will." Doch genau das komme ihr gerade zu kurz.
Kontaktbeschränkungen als kleineres Übel
Wer sich nicht impfen lassen wolle, müsse Kontaktbeschränkungen in Kauf nehmen, so die Psychologin. "Das ist kein böser Wille, sondern Sicherungsmaßnahmen." Aber Einsamkeit sei natürlich ein massives Gefühl, das schlimme Folgen haben könne. Allerdings gehe es hier um eine vorübergehende Einsamkeit: "Im besten Fall ist das in ein paar Monaten nicht mehr so dramatisch wie im Moment." Außerdem müsse man sich vor Augen führen, dass die Einsamkeit durch Kontaktbeschränkungen vergleichsweise glimpflich sei im Vergleich zu der Einsamkeit von Corona-Erkrankten auf einer Intensivstation.
Mut zu eigenen Gefühlen
"Es ist wahnsinnig uncool, einsam zu sein", sagt die Psychologin. "Wir wollen vernetzt sein, große Freundeskreise haben, beliebt sein." Deshalb sei es mutig, sich einzugestehen, dass man einsam sei. Und dieses Eingeständnis sei auch ein wichtiger Schritt, um weiterzukommen. Schließlich bedeute das zu akzeptieren, dass man ein soziales Wesen sei.
"Dieses Bedürfnis nach Kontakt sollte man nicht trivialisieren, so Welding. Gerade für Menschen, die alleine wohnten, sei das ein enormer Eingriff in ihr Privatleben und in die tiefsten Bedürfnisse des Menschen. "Das heißt nicht, dass Kontaktbeschränkungen falsch sind, aber man sollte nicht auf die leichte Schulter nehmen, dass Menschen einsam sind."