Einwanderung

Berufsanfänger unerwünscht

Stellenangebote auf Zetteln stecken in einer Wandtafel mit der Überschrift "Ausbildungsangebote" am Donnerstag (12.04.2012) in Berlin im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit im Arbeitsamt Mitte in der Friedrichstraße.
Wer als Migrant ins Berufsleben einsteigt, sollte ein üppiges Gehalt nachweisen. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Mohamed Amjahid · 16.05.2014
Der marokkanische Journalist Mohamed Amjahid hat studiert, spricht fließend deutsch und ist bei einer Zeitung als Volontär angestellt. Doch die Ausländerbehörde macht ihm trotzdem das Leben schwer.
Im Wartesaal der Berliner Ausländerbehörde nehme ich zwischen 20 Menschen Platz. Eine junge Chinesin hockt in einer Ecke auf dem Boden und heult. Ein Libanese telefoniert mit seiner Mutter: Alles sei schwierig, seine Lage sehr kompliziert.
Ich schaue aus dem Fenster. Auf dem Hof wird ein schwarzer Mann in Handschellen abgeführt. Wir starren gebannt auf einen Flachbildschirm, das Amt stellt sich seinen "Kunden" vor: Es sei dafür da, den Aufenthaltsstatus zu klären, ihn aber auch zu beendigen, wenn nötig. Willkommenskultur klingt anders. In einem Land, das sich um die besten Köpfe bemüht.
Eine Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes besagt, dass ein Drittel der ausländischen Studierenden mindestens fünf Jahre in Deutschland arbeiten und Steuern zahlen müssen, damit sich die Ausbildungskosten Aller rentieren – in Höhe von 13.000 Euro pro Jahr und Student.
Nach meinem Abschluss im Fach Politikwissenschaften habe ich ein Volontariat beim "Tagesspiegel" in Berlin bekommen – für mich ein guter Start in den Beruf eines Journalisten; wären da nicht all die Hürden, die ich vorher überwinden muss.
In der Ausländerbehörde erscheint meine Wartenummer auf einer Tafel: Raum 171. Ich nehme Platz. Es ist eine Amtsstube wie im Bilderbuch: Schreibtisch, Aktenordner, Rechner, alles wirkt gräulich. Die Sachbearbeiterin ringt sich ein Lächeln ab und spricht meinen Namen falsch aus. Ich schiele auf ihr Namensschild und schildere dabei mein Anliegen.
Sie ist an das Gesetz zur "Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland" gebunden, so der erste Satz im Gesetz, der Klartext spricht. Aber, die Sachbearbeiterin ist nicht begrenzt, sie kann steuern, hat Interpretationsspielraum. Sie blättert in meinen Papieren. Sie lacht. Sie schüttelt den Kopf: "Wir brauchen Ingenieure in Deutschland", ist ihr erster Satz.
Wer nicht 64.000 Euro im Jahr verdient, fliegt raus
Ich bleibe wortkarg und höre zu. Mit einem Volontärsgehalt käme ich nicht weiter. Das Gesetz erwarte, dass ich 64.000 Euro im Jahr verdiene. Der Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler gebe dies selten her, versuche ich einzuwenden. Ihr Lächeln ist verschwunden, ihr Lachen nicht. "Sie sind ein Flop!", stellt sie fest. Ich könnte in drei Monaten wiederkommen, so ich sämtliche Kriterien erfülle. Das würde wohl bedeuten, ein Ingenieursstudium im Schnelldurchgang zu absolvieren.
Beim zweiten Anlauf hat es dann geklappt, aber nur mit einer Zwischenlösung: Nun klebt in meinem Pass ein Sticker mit fluoreszierendem Bundesadler und glitzernden Europasternen. Ich habe vorerst 18 Monate Zeit, um der Behörde einen neuen Arbeitsplatz zu präsentieren, steht daneben. Am besten natürlich als Ingenieur, mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag und natürlich einem Jahreseinkommen von mindestens 64.000 Euro. Immerhin darf ich nebenbei mein Volontariat absolvieren. Das allerdings dauert 24 Monate.
Als ich dies alles auf meinem Blog schilderte, schrieben mir hunderte Freunde und Fremde, darunter viele Beschäftige von Ausländerbehörden, meistens anonym. Einige beschwerten sich pauschal über "respektlose Kulturkreise", alle über ihre Arbeitsbedingungen. Das kann ich gut nachvollziehen.
Doch der Stress im Behördenalltag darf nicht zum Nachteil für einen Antragsteller wie mich werden. Ich möchte arbeiten und Steuern zahlen, auf diese Weise die Studienkosten für mich und meine ausländischen Kommilitonen zurückerstatten - ganz im Sinne der Einwanderungsgesellschaft, mit der Deutschland ja noch ringt.
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Der Journalist Mohamed Amjahid© privat
Mohamed Amjahid, Jahrgang 1988, ist Nachwuchsjournalist und Volontär beim "Tagesspiegel". Für die Wochenzeitung "Die "ZEIT" war er in den letzten Jahren als Nahost-Reporter unterwegs. Der Sohn marokkanischer Gastarbeiter hat die Schule in Marokko besucht, in Berlin und Kairo seinen Master im Fach Politikwissenschaften absolviert.
Seine (journalistischen) Schwerpunktthemen sind unter anderem Menschenrechte, Soziale Bewegungen, Außen- und Sicherheitspolitik, Alltagsanthropologie im Mittelmeerraum, (Anti-)Rassismus überall und natürlich die Umbrüche in der Arabischen Welt.
Der Autor ist Volontär beim Tagesspiegel in Berlin. Seine Geschichte ist Teil eines Themenschwerpunkts, der am Samstag, dem 17. Mai, im Tagesspiegel erscheint.
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