Einwurf

Absagen sind besser als Geisterspiele

03:37 Minuten
Ultras bezeichnen das Spiel im Waldstadion die Commerzbank-Arena als Corona Arena |
Auch der Fußball steht ganz im Zeichen der Coronakrise. © HMB Media/ Heiko Becker
Von Wolf-Sören Treusch · 15.03.2020
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Die Gefahren des Coronavirus wirken sich auch auf den Sport aus: Allerdings drücken Wettkämpfe ohne Publikum zusätzlich auf die Stimmung. Besser wären Absagen für alle Spiele, zumindest auf Zeit, meint Wolf-Sören Treusch.
Erst war ich erleichtert. Keine Fernsehbilder von Fans, die aufgeregt in die Kamera winken, wenn sie ihr Bild auf der Videoleinwand im Stadion sehen. Stattdessen volle Konzentration aufs Wesentliche: den Wettkampf. Und beim Biathlon-Weltcup zum Beispiel beobachten zu können, wie die Beine zittern, die manchen Athleten ihr Schießergebnis verhageln.
Dann war ich erheitert. Sportler zu sehen, die fröhlich ins Publikum grüßen, wo nur verwaiste Hartplastikschalen warten. Und Kommentare von hoch bezahlten Fußballern zu hören, die zeigen, wie banal der Sport sein kann. Beispiel: das lang gezogene ‚Muyy Biéeeen’, als der Torwart des französischen Fußballvereins PSG eine läppische Flanke aus der Luft fischt.

Wettkampf ohne Fans

Zuletzt war ich ernüchtert. Feststellen zu müssen, dass Sportübertragungen im Fernsehen ohne Fans irgendwie Mist sind. Es fehlt der Resonanzboden, der Wettkampf bleibt merkwürdig steril, stiftet keine Gemeinschaft, die einen im besten Falle mitreißt. Beispiel: die Gäste in meiner Fußballkneipe. Wortlos quittieren sie das Aus des BVB in Paris, die Wirtin schaltet um auf das Spiel in Liverpool, Verlängerung. Schnittbild auf einen jungen Fan, der aufgeregt an seinen Fingernägeln kaut. Ein Raunen geht durchs Lokal. Alle Gäste bleiben. Endlich können sie mitfiebern.
Ernüchtert war ich auch, weil ich mich frage: Was ist damit gewonnen, Geisterspiele zu verordnen, wenn die Fans stattdessen zu Tausenden vor den Stadien zusammenkommen, um ihre Mannschaft anzufeuern? Deshalb ist es richtig, dass die Fußball-Funktionäre die Warnungen der Gesundheitsexperten endlich ernst nehmen und alle Spiele – zumindest auf Zeit – abgesagt haben. Die Deutsche Eishockeyliga hatte es vorgemacht. Sie bleibt diese Saison ohne Meister.
Sportübertragungen im Fernsehen sollten Zuversicht ausstrahlen, optimistisch machen. Das Zeigen von Geisterspielen und anderen Wettkämpfen ohne Publikum verstärkt dagegen die depressive Grundstimmung, die das Coronavirus in der Gesellschaft ausgelöst hat.
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