Einzigartige Theaterräume
Bert Neumann gehört zu den Großen seines Faches. Tief verwurzelt in der Berliner Volksbühne und einer symbiotischen Zusammenarbeit mit dem Intendanten und Regisseur Frank Castorf hat er einzigartige Theaterräume geschaffen.
Die Bühnenbilder des Bert Neumann sind bizarr, manchmal abstoßend und verführerisch zugleich: blinkende Neonlichter zwischen Blümchentapete und Baumarktstühlen. Schrott-Ästhetik wurden seine Arbeiten auch schon genannt. Der Chef-Bühnenbildner der Berliner Volksbühne lässt sich von Jahrmärkten und Baustellen inspirieren.
"Diese ganzen Fassaden, das Schillern und das Glitzern sind so Mittel, die natürlich die Netzhaut sofort erreichen, obwohl man ja die Schäbigkeit und so was auch weiß, die dann dahinter meistens ist. Ich finde da nicht den großen Unterschied zu den ganzen Fassaden, die uns sonst so umgeben. Nur dass die eben wahr sein sollen. Und ich glaube, dass das eben nicht so ist."
Das Spiel mit der Wahrnehmung ist ein konstantes Thema in Neumanns Arbeiten. Der Zuschauer sieht Gesichter in Großaufnahme auf Leinwände projiziert, der Schauspieler selbst bleibt unsichtbar. Die räumlichen Zwänge des Theaters werden ausgehebelt. Vorbilder für den heute 50-Jährigen sind der Regisseur John Cassavates und auch Christoph Schlingensief.
"Ein guter Theaterabend ist jeden Tag anders. Im Extremfall war es so bei Schlingensief, wo die Abende ja komplett verschieden waren. Es war wie eine andere Inszenierung, wenn man einen anderen Abend gesehen hat. Cassavates hat das auch im Film geschafft. Dadurch wird es lebendig und auch interessant."
Lebendig, interessant, das ist Bert Neumanns Leben anfangs so gar nicht: 1960 wird er in Magdeburg geboren. In der Nähe der Großeltern - so will es die Mutter. Nach der Geburt geht es zurück nach Berlin-Treptow. Dort verlebt er eine stinknormale, ruhige Jugend, erzählt der mittelgroße, schmale Mann mit den dunklen Haaren lachend. Sport interessiert ihn nicht, stattdessen kann er gut zeichnen. Seine Eltern, beide Architekten, erkennen die künstlerische Neigung ihres Sohnes und fördern ihn. Schon früh ist klar: Er will Bühnenbildner werden.
"Ich weiß gar nicht, ob ich mal Lokführer werden wollte. Ich kann mich eigentlich nur erinnern, dass ich das werden wollte. Das hatte natürlich mit meinen Eltern zu tun. Die hatten mich offenbar gut beobachtet, weil ich mache den Beruf jetzt schon ganz schön lange, und er macht mir auch nach wie vor Spaß."
Und so beginnt der damals19-Jährige sein Bühnenbildnerstudium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, taucht ein in sein Metier. Nach dem Studium wird es ernst. Bert Neumann wird an das Hans-Otto-Theater in Potsdam geschickt.
"In der DDR war das ja so, dass man nach dem Studium sofort vermittelt wurde. In ein festes Engagement, was wir damals natürlich ganz schrecklich fanden, weil wir wollten freie Künstler und selber entscheiden, wo wir hingehen. Das ging aber nicht."
Dort wird der junge, unerfahrene Bühnenbildner ins kalte Wasser geworfen und muss sich im Theaterbetrieb zurechtfinden. Es sind gute Lehrjahre. Trotzdem hört Neumann nach zwei Jahren in Potsdam auf. Der eintönige Theaterbetrieb befriedigt diesen Freigeist nicht, engt ihn zu sehr ein. Mit seiner Frau, Lenore Blievernicht, einer Fotografin sucht er nach künstlerischen Alternativen.
"Es gab ja zu der Zeit auch viele Modeprojekte, da haben wir auch ein paar Ausflüge in die Richtung gemacht. Einfach mal rumprobiert. Das war eine ganz gute Zeit. Die Lebenshaltungskosten waren ja nun wirklich minimal. Man musste nicht wirklich mit einer Karriere starten."
Das Künstlerpaar genießt die Freiheit, in der DDR ohne große materielle Zwänge leben zu können.
"Also ich hatte auch nicht den Impuls, das Land zu verlassen. Dann sind unsere Kinder geboren und wir dachten: Naja, wenn die zur Schule kommen, möglicherweise wird das dann ein Problem. Aber da kam ja dann die Wende schon dazwischen."
Nach dem Mauerfall gründet Bert Neumann mit seiner Frau das Grafikprojekt: "Last second design", kurz: LSD. Später wird dieses Projekt die Außendarstellung der Volksbühne prägen, angefangen vom Logo mit dem "Rad auf zwei Beinen" bis hin zur gesamten Werbung. 1990 folgt die erste Arbeit als Bühnenbildner für das Theater. Zusammen mit Frank Castorf inszeniert er "Die Räuber" – es ist der Anfang einer produktiven Zusammenarbeit. Beide transportieren das Gefühl der Unsicherheit, das die Nachwendezeit ausmachte, in ihre Inszenierung.
"So ein 48 Stunden Nonstop-Bespielungsprojekt in der Volksbühne, wo die Leute schlafen konnten. Wo man einfach bestimmte Sachen und Themen besprochen hat, die damals in der Luft lagen und wichtig waren. Diese Energie, die damals entstanden ist, die war eigentlich das Startkapital für das Projekt Volksbühne."
Die Volksbühne kann als Theater überleben und ab 1992 ist Bert Neumann ihr Chef-Bühnenbildner. Die Zusammenarbeit in dieser Zeit ist ein absoluter Glücksfall, betont Neumann noch heute. Besonders die Verbindung zu Frank Castorf ermöglicht ihm seine Bühnen so frei zu gestalten, wie er es sich vorstellt. Das ist nicht mit vielen Regisseuren möglich.
"Da gibt es natürlich Regisseure, die sagen, mach mir da mal eine Tür rein. Nee, da passt aber keine Tür rein. Ich habe mir das extra so ausgedacht, dass da keine ist. Ok, da ist jetzt keine Tür, wie komme ich jetzt trotzdem durch die Wand, da fängt dann an, Fantasie zu blühen. Da wird es dann interessant."
Genau das macht die Qualität der Arbeiten Bert Neumanns aus: immer wieder neue Möglichkeiten und Wege zu suchen. Trotz seines Erfolges ist der sympathische Bühnenbildner bodenständig geblieben. Wenn er von seiner Arbeit spricht, wird der 50-Jährige fast jungenhaft, man spürt seine Begeisterungsfähigkeit, die er sich auch durch die Kompromisslosigkeit seiner Arbeitsweise erhalten hat.
Manche haben ihm das auch schon als Arroganz vorgeworfen. Das nimmt er in Kauf, seine Kunst ist ihm wichtiger. Nach einer Phase der Erschöpfung und der Neufindung innerhalb des Ensembles der Volksbühne, sieht der Bühnenbildner das Theater wieder auf einem guten Weg. So können sich die Zuschauer auch weiterhin auf einzigartige Theaterräume freuen. Und wir mit ihnen.
"Diese ganzen Fassaden, das Schillern und das Glitzern sind so Mittel, die natürlich die Netzhaut sofort erreichen, obwohl man ja die Schäbigkeit und so was auch weiß, die dann dahinter meistens ist. Ich finde da nicht den großen Unterschied zu den ganzen Fassaden, die uns sonst so umgeben. Nur dass die eben wahr sein sollen. Und ich glaube, dass das eben nicht so ist."
Das Spiel mit der Wahrnehmung ist ein konstantes Thema in Neumanns Arbeiten. Der Zuschauer sieht Gesichter in Großaufnahme auf Leinwände projiziert, der Schauspieler selbst bleibt unsichtbar. Die räumlichen Zwänge des Theaters werden ausgehebelt. Vorbilder für den heute 50-Jährigen sind der Regisseur John Cassavates und auch Christoph Schlingensief.
"Ein guter Theaterabend ist jeden Tag anders. Im Extremfall war es so bei Schlingensief, wo die Abende ja komplett verschieden waren. Es war wie eine andere Inszenierung, wenn man einen anderen Abend gesehen hat. Cassavates hat das auch im Film geschafft. Dadurch wird es lebendig und auch interessant."
Lebendig, interessant, das ist Bert Neumanns Leben anfangs so gar nicht: 1960 wird er in Magdeburg geboren. In der Nähe der Großeltern - so will es die Mutter. Nach der Geburt geht es zurück nach Berlin-Treptow. Dort verlebt er eine stinknormale, ruhige Jugend, erzählt der mittelgroße, schmale Mann mit den dunklen Haaren lachend. Sport interessiert ihn nicht, stattdessen kann er gut zeichnen. Seine Eltern, beide Architekten, erkennen die künstlerische Neigung ihres Sohnes und fördern ihn. Schon früh ist klar: Er will Bühnenbildner werden.
"Ich weiß gar nicht, ob ich mal Lokführer werden wollte. Ich kann mich eigentlich nur erinnern, dass ich das werden wollte. Das hatte natürlich mit meinen Eltern zu tun. Die hatten mich offenbar gut beobachtet, weil ich mache den Beruf jetzt schon ganz schön lange, und er macht mir auch nach wie vor Spaß."
Und so beginnt der damals19-Jährige sein Bühnenbildnerstudium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, taucht ein in sein Metier. Nach dem Studium wird es ernst. Bert Neumann wird an das Hans-Otto-Theater in Potsdam geschickt.
"In der DDR war das ja so, dass man nach dem Studium sofort vermittelt wurde. In ein festes Engagement, was wir damals natürlich ganz schrecklich fanden, weil wir wollten freie Künstler und selber entscheiden, wo wir hingehen. Das ging aber nicht."
Dort wird der junge, unerfahrene Bühnenbildner ins kalte Wasser geworfen und muss sich im Theaterbetrieb zurechtfinden. Es sind gute Lehrjahre. Trotzdem hört Neumann nach zwei Jahren in Potsdam auf. Der eintönige Theaterbetrieb befriedigt diesen Freigeist nicht, engt ihn zu sehr ein. Mit seiner Frau, Lenore Blievernicht, einer Fotografin sucht er nach künstlerischen Alternativen.
"Es gab ja zu der Zeit auch viele Modeprojekte, da haben wir auch ein paar Ausflüge in die Richtung gemacht. Einfach mal rumprobiert. Das war eine ganz gute Zeit. Die Lebenshaltungskosten waren ja nun wirklich minimal. Man musste nicht wirklich mit einer Karriere starten."
Das Künstlerpaar genießt die Freiheit, in der DDR ohne große materielle Zwänge leben zu können.
"Also ich hatte auch nicht den Impuls, das Land zu verlassen. Dann sind unsere Kinder geboren und wir dachten: Naja, wenn die zur Schule kommen, möglicherweise wird das dann ein Problem. Aber da kam ja dann die Wende schon dazwischen."
Nach dem Mauerfall gründet Bert Neumann mit seiner Frau das Grafikprojekt: "Last second design", kurz: LSD. Später wird dieses Projekt die Außendarstellung der Volksbühne prägen, angefangen vom Logo mit dem "Rad auf zwei Beinen" bis hin zur gesamten Werbung. 1990 folgt die erste Arbeit als Bühnenbildner für das Theater. Zusammen mit Frank Castorf inszeniert er "Die Räuber" – es ist der Anfang einer produktiven Zusammenarbeit. Beide transportieren das Gefühl der Unsicherheit, das die Nachwendezeit ausmachte, in ihre Inszenierung.
"So ein 48 Stunden Nonstop-Bespielungsprojekt in der Volksbühne, wo die Leute schlafen konnten. Wo man einfach bestimmte Sachen und Themen besprochen hat, die damals in der Luft lagen und wichtig waren. Diese Energie, die damals entstanden ist, die war eigentlich das Startkapital für das Projekt Volksbühne."
Die Volksbühne kann als Theater überleben und ab 1992 ist Bert Neumann ihr Chef-Bühnenbildner. Die Zusammenarbeit in dieser Zeit ist ein absoluter Glücksfall, betont Neumann noch heute. Besonders die Verbindung zu Frank Castorf ermöglicht ihm seine Bühnen so frei zu gestalten, wie er es sich vorstellt. Das ist nicht mit vielen Regisseuren möglich.
"Da gibt es natürlich Regisseure, die sagen, mach mir da mal eine Tür rein. Nee, da passt aber keine Tür rein. Ich habe mir das extra so ausgedacht, dass da keine ist. Ok, da ist jetzt keine Tür, wie komme ich jetzt trotzdem durch die Wand, da fängt dann an, Fantasie zu blühen. Da wird es dann interessant."
Genau das macht die Qualität der Arbeiten Bert Neumanns aus: immer wieder neue Möglichkeiten und Wege zu suchen. Trotz seines Erfolges ist der sympathische Bühnenbildner bodenständig geblieben. Wenn er von seiner Arbeit spricht, wird der 50-Jährige fast jungenhaft, man spürt seine Begeisterungsfähigkeit, die er sich auch durch die Kompromisslosigkeit seiner Arbeitsweise erhalten hat.
Manche haben ihm das auch schon als Arroganz vorgeworfen. Das nimmt er in Kauf, seine Kunst ist ihm wichtiger. Nach einer Phase der Erschöpfung und der Neufindung innerhalb des Ensembles der Volksbühne, sieht der Bühnenbildner das Theater wieder auf einem guten Weg. So können sich die Zuschauer auch weiterhin auf einzigartige Theaterräume freuen. Und wir mit ihnen.