Der erste DDR-Spieler im Westen
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Er ist der Rekord-Nationalspieler der DDR und fiel in den 80er-Jahren sogar den Scouts der Edmonton Oilers auf − der Berliner Dieter Frenzel spielte Eishockey auf Weltniveau. Doch er sagt: "In Deutschland sind wir DDR-Spieler ein bisschen vergessen."
Es war kurz nach der Wende. Ich erinnere mich noch genau an eines seiner ersten Spiele in einem neuen Land. Ratingen war zu Gast bei meinem früheren Verein in Krefeld. "Stasi raus! Stasi raus!" skandierten einige Krefelder Fans von der Tribüne. Die Rufe galten dem Ratinger Spieler Dieter Frenzel.
"Also wenn man ein gewisses Niveau als Spieler hat und man heraussticht, haben die Zuschauer in der Regel etwas gegen einen. Zu DDR-Zeiten konnte ich damit leben zum Beispiel in den Eishallen, aber wo ich dann in die Bundesliga gewechselt bin, kamen doch Vorwürfe und Anfeindungen: 'Du Stasi-Schwein – geh wieder zurück nach Berlin!' oder 'Hau ab hier!' Und ich konnte reinen Gewissens sagen, dass ich nicht bei der Stasi war, und von daher hat mich das eigentlich nicht interessiert, sondern eher noch mehr angespornt, den Gegner zu zeigen – ja, Jungs, nicht nur im Westen wird Hockey gespielt, sondern auch im Osten."
NHL-Späher hatten ihn auf dem Zettel
Die Liste seiner sportlichen Erfolge ist lang: 296 Länderspiele für die DDR, 13 WM-Teilnahmen, darunter ein sechster Platz bei der Weltmeisterschaft 1983, zwölf Mal DDR-Meister. Ein Jahrzehnt lang war Frenzel Kapitän der DDR-Auswahl. Grund genug, seine Trikotnummer nicht mehr zu vergeben.
Frenzels Leistungsvermögen blieb auch den Talentspähern des NHL-Klubs Edmonton Oilers nicht verborgen: Mitte der 80er bis Anfang der 90er gewannen sie fünf Mal den Stanley Cup, die bedeutendste Eishockey-Trophäe. Der kanadische NHL-Klub war auf der Suche nach guten Verteidigern. Doch ein Angebot, dass für Dieter Frenzel bestimmt war, wurde nicht an ihn weitergeleitet. Die Staatssicherheit hielt es zurück.
"Diese Information über dieses Angebot wurde mir natürlich nicht weitergereicht. Und nach dem Mauerfall – zwei Monate später bin ich ja dann gewechselt in die Bundesliga, brauchte von meinem Verband eine Transferkarte, und in diesem Zusammenhang sagte der Funktionär zu mir: Warum bist du denn nicht schon früher gegangen? Das wäre natürlich eine Riesengeschichte gewesen, mit diesen ganzen Weltklassespielern bei Edmonton zu spielen."
Er galt als "Ausländer" vor der Vereinigung
Als die Mauer im November 1989 fiel, war Frenzel 34 Jahre alt und am Ende seiner Karriere angelangt. Der damalige Bundesliga-Verein Ratinger Löwen verpflichtete Frenzel. Er war somit der erste ostdeutsche Spieler, der im Westen spielte. Da Deutschland noch nicht wiedervereinigt war, galt Frenzel paradoxerweise als "Ausländer" in der Liga. Es folgten weitere sieben Spielzeiten und Engagements als Trainer unter anderem für den ehemaligen DEL-Klub Hannover Scorpions, bis er dem Sport den Rücken kehrte.
"Drucksituationen, denen du als Trainer ausgeliefert bist, wollte ich dann eigentlich nicht mehr haben, weil du ja von Wochenende zu Wochenende wirklich vor hop oder top oder Rausschmiss stehst. Und habe dann für uns als Familie auch gesagt, also lass uns aufhören und wir sind noch nicht zu alt, um etwas anderes zu machen. Dann sind wir in den Einzelhandel gegangen."
Als die Mauer fiel, spielte er gegen Weißwasser
Auf die Frage wo er sich am 9. November 1989 befand, antwortet Frenzel: "Im Welli in Hohenschönhausen, dort fand gerade ein Meisterschaftsspiel statt zwischen Berlin und Weißwasser. Und daran kann ich mich eigentlich noch sehr gut erinnern, dass während des Spiels die Nachricht kam, dass die Mauer offen ist."
Auch wenn Frenzel nie in der NHL spielte, lud ihn die nordamerikanische Profiliga kürzlich zum Ehrenbully im September in der Hauptstadt ein. In unserer schnelllebigen Zeit verblassen Namen schnell. Der Name Frenzel ist jedoch eng verbunden mit dem deutschen Eishockey.
"Was ich bedauere ist, dass die DDR-Spieler, also sprich Nationalmannschaft in Deutschland, zurzeit in keiner Statistik auftaucht – beim Weltverband dort ja, aber in Deutschland sind wir eigentlich ein bisschen vergessen. Sucht man vergebens nach den Spielern, die auch für ihr Land zu der Zeit sehr viel geleistet haben."