Eisler kontrovers
Hanns Eisler ist einer der berühmtesten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts, populär und erfolgreich seine Musik, umstritten als politische Gestalt. Die Kontroversen um ihn und sein Werk versammelt jetzt ein lesenswerter Sammelband.
Die letzte Nummer? Tatsächlich: die Reihe "querstand" wurde eingestellt. Das Projekt, in den Augen des Stroemfeld Verlags Frankfurt am Main offenbar zu anspruchsvoll, rechnete sich nicht mehr. Mit ihm sollte die Reihe "Musik-Konzepte" des Münchener Verlags "text + kritik" fortgesetzt werden. Der hatte schon vorher das Handtuch geworfen. Zu wenig Absatz, zu elitär. So verschwinden heute ganze Serien hochwichtiger Literatur. "Musik-Konzepte" erreichte seit den frühen 70er Jahren ein Konvolut von 130 Bänden. Das soll erstmal jemand nachmachen. Fundgrube immer noch für jeden, der Einblick nehmen will in Problemlagen der Musik von J. S. Bach bis Helmut Lachenmann.
Diese hoch anerkennenswerte gedankliche und publizistische Leistung von Metzger und Riehn wurde nun mit der Beseitigung des ganzen Projekts bestraft. Auch bei der Produktion des Eisler-Bandes gingen sie leer aus. Die Beschreibung ihres Anteils sucht man vergeblich. Albrecht Dümling, Herausgeber der Schrift, hat in seinem Vorwort nicht eine Silbe von deren Vorschlägen und eigenen Anstrengungen erwähnt. Es heißt im Dümling-Vorwort lediglich: Sein besonderer Dank gelte Rainer Riehn und Heinz-Klaus Metzger, die diese Publikation in ihre Reihe aufnahmen. Das ist nun wahrlich unverschämt und zeugt von frecher Ignoranz gegenüber zwei hoch verdienten Männern.
Stichwort Ignoranz. Die hat es gegenüber Hanns Eisler zeitlebens gegeben. Man lobte im Westen den Schönbergschüler und verächtlichte den Schöpfer von Kampfmusik und der Neuen Deutschen Volkslieder, während man im Osten häufig genau umgekehrt verfuhr. Damit macht der Band nun endgültig Schluss. Beliebt ist allerdings immer noch der Topos, den Kammermusikkomponisten gegen den angeblich schlechten Symphoniker Eisler auszuspielen, wohl wissend, dass dessen Kleine Sinfonie zum Gescheitesten gehört, was in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts im symphonischen Bereich entstand.
Eisler ist ja, was man auch nimmt, seine Werke, seine Schriften, seinen Enthusiasmus, seine Gedankenschärfe, selbst schon so substanzreich, dass man manchen Kommentar über ihn schlicht beiseite lassen kann. Indes, der "querstand"-Band bietet so Vieles und Verschiedenes, dass man selbst als Kenner und Bewunderer seines Gesamtwerks zum Überprüfen seiner Urteile und Vorurteile eingeladen ist. An die zwanzig Autoren versammelt das Buch und eine Fülle von Themen. Die Schlussdebatte und manche Spezialbeiträge wurden auf Symposien gehalten, die teils zwölf Jahre zurückliegen. Aber das bringt sie nicht um ihre Aktualität, auch nicht der hohe Anteil gestandener Eisler-Forscher, der in dem Band zum Zuge kommt. Um Nachwuchs brauche die Eisler-Forschung, so ist zu hören, nicht bange sein. Den gäbe es.
Zentral in dem Band ist des Komponisten Beziehung zu Schönberg, zur Wiener Schule insgesamt - in all ihren Verästelungen bis zu seinem Tode. Ein aufschlussreicher Komplex, deutet er doch darauf, wie wenig bei Eisler avancierte Kompositionstechniken und ethisch-politische Kompositionshaltungen einander in die Quere kamen. Brillant Jürgen Schebera, Urgestein der Kurt-Weill- und Eisler-Forschung, der das widersprüchliche Verhältnis zwischen Eisler und Adorno über vier Jahrzehnte im Spiegel von teils erstveröffentlichten Brief- und Textzeugnissen markiert. Der frühen Freundschaft gesellt sich die gegenseitige kritische Wertschätzung.
Doch die konträren politischen Auffassungen - Eislers kommunistische Gesittung gefällt Adorno überhaupt nicht - reißen Wunden auf. Der Kalte Krieg trennt die beiden hochgescheiten Geister vollends. Schebera dokumentiert minutiös, vermeidet alles Parteiische. Er lässt die Fakten sprechen. Der Leser soll sich selber ein Bild machen. Erhellend der Punkt, wie und wodurch es zur Trennung der ohnehin sensibilisierten Autoren kam. Den Anstoß gibt die Ko-Produktion des Buches "Komposition für den Film", das, nachdem Hanns Eisler und Bruder Gerhard Opfer der McCarthy-Hexenjagd auf Kommunisten und Demokraten 1948 geworden waren, nur noch den Namen eines Autors trägt. Adorno, die mangelnde Loyalität Eislers beklagend, hatte seinen Namen zurückgezogen.
Ideologentum huscht unvermeidlich durch die Schrift. Herumgehackt wird immer noch auf Eislers Kampfmusik auf das Lehrstück "Die Maßnahme", worin angeblich die Mordpolitik Stalins vorgezeichnet läge, was reiner Unsinn ist, ein Klischee des Kalten Krieges, dem selbst der gebildete Matthias Hansen aufsitzt. Klaus Völker bricht dem gegenüber zu Recht eine Lanze für das Stück, indem er die darin wohnende Tragödie antiken Ausmaßes betont. Gerhard Scheidt indes, sein Text über den Satiriker Eisler spottet jeder Beschreibung, tut sich in der Vernichtung von Werken wie den zeitkritischen Tucholsky-Liedern oder der "Deutschen Symphonie" besonders hervor. Sein Beitrag liegt weit unter dem Qualifikationsniveau, das nötig ist, um Eislerscher Musik, Eislerschem Denken intellektuell halbwegs gewachsen zu sein.
Eisler kontrovers - die Diskussion von 1998 mit Albrecht Bez, Konrad Böhmer, Reinhold Brinkmann, Günter Mayer, Jürgen Schebera, Friedrich Schenker, Matthias Hansen krönt gleichsam den Band. Die Runde reagiert auf teils provokante, teils fragwürdige Thesen, die der erwähnte Matthias Hansen ausgearbeitet hat, ein Mann, der Eislers Musik insgesamt - um es vornehm auszudrücken - nicht sonderlich zu mögen scheint.
Gleichwohl ist die Debatte ungeheuer lesenswert. Kein Wunder angesichts der kapitalen Veränderungen, die seit 1990 eingetreten sind und das Bild über den Komponisten verändert haben. Der Leser braucht jedenfalls nicht zu fürchten, dass da ein Meister in den Himmel gehoben wird. Vielmehr darf er erwarten, dass ein scharfsichtiger, widersprüchlicher Komponist durch die Brille der Widersprüche seiner Zeit und der Jetztzeit angeschaut wird. Immerhin: Solche Platten wie diese mit Ernst Busch, auf CD gebracht, werden wieder vertrieben und - aufgelegt.
Besprochen von Stefan Amzoll
Albrecht Dümling (Hg.): Hanns Eisler
Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M. 2010
322 Seiten, 48 Euro
Diese hoch anerkennenswerte gedankliche und publizistische Leistung von Metzger und Riehn wurde nun mit der Beseitigung des ganzen Projekts bestraft. Auch bei der Produktion des Eisler-Bandes gingen sie leer aus. Die Beschreibung ihres Anteils sucht man vergeblich. Albrecht Dümling, Herausgeber der Schrift, hat in seinem Vorwort nicht eine Silbe von deren Vorschlägen und eigenen Anstrengungen erwähnt. Es heißt im Dümling-Vorwort lediglich: Sein besonderer Dank gelte Rainer Riehn und Heinz-Klaus Metzger, die diese Publikation in ihre Reihe aufnahmen. Das ist nun wahrlich unverschämt und zeugt von frecher Ignoranz gegenüber zwei hoch verdienten Männern.
Stichwort Ignoranz. Die hat es gegenüber Hanns Eisler zeitlebens gegeben. Man lobte im Westen den Schönbergschüler und verächtlichte den Schöpfer von Kampfmusik und der Neuen Deutschen Volkslieder, während man im Osten häufig genau umgekehrt verfuhr. Damit macht der Band nun endgültig Schluss. Beliebt ist allerdings immer noch der Topos, den Kammermusikkomponisten gegen den angeblich schlechten Symphoniker Eisler auszuspielen, wohl wissend, dass dessen Kleine Sinfonie zum Gescheitesten gehört, was in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts im symphonischen Bereich entstand.
Eisler ist ja, was man auch nimmt, seine Werke, seine Schriften, seinen Enthusiasmus, seine Gedankenschärfe, selbst schon so substanzreich, dass man manchen Kommentar über ihn schlicht beiseite lassen kann. Indes, der "querstand"-Band bietet so Vieles und Verschiedenes, dass man selbst als Kenner und Bewunderer seines Gesamtwerks zum Überprüfen seiner Urteile und Vorurteile eingeladen ist. An die zwanzig Autoren versammelt das Buch und eine Fülle von Themen. Die Schlussdebatte und manche Spezialbeiträge wurden auf Symposien gehalten, die teils zwölf Jahre zurückliegen. Aber das bringt sie nicht um ihre Aktualität, auch nicht der hohe Anteil gestandener Eisler-Forscher, der in dem Band zum Zuge kommt. Um Nachwuchs brauche die Eisler-Forschung, so ist zu hören, nicht bange sein. Den gäbe es.
Zentral in dem Band ist des Komponisten Beziehung zu Schönberg, zur Wiener Schule insgesamt - in all ihren Verästelungen bis zu seinem Tode. Ein aufschlussreicher Komplex, deutet er doch darauf, wie wenig bei Eisler avancierte Kompositionstechniken und ethisch-politische Kompositionshaltungen einander in die Quere kamen. Brillant Jürgen Schebera, Urgestein der Kurt-Weill- und Eisler-Forschung, der das widersprüchliche Verhältnis zwischen Eisler und Adorno über vier Jahrzehnte im Spiegel von teils erstveröffentlichten Brief- und Textzeugnissen markiert. Der frühen Freundschaft gesellt sich die gegenseitige kritische Wertschätzung.
Doch die konträren politischen Auffassungen - Eislers kommunistische Gesittung gefällt Adorno überhaupt nicht - reißen Wunden auf. Der Kalte Krieg trennt die beiden hochgescheiten Geister vollends. Schebera dokumentiert minutiös, vermeidet alles Parteiische. Er lässt die Fakten sprechen. Der Leser soll sich selber ein Bild machen. Erhellend der Punkt, wie und wodurch es zur Trennung der ohnehin sensibilisierten Autoren kam. Den Anstoß gibt die Ko-Produktion des Buches "Komposition für den Film", das, nachdem Hanns Eisler und Bruder Gerhard Opfer der McCarthy-Hexenjagd auf Kommunisten und Demokraten 1948 geworden waren, nur noch den Namen eines Autors trägt. Adorno, die mangelnde Loyalität Eislers beklagend, hatte seinen Namen zurückgezogen.
Ideologentum huscht unvermeidlich durch die Schrift. Herumgehackt wird immer noch auf Eislers Kampfmusik auf das Lehrstück "Die Maßnahme", worin angeblich die Mordpolitik Stalins vorgezeichnet läge, was reiner Unsinn ist, ein Klischee des Kalten Krieges, dem selbst der gebildete Matthias Hansen aufsitzt. Klaus Völker bricht dem gegenüber zu Recht eine Lanze für das Stück, indem er die darin wohnende Tragödie antiken Ausmaßes betont. Gerhard Scheidt indes, sein Text über den Satiriker Eisler spottet jeder Beschreibung, tut sich in der Vernichtung von Werken wie den zeitkritischen Tucholsky-Liedern oder der "Deutschen Symphonie" besonders hervor. Sein Beitrag liegt weit unter dem Qualifikationsniveau, das nötig ist, um Eislerscher Musik, Eislerschem Denken intellektuell halbwegs gewachsen zu sein.
Eisler kontrovers - die Diskussion von 1998 mit Albrecht Bez, Konrad Böhmer, Reinhold Brinkmann, Günter Mayer, Jürgen Schebera, Friedrich Schenker, Matthias Hansen krönt gleichsam den Band. Die Runde reagiert auf teils provokante, teils fragwürdige Thesen, die der erwähnte Matthias Hansen ausgearbeitet hat, ein Mann, der Eislers Musik insgesamt - um es vornehm auszudrücken - nicht sonderlich zu mögen scheint.
Gleichwohl ist die Debatte ungeheuer lesenswert. Kein Wunder angesichts der kapitalen Veränderungen, die seit 1990 eingetreten sind und das Bild über den Komponisten verändert haben. Der Leser braucht jedenfalls nicht zu fürchten, dass da ein Meister in den Himmel gehoben wird. Vielmehr darf er erwarten, dass ein scharfsichtiger, widersprüchlicher Komponist durch die Brille der Widersprüche seiner Zeit und der Jetztzeit angeschaut wird. Immerhin: Solche Platten wie diese mit Ernst Busch, auf CD gebracht, werden wieder vertrieben und - aufgelegt.
Besprochen von Stefan Amzoll
Albrecht Dümling (Hg.): Hanns Eisler
Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M. 2010
322 Seiten, 48 Euro