Ekel-Kochvideos auf Social Media

Die Faszination der Klo-Bowle

08:21 Minuten
Ein Hosenbein mit Socke schubst schwungvoll ein Brathähnchen in einen Backofen.
Locker mit Socke das Hähnchen in den Backofen befördern: Diese Szene (ein Symbolbild) könnte glatt aus einem der beliebten Ekel-Kochvideos stammen. © imago / blickwinkel / McPhoto / A. Sauhuber
Berit Glanz im Gespräch mit Gesa Ufer |
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In den sozialen Medien verbreiten sich eklige Kochvideos: Darin wird Hackfleisch mit Cola gemischt oder in der Kloschüssel eine Bowle angerührt. Warum werden diese Clips so oft geteilt? Die Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz hat eine Theorie.
Dieses Rezept ist nichts für empfindsame Gemüter: Knallbunte Eiscreme wird mit Brausepulver und Gummibärchen in eine verstopfte Kloschüssel gegeben, der Spülkasten mit Limonade gefüllt, einmal wird gespült – und fertig ist die Toiletten-Bowle.
Auf Twitter wurde das Video von der Zubereitung dieser Bowle in den vergangenen Wochen von mehreren Millionen Menschen angeschaut. Und es ist kein Einzelfall: Immer absurdere Kochvideos verbreiten sich rasant in den sozialen Medien.

Je ekliger, desto viraler

Videos mit merkwürdigen Gerichten seien nichts Neues in den sozialen Medien, sagt die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Berit Glanz von der Universität Greifswald. Momentan würden diese Videos aber deutlich ekliger und deutlich absurder.
Das Video der Klo-Bowle bilde nun einen "Zenit des Ekels": Es sei die logische Folge anderer viraler Videos, in denen Hackfleisch mit Cola vermischt wurde oder jemand mit seinen nackten Armen Knoblauchpulver in Toastbrote hineingerieben hat.
"Je ekliger es ist, desto mehr wird es geklickt und desto mehr wird es geteilt. Und dann gehen diese Videos viral."
Es gehe bei diesen Ekel-Clips um Clickbait, erklärt Berit Glanz: "Die Aufmerksamkeit, die sie generieren, ist Geld wert." Unter beispielsweise einem Tweet mit einem solchen Video erschienen binnen kürzester Zeit Werbeanzeigen.

Ekel stiftet Identität

Doch warum werden ausgerechnet diese Videos so oft geteilt? Miteinander geteilter Ekel habe eine massive identitätsstiftende Funktion, sagt die Literaturwissenschaftlerin:
"Sich gemeinsam zu ekeln definiert dann: Wer sind wir als Gruppe? Was sind unsere Werte? Wo sind die Grenzen? Was ist gut, was ist schlecht?"
Indem man ein solches Video teile, zeige man also seine Gruppenzugehörigkeit.

Erfolgsgeheimnis Irritation

Viele dieser Ekel-Kochvideos irritieren auch deshalb, weil unklar bleibt, ob die Protagonisten das alles eigentlich ernst meinen. Glanz sieht in genau dieser Unsicherheit einen wichtigen Grund für den Erfolg der Clips.
Wenn Influencer-Videos das soziale Medium verlassen, für die sie erstellt wurden, und auf anderen Plattformen verbreitet werden, gebe es diesen Effekt oft.
Das sehe man beispielsweise an den TikTok-Videos der Influencerin Yvonne di Lauro, die sich auf Twitter verbreitet haben: Di Lauro stellt darin in hoher Geschwindigkeit und voller Enthusiasmus verschiedene Produkte vor, aus denen sie Mahlzeiten für ihren Partner zubereitet. Viele Twitter-Nutzer waren von ihren Clips irritiert.
"Ich bin mir selber manchmal nicht ganz sicher, ob es nicht auf vielen Meta-Layern eine ganz extreme Satire ist, der man da aufsitzt", sagt Berit Glanz. Aber die Ekel-Kochvideos seien eigentlich die perfekte Parodie der Kochvideos von Yvonne di Lauro, da sie genauso funktionierten: Genauso enthusiastisch, wie die Influencerin beim Kochen ihr Product Placement betreibe, würde in den Ekel-Clips zum Beispiel Brausepulver in die Toilette gekippt.
(jfr)
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