Song von Eko Fresh und Raul Krauthausen

Intoleranz nicht mehr tolerieren

07:38 Minuten
Eko Fresh und Sarah Bora stehen rechts und links neben Raul Krauthausen, der im Rollstuhl sitzt.
Eko Fresh, Raul Krauthausen und Sarah Bora haben zusammen den Song "Tolerance Avengers" aufgenommen. "Intoleranz wird nicht mehr toleriert!", heißt es im Refrain. © Brainpool TV GmbH / Stephan Schiffers
Von Amy Zayed · 12.01.2022
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Deutschrapper Eko Fresh, Sängerin Sarah Bora und Inklusionsaktivist Raul Krauthausen haben zusammen einen Song aufgenommen. Dass Behinderungen sichtbar auch im Musikbusiness sind, sollte ganz normal sein, findet Eko Fresh.
Pop ist die Kultur für alle. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass Pop auch inklusiv ist. Als vor Kurzem der Inklusionsaktivist Raul Krauthausen einen Song mit dem Rapper Eko Fresh veröffentlicht hat, war das etwas Besonderes. Krauthausen, der im Rollstuhl sitzt, erklärt, wie es zu der Zusammenarbeit kam: 
"Das war eine Produktion für einen Fernsehsender, für ein Comedy-Format, was so ähnlich ist wie die 'Heute Show'. Die wollten einen Beitrag machen zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, und die hatten eben die Idee, einen Hip-Hop-Song zu machen, der anders ist als dass, was man sonst so zu dem Thema oder von den Künstler*innen kennt. Und die hatten mich dann angefragt. Wir haben dann hin und her gebrainstormt, welche Rapper*innen infrage kommen, und Eko Fresh war dann einer derjenigen auf unserer Liste, der Zeit hatte, und so ist es dann dazu gekommen."

Behinderung und Rap "müsste normal sein"

Rapper Eko Fresh fand die Idee großartig: "Es ist ja eigentlich nicht üblich, dass einer wie der Raul jetzt den harten Rap vom Stapel lässt. Man denkt erst mal 'Häh? Wo kommt das denn jetzt her?' Aber damit nimmt man dem Ganzen auch die Kraft und geht sofort in diese Offensivhaltung rein, und nutzt dann so ein kleines Schockelement, um zu sagen: 'Häh? Das müsste eigentlich ganz normal sein!'"

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Pop und Behinderung – das Beispiel Krauthausen und Eko Fresh zeigt, dass es hier noch viel zu tun gibt. Für mehr Selbstverständlichkeit hat zuletzt Billie Eilish gesorgt, als sie über ihr Tourettesyndrom gesprochen hat. Was ihr im Gegensatz zu vielen anderen Menschen mit Behinderung gelungen ist: Sie wird nicht in der Öffentlichkeit darauf reduziert. Vielleicht, weil sie nicht gleich zu Anfang ihrer Karriere darüber gesprochen hat, vielleicht, weil man ihr ihre Behinderung nicht ansieht.
Inklusionsaktivist Krauthausen sieht noch einen anderen Grund. Der hat mit unserer Zeit zu tun:
"Also weil Billie Eilish ja das komplette Gegenteil von heiler Welt ist. In ihren Songs thematisiert sie ja sehr depressive und melancholische und traurige Themen. Sodass ich glaube, dass es auch eine Frage von Zeitgeist ist. Britney Spears, die verkörperte vielleicht lange Zeit dieses Image der heilen Welt oder die Back Street Boys. Ich glaube, da ist was in der Veränderung."

Die "Generation of Angst"

Und damit könnte Raul Krauthausen recht haben. Immer mehr junge Künstler und Künstlerinnen trauen sich heute, über Themen wie Depressionen und psychische Beeinträchtigungen zu sprechen. Dinge, die nichts mit dem Glamour des Pop zu tun haben. Die britische Mercury-Prize Gewinnerin Arlo Parks, 21 Jahre alt, bezeichnet ihre Altersgruppe als „Generation of Angst“.
Parks singt über Tabletten und Depressionen. Dinge, die die Popwelt lange lieber versteckt oder – genauso schlimm – romantisiert hat. Vielleicht führt die neue Offenheit auch dazu, auch über körperliche Behinderungen zu sprechen?
Doch Menschen mit Behinderungen gelten in der Gesellschaft leider oft immer noch als nicht vorzeigbar, und wenn, dann doch eher nur, um über ihre Behinderung zu sprechen. Die Individualität verschwindet hinter der körperlichen Beeinträchtigung. Ein Grund, der dafür oft genannt wird, ist, dass alles andere nicht behinderte Menschen überfordern könnte.

Sichtbar machen, ohne zu überspitzen

Ein voreiliger Schluss und eine Art Bevormundung, die auch unter denjenigen herrsche, deren Aufgabe es ist, eine Öffentlichkeit herzustellen: Journalisten und Journalistinnen. Daher sieht Krauthausen diese Berufsgruppe in der Pflicht, dieses Bild zu entzerren:
"Das ist, glaube ich, ein Grundproblem, den wir im Journalismus haben. Dass wir uns als Journalist*innen über unser Publikum oder unsere Interviewpartner*innen stellen, indem wir glauben zu wissen, was er oder sie erträgt oder ihm zuzumuten ist. Und ich glaube, dass sowohl Popkünstler*innen als auch Hörer*innen wesentlich gelassener mit dem Thema Behinderung umgehen als Redaktionen."
„Intoleranz wird nicht mehr toleriert!“, heißt es im Refrain von „Tolerance Avengers“, dem Song von Eko Fresh, Raul Krauthausen und Sarah Bora. Nicht nur mangelnde Inklusion ist das Thema, sondern auch Sexismus und Rassismus. Sichtbar machen, ohne zu überspitzen. Und vor allem: Ohne eine Behinderung als Marketing-Tool zu benutzen. Das ist der Weg, den die drei gewählt haben. Und es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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