Nach der Flut ist vor der Flut
Die Felder der Bauern waren überflutet, das Wasser stand in Wohnhäusern und Fabrikgebäuden. Während des Elbe-Hochwassers vor einem Jahr war die Unterstützung groß, zwölf Monate später kämpfen die Betroffenen noch immer um finanzielle Hilfen.
Sachsen, Nadine Lindner
Ist das ein Storch dort in der Wiese? Ja. Tatsächlich! Jedem, der von der Landstraße zwischen Bad Düben und Eilenburg im Norden Sachsens abbiegt und die zwei Kilometer ins Dorf zurücklegt, fallen sofort die vielen Vögel auf. Sie nisten in den Wiesen rund um den Fluss Mulde, der sich direkt um das Dorf Gruna herumwindet, man könnte fast sagen umschlingt. Und manchmal verschlingt die Mulde das Dorf auch. Wie letztes Jahr im Juni. Da stand das Wasser hier über einen Meter hoch.
So wie bei Frank Schröder. Schon 2002 war er bei der Flut im 200 Einwohnerdorf Gruna. Damals noch als Bundeswehr-Soldat. Aus Karlsruhe ist er zum Helfen gekommen, traf damals seine Frau. Er mochte den Ort, die Natur, Schröder blieb. Bis zu den dramatischen Stunden im Juni 2013.
"Das war ein Sonntagabend, so gegen 18.00 Uhr. Da kam die Feuerwehr, dass wir evakuieren müssen. Dann habe ich die zwei Kinder weggeschafft, damit die das nicht sehen. Dann habe ich persönliche Sachen gepackt. Innerhalb von einer Stunde musste man raus sein."
Die Schäden hat er nur notdürftig beseitigt. Dort, wo einmal seine Wohnküche war, sind heute nur noch nackte Wände. Alles ist weg. Davon geschwemmt von der Mulde.
"Wir schlafen mit den Kindern im Kinderzimmer. Wir haben ein kleines Wohnzimmer, eine kleine Küche. Notdürftig. Wir haben einen Holzofen, den benutzen wir zum Warmwassermachen. Primitiv wie 1850."
Seit über einem Jahr lebt er in diesem Provisorium. Im Erdgeschoss hat er kurzerhand ein paar Schreibtische aufgebaut und ein Büro eingerichtet. Er ist selbstständig, hat ein kleines Fuhrunternehmen, die Firma muss weiterlaufen.
Er will sich gut überlegen, wie er den Wiederaufbau organisiert. Er träumt von einem Haus auf Stelzen: Im Erdgeschoss sollen nur Garagen sein. Schröder könnte sich auch vorstellen, fortzuziehen, doch seine Frau ist hier geboren, will auf jeden Fall bleiben. Jetzt müssen schmerzhafte Kompromisse geschlossen werden.
"Man sollte an die Zukunft denken. Und habe jetzt die Entscheidung getroffen, ich mache das Elternhaus von ihr weg unter Tränen und versuche, etwas Gescheites zu machen."
Streit im Dorf
Im vergangenen Juni, als nicht nur in Sachsen die Flüsse über die Deiche traten, war Gruna schon einmal in den Medien. Die Dorfgemeinschaft hatte sich zerstritten. Anlass war eine Unterschriftensammlung, die einige Grunaer initiiert hatten. Sie wollten eine gemeinschaftliche Umsiedlung, das ganze Dorf sollte an anderer Stelle wiederaufgebaut werden. Eine revolutionäre Idee, die viel Widerspruch auslöste. Gehen oder Bleiben, diese Frage entzweite die Grunaer. Andreas Linke gehörte damals zu den Initiatoren:
"Der neue Weg wäre gewesen. Dass man das gesamte Dorf, dort wo man runter fährt dort oben neu aufbaut. Neu-Gruna. Das gesamte Dorf raus und rauf auf die Höhe. Raus aus dem Flutgebiet, aber trotzdem noch in der Natur. Das wäre ja alles nicht weit gewesen."
Doch es kam anders: Etwas zähneknirschend ist er ein paar Monate nach der Flut wieder nach Gruna gezogen. Ein neues Haus an anderer Stelle hätte er sich nicht leisten können. So wie eigentlich alle ihre Häuser wieder aufgebaut haben. Nur drei oder vier Leute sind weggezogen. Trotz der Furcht:
"Wie soll ich das jetzt formulieren. Angst und Unsicherheit. Weil die Natur können wir nicht beherrschen. Es könnte ja morgen ein neues Hochwasser kommen. Diese Angst ist schon da."
Linke findet: spätestens seit dem Streit über die Umsiedlung hat sich etwas verändert im Dorf. Das Zusammenleben im Dorf hat einen Knacks bekommen. Einige seiner Nachbarn grüßten ihn seit der Unterschriftensammlung nicht mehr. Die Dorffeste meidet Linke, er will unschönen Diskussionen aus dem Weg gehen, nicht provozieren. Bei der Frage, ob die Grunaer damals Angst hatten, dass Linke ihnen ihre Heimat wegnehmen will, muss er lange nachdenken:
"Sicherlich, das kann schon sein. Aber wenn alle paar Jahre ein Tsunami kommt, ist es dann noch die Heimat? Kann sie noch Heimat sein? Sollte man dann nicht nach einer Lösung suchen?"
Charlotte Welzel ist eine der prägenden Personen in der Dorfgemeinschaft von Gruna. Sie ist Ansprechpartnerin für den Förderverein Gruna, der das Dorfleben organisiert: das Maifest veranstaltet, Bastelnachmittag für die Kinder. Sie lobt den Zusammenhalt im Dorf. Nach dem Hochwasser seien die anderen noch näher zusammengerückt. Ob sie Linke die Unterschriftensammlung übel genommen hat?
"Am Anfang ja. Weil durch die Medienpräsenz viel Schaden angerichtet worden ist. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden. Die beiden haben keinen Kontakt mehr. Von dem, was ich weiß."
Wer kauft ein Haus im Hochwassergebiet?
Doch egal ob Gegner oder Befürworter: Alle Grunaer eint das Schicksal, dass ihre Häuser eigentlich unverkäuflich sind. Wer ist so verrückt und kauft ein Haus, in dem zweimal das Hochwasser gestanden hat, ist die gängige Frage. Und auch Neubauten wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben, Erdgeschosswohnungen dauerhaft zu vermieten, ebenfalls kaum denkbar. Also einfach wegzuziehen, neu anzufangen, ist für viele auch finanziell nicht möglich. Hinzu kommt, dass es nach dem zweiten Hochwasser fast unmöglich geworden ist, eine Elementarschadenversicherung zu bekommen.
Mit dem Wasser sind also nicht nur Möbel, sondern auch Sicherheiten davongeschwommen.
Der Bürgermeister der 4.000 Einwohner-Gemeinde Laussig, Thomas Schneider, versucht, seine Bürger zusammenzuhalten. Er hat schon das Hochwasser 2002 erlebt und weiß, welchem Stress die Flutopfer ausgesetzt sind.
"Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser. Das ist der kluge Spruch. Wir beschäftigen uns mit der Beseitigung, aber auch mit präventiven Maßnahmen. Wir hatten nach zehn Jahren wieder ein neues Hochwasser in Gruna. Jetzt ist die Sichtweise eine andere."
Das Wasser kommt wieder, da ist sich auch Bürgermeister Schneider sicher. Deswegen wird jetzt zum Beispiel die Stromversorgung, das Trafohäuschen gleich flutsicher gebaut. Der Bürgermeister hofft jetzt wie alle Grunaer darauf, dass möglichst schnell der Ringdeich errichtet wird. Er soll das kleine Dorf komplett umschließen und endlich vor Hochwasser schützen. In fast allen Gesprächen beginnt irgendwann mal ein Satz, wenn der Ringdeich erst mal steht, dann…. Ja, erst dann werden sich die Grunaer wieder sicher fühlen in ihren Häusern. Doch wie lange es noch dauern wird, zwei Jahre, drei oder vier, kann derzeit noch niemand sagen. Das kleine Örtchen Gruna ist ein Idyll, aber eines, das unter Spannung steht.
Sachsen Anhalt, Christoph Richter
Auf den ersten Blick scheint an den Ufern der Elbe in der Altmark im Norden Sachsen-Anhalts alles wieder normal zu sein. Denn das Wasser steht nicht mehr auf den Feldern, nur noch wenige Häuser sind wegen des Hochwassers verwaist, die Frühjahrsbestellung konnte einigermaßen glatt über die Bühne gehen. Doch wer mit den Menschen ins Gespräch kommt, merkt schnell, dass das alles nur ein Trugschluss ist.
"Ich sag immer, eigentlich geht’s mir Scheiße. Ich fühle mich nicht wohl in der Haut."
Klare Worte. In das fahle Gesicht des eigentlich robusten Fischbecker Landwirts Dieter Northe haben sich tiefe Sorgenfalten eingegraben.
"Im Grunde genommen muss man sagen, ein Großteil der Leute ist nach wie vor noch nicht in der Phase, dass sie wieder leben, sondern sie funktionieren."
Northes Hof, sein Haus, einfach alles wurde im vergangenen Juni beim spektakulären Elb-Deichbruch im Norden Sachsen-Anhalts weggespült. Ein Teil des Gehöftes wurde gar so geschädigt, dass er überlegt, es abzureißen. Hilfen hat er bis jetzt kaum erhalten. Stand heute sind es neben einer Spende der Schorlemer Stiftung des Deutschen Bauernverbandes lediglich die Soforthilfe von 5.000 Euro. Aus dem Fluthilfe-Programm des Bundes hat er - elf Monate nach dem Deichbruch – noch keinen einzigen Cent gesehen, erzählt er.
"Wir sind momentan mit 270.000 Euro in Vorleistung gegangen. Das ist ein ganz schöner Happen."
Nach Angaben des sachsen-anhaltischen Landwirtschaftsministeriums haben durch die Flut 700 Landwirtschaftsbetriebe einen wirtschaftlichen Schaden von etwa 137 Millionen Euro erlitten. Ausgezahlt wurden bisher rund 40 Millionen, weniger als ein Drittel der Schadenssumme. Fakten die Dieter Northe wütend machen. Er runzelt die Stirn, die blauen Augen blitzen. Und dann macht er eine Gegenrechnung auf:
"Ich habe gut 270.000 Euro brutto eingebracht. Und gehen wir mal von einer rund 20prozentigen Versteuerung desjenigen aus, der den Auftrag angenommen hat, damit ist von meinem Geld schon wieder ganz schön viel zurückgeflossen, ohne dass ich was bekommen habe."
Die größte Unsicherheit sei, dass man überhaupt nicht einschätzen könne, wie viel Geld er überhaupt bekomme. Für Landwirt Northe völlig unverständlich.
"Man hat auch in der Landespolitik die Betroffenheit der Region nicht vernünftig analysiert."
Hilfsgelder sind immer noch nicht verteilt
Während Northe ums Überleben seines Betriebes kämpft, liegen auf den Spendenkonten der Hilfsorganisationen Millionen Hilfsgelder, die noch immer nicht verteilt sind. Allein beim Bündnis Aktion Deutschland Hilft gingen im Sommer 39 Millionen Euro ein. Das sei das zweithöchste Spendenaufkommen nach der Tsunamikatastrophe 2004, teilen die Organisatoren mit. Geld, das darauf wartet, verteilt zu werden.
Dieter Northes einziger Lichtblick ist die Ankunft der Störche auf dem eigenen Schornstein und das fröhliche Vogelgezwitscher auf dem rotgeklinkerten Vierseit-Hof im idyllischen Fischbeck. Bismarck-Land, da im Nachbarort der frühere Reichskanzler geboren wurde.
Kopfzerbrechen bereiten Northe auch die seiner Meinung nach zu niedrig angesetzten Ausgleichszahlungen für die verloren gegangenen Ernte. Versprochen wurde eine 80-prozentige Entschädigung, eine Quote die viele Landwirte allerdings nie erreichen werden, klagt Dieter Northe. Und verweist auf Länder wie Sachsen oder Thüringen, die die Landwirte - mit Beträgen zwischen 750 und 1.000 Euro pro Hektar - entschädigen würden. Im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt, dass den Bauern für den Ernteausfall durchschnittlich 683 Euro pro Hektar zahlt.
Was ihn aber besonders ärgert – dass man in seinem Fall bis heute - von lapidaren Hochwasserschäden spreche, obwohl es faktisch gar keine seien. Denn in seinem Fall habe man es mit einem Deichbruch, einer unvorhersehbaren Katastrophe zu tun.
"Ein Hochwasser kündigt sich ja an. Man kann Pegelstände gucken, man weiß wie viel Wasser kommt, wann läuft es über; dass sind alles Dinge, wo man auch eine gewisse Vorlaufzeit hat. Beim Deichbruch war eben keine Vorlaufzeit. Und wir sehen es ja auch hier, dass die Ortschaften, die innerhalb von 24 Stunden überflutet waren, dass da die Leute am unzufriedensten sind, dass da die Schäden auch am Größten sind."
Durch die extremen Wasserstände, die lange auf die Flächen gedrückt haben, sind die Böden bis heute extrem verdichtet. Mit der Folge, dass die Fruchtbarkeit zum Teil um ein Viertel geringer ist, als vor dem Deichbruch. Andere Flächen sind überhaupt nicht nutzbar, das sie durch das Hochwasser versandet sind. Das heißt, die Umsätze werden auf Jahre niedriger ausfallen, unterstreicht Dieter Northe. Und fordert daher:
"Dass wir schadensmäßig anders beurteilt werden, als diejenigen die normales Hochwasser erlebt haben. Wer hier sein Garten oder Vermögen verloren hat, weil Unterhaltungsschäden am Deich waren, der hat generell Anspruch auf 100 Prozent Entschädigung, nicht auf 80 Prozent…"
…wie es das Land vorsieht.
Traumatische Erlebnisse
Nicht dienlich sei beispielsweiseauch der kaltherzige Umgangston der Gutachter der Investitionsbank, die über die Auszahlung der Hilfsgelder befinden, so Dieter Northe weiter. Problematisch sei es auch, dass man seine Situation immer wieder aufs Neue, haarklein schildern müsse. Mit dem Ergebnis, dass die traumatischen Erlebnisse - als man von einem Moment auf den anderen alles verloren hatte – immer wieder aufbrechen. Gründe, warum sich bei Landwirt Northe seit Wochen Anzeichen von Resignation und Erschöpfung breit machen. Nichts ist mehr wie vorher, auch ein knappes Jahr nach der Flut, sagt er noch.
"Man steht morgen auf und fragt sich eigentlich, wozu das eigentlich."
Wer sich bei einem der 320 Psychotherapeuten in Sachsen-Anhalt Hilfe holen will, muss allerdings lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Sechs bis acht Monate sind da keine Seltenheit, erzählt die in Weißenfels, im südlichen Sachsen-Anhalt praktizierende Psychotherapeutin Beate Caspar.
"Die Forderung an die Politik wäre, dass man das Versprechen die Dinge schnell und unbürokratisch zu bearbeiten, in die Realität umsetzt. Ich denke, davon ist jede Stelle weit entfernt. Und da würde ich mir wünschen, dass der Aufbaustab Hochwasser, dass die da genauer hingucken, was mit den Menschen passiert und nicht nur mit den Anträgen."
Anfang der 1990er-Jahre ist Dieter Northe aus Niedersachsen nach Fischbeck gekommen und hat den von der DDR enteigneten elterlichen Landwirtschaftsbetrieb wieder auf Vordermann gebracht. Und Hunderttausende Euro reingepumpt. Mit Elan hat er auch nach der Flut die Schäden angepackt, doch die Kraftreserven sind nun aufgebraucht, sagt er noch. Und überlegt die Heimat zu verlassen.
"Also ich habe eigentlich gesagt, wenn ich nicht die maximale Sicherheit habe, dann werde ich mein Rentnerdasein hier nicht verbringen. Weil ich eben auch sehe, dass die Älteren noch mehr Probleme haben als die Jüngeren. Ich will das als älterer Mensch nicht erleben. Das mache ich nicht."
Brandenburg, Axel Flemming
"Ja, hier die ganze Seite war abgesoffen. Der Deich war hier auf der Straße…“
Werner Neumann steht mit dem Fahrrad vor seinem Grundstück im Örtchen Breese bei Wittenberge und erinnert sich an das letzte Jahr: der Garten stand unter Wasser, die Goldfische im Teich waren davon geschwommen, im Haus musste er Gummistiefel tragen.
"Hier, so hoch war das. Hier so ungefähr noch 40 Zentimeter über der Straße."
Neumann versuchte noch, den Garten mit Sandsäcken zu schützen und das Wasser aus dem Haus zu pumpen - vergeblich. Er lebt seit fast 56 Jahren hier, das Haus soll über 250 Jahre alt sein.
"Hat alles die Versicherung bezahlt: Fußboden neu, Türen neu, alles neu. Alle Türen, ist alles gequollen gewesen. Alles kaputt gefault."
Jetzt muss er weg, sagt er, schwingt sich auf sein Fahrrad, zu den Einzelheiten verweist er an seine Frau Bärbel.
"Der hat sich verdünnisiert, ja."
Sie sagt: im Prinzip und doppelten Sinn ist alles gut abgelaufen.
"Wir brauchten das Land nicht in Anspruch zu nehmen, weil die Versicherung erst bezahlen muss. Was sie dann nicht bezahlen, können sie denn nachreichen beim Land."
Noch sind die Abschlussbescheide nicht da, aber die Versicherung hat schon gezahlt. Die Lehmwände waren angegriffen, der Putz platzte ab, das Laminat auf dem Boden der Küche und das Furnier der Küchenmöbel löste sich. Ein Schaden so um die 75.000 Euro, schätzt Bärbel Neumann. 2002 kam das Wasser dem Haus schon nahe, verschonte es aber.
"Das allererste Mal, das wir abgesoffen sind. Hier jedenfalls. Wir hatten schon Wasser, aber im Garten. Aber war noch nie hier in der Wohnung. Im Keller ja; Grundwasser."
Ein provisorischer Damm
Das Pech der Neumanns: die kleine Gemeinde Breese im Nordwesten Brandenburgs mit 1500 Einwohnern hat keinen regulären Deich. Als das Wasser kam, wurde ein vier Kilometer langer Notdamm mitten durch das Dorf gezogen. Für einen provisorischen Damm um den gesamten Ort herum hätten Zeit und Geld nicht gereicht. 13 Häuser auf der anderen Seite blieben damit dem Wasser überlassen. Ihr Teil der Ortschaft verwandelte sich in einen riesigen 600 Hektar großen See, aus dem nur noch vereinzelt alte Bäume herausragten.
Zwei Jungs spielen Fußball auf dem Sportplatz von Breese, das wäre hier im letzten Jahr nicht möglich gewesen:
"Der ganze Platz war überschwemmt. Knapp ein halber Meter über der Böschung – noch höher. Meinem Vater gehört ja die Eisdiele. Von hier so bis da rüber haben sie knapp 1,80 Meter Sandsäcke aufgestapelt."
Die Eisdiele konnte vor dem Wasser geschützt werden, die Sandsäcke hielten stand. Einen Umsatzverlust gab es trotzdem, an einen regulären Betrieb war erst nicht zu denken und danach dauerte es, bis die Touristen wieder kamen:
"Da vorne stand alles unter Wasser, ganz viele Sandsäcke. Feuerwehr war durchgängig hier, weil da vorne sind die Sandsäcke teilweise zusammengebrochen, und damit die Eisdiele nicht komplett unter Wasser steht, naja war halt nicht so gut, weil ab da vorn war alles gesperrt, von daher sind auch hier nicht wirklich Leute hergekommen. Die Eisdiele hatte fast den halben Sommer zu."
Breese lag zwar letztes Jahr in der Elbe, normalerweise aber liegt der Ort nicht einmal an der Elbe, sondern an der Stepenitz, einem eigentlich kleinen Fluss, der allerdings 2013 von den Fluten der Elbe gespeist wurde.
"Das war hier alles unter Wasser. Hier, wo wir jetzt stehen, wo so’n kleiner Radweg ist, da waren ein bis anderthalb Meter hoch die Sandsäcke gestapelt, und dazu musste dann der Platz einfach geopfert werden."
Werner Steiner, der ehrenamtliche Bürgermeister von Breese. Er deutet auf eine idyllische Wildwiese, auf der Schafgarbe, Löwenzahn und andere Kräuter wachsen; eigentlich der zweite Fußballplatz:
"Das sind Schäden, die wir beim Hochwasserschutz gehabt haben: es sind Fahrzeuge drauf gewesen. Und es ist komplett umgepflügt durch die Räder, durch die Fahrzeuge. Und insofern war das hier für uns nicht mehr nutzungsfähig. Und ich hab auch keinen Sinn darin gesehen, jetzt mal oberflächlich so zu mähen, zumal ja immer schon versprochen wurde, das relativ schnell wir hier Hilfe kriegen sollen…"
…auf den Förderbescheid wartet er aber noch – genau wie auf den Deich.
Erhöhte Schadstoffe und Dreck
Er sagt dazu, was er auch schon letztes Jahr sagen konnte: "Es gibt Planungen", die kämen aber nicht recht voran. Genau wie die Wiederherstellung der abgesoffenen Flächen. Und auch der kleine Badesee um die Ecke ist noch gesperrt. In ihn ergoss sich der Dreck, den das Wasser der Elbe mitführte, Folge: das Schilf ging ein, erhöhte Schadstoffe – so erhöht, dass er für Freizeitvergnügen noch nicht freigegeben werden konnte, ein Zaun verhindert den Zutritt.
"Man sieht noch so ein bisschen, dass der Schilfgürtel doch in Mitleidenschaft gezogen wurde, es ist viel braun dort, sonst war das alles rundherum alles grün."
Deichbau ist eine Generationen-Aufgabe, sagen die Politiker.
Breese hat allerdings nach der Jahrhundert-Flut von 2002 schon die erste Jahrtausendflut hinter sich und noch immer keinen Deich.
"In dem vorherigen Jahrhundert haben wir eine derartige Situation nicht ein einziges Mal gehabt, jetzt mittlerweile fünf Mal über die Höhe von sieben Meter. Und insofern war spätestens 2002, aber dann noch mal deutlicher 2005/2006 klar, dass hier ein Deich her muss. Wir haben Unterlagen erstellt, aber das ganze Verfahren dauert einfach zu lange. Jetzt erst wieder ist man wieder dabei die Unterlagen fertig zu stellen, damit wir hier auch Baumaßnahmen wie Deichschutz durchführen können."
Nach der Flut ist vor der Flut – und so wartet man in Breese, wer schneller ist: ein neues Hochwasser oder die Behörden und Deichbauer. Bärbel Neumann, deren Haus 2013 unter Wasser stand, sagt:
"Ja, wir hoffen, dass dann der Deich fertig ist. 17 soll er fertig sein, angefangen ist er aber noch nicht."
Die Mittel der Hochwasserhilfe für die Betroffenen in Breese sind im Wesentlichen ausgezahlt worden; die Neumanns mussten sie nicht in Anspruch nehmen, sie waren ja versichert. Aber sie fürchten nun, dass die Versicherung den Beitrag erhöht, einen Bescheid darüber haben sie aber noch nicht bekommen:
"Kommt vielleicht noch. Andere sollen schon Bescheid bekommen haben, dass es erhöht wird. Und wenn hier abgeschlossen ist, das Buch zu ist, nehme ich auch an, dass die Versicherung vor die Tür steht. Wir wissen nicht, aber glauben…"