Das Elefanten-Ethogramm

Wie Elefanten miteinander kommunizieren

08:38 Minuten
Drei afrikanische Elefanten im Serengeti-Nationalpark heben die Rüssel.
Das Verhalten der Elefanten verstehen - dabei hilft das Elefanten-Ethogramm im Internet, das die Elefantenforscherin Joyce Poole angelegt hat. © picture alliance / imagebroker / DUNS
Von Volkart Wildermuth |
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Elefanten können lieben, mitfühlen und trauern. Sie sind kreativ und sie kommunizieren. Ihre Sprache und ihre Verhaltensweisen sind gesammelt im Elefanten-Ethogramm, einer Art Wörterbuch des Elefantischen.
"Als ich als junge Frau das erste Mal eine Elefantenbegrüßung gesehen habe, dachte ich, sie stünden kurz davor, mich anzugreifen. Die Rufe waren so gewaltig, sie waren so lebhaft", sagt die Elefantenforscherin Joyce Poole. "Ich dachte, sie würden kommen und mich holen. Dabei waren sie nur aufgeregt und froh, zusammen zu sein."
45 Jahre ist das her. Seitdem beobachtete Joyce Poole zusammen mit ihrem Mann Petter Granli Elefanten in Afrika. Ihr Wissen teilen die beiden Biologen mit anderen Forschern und interessierten Laien im Elefanten-Ethogramm: "Das ist eine Art Wörterbuch für das Verhalten afrikanischer Elefanten", erklärt Poole. "Wir wollten wirklich alles dokumentieren, was sie tun."

Mit dem Schwanz schlagen hat viele Bedeutungen

Das Elefanten-Ethogramm kann man im Internet einsehen und es enthält über 400 Einträge, die mit mehr als 2000 Videos illustriert sind. Denn Elefanten setzen ein und dasselbe Verhalten  ganz unterschiedlich ein. Etwa das mit dem Schwanz schlagen:
Wenn ein Elefant etwa mit dem Schwanz schlägt, fühlt er vielleicht nach hinten, ob ein Jungtier auf der Wanderung noch dicht auf folgt. Oder der Elefant  signalisiert so: Ich will meine Ruhe. Oder das Gegenteil. 

"Es gibt ein wunderbares Video, wo ein junges Weibchen zum Neugeborenen der Leitkuh der Herde will", sagt Joyce Poole. "Aber die Matriarchin hält nichts davon. Und die junge Elefantin beginnt mit dem Schwanz zu schlagen und sagt so: Bitte, bitte, beachte mich, ich will babysitten."
Der Kontext ist also entscheidend bei der Interpretation des Verhaltens. Und manchmal soll ein Schwanzschlagen auch einfach nur Fliegen vertreiben. Elefanten kommunizieren nicht nur mit Gesten, dem Ohrenaufstellen oder Rüsselgrüßen, sie nutzen auch vielfältige Geräusche. Da ist natürlich das Trompeten, zum Beispiel nach einer Geburt.

Es gibt 30 verschiedene Groll-Laute

Viel wichtiger sind aber die Rumbles, ein tieffrequentes Grollen, das für menschliche Ohren kaum zu hören ist, in der Savanne aber weithin trägt. Das Elefanten-Ethogramm verzeichnet rund 30 verschiedene Rumbles. Darunter den "Los geht's"-Ruf:
"Nach einem Los-geht’s-Ruf dreht sich oft ein zweiter Elefant in eine andere Richtung und sagt, lass uns hier lang gehen. Es gibt also Uneinigkeit in der Familie, und dann  geht gibt es ein Hin und Her darüber, in welche Richtung sie nun gehen sollen. Sie scheinen zu verhandeln."
Elefanten stehen in einem Nationalpark an einem Weg.
Hier entlang! - Nein, hier! - Elefanten kommunizieren miteinander, etwa über den richtigen Weg.© imago images / Nature Picture Library / Yashpal Rathore
Ein anderer Groll-Laut dient einfach der Begrüßung. Oder ein Jungtier bettelt um Muttermilch. Daneben gibt es auch Rufkombinationen:  
"Einer meiner Lieblingsrufe ist das Grollen der männlichen Elefanten während  der Brunst, wenn sie aggressiv und sexuell erregt sind. Da geht es darum zu sagen, ich bin bereit zur Paarung, und gleichzeitig den anderen Bullen zu signalisieren, legt euch ja nicht mit mir an", so Joyce Poole. 

Elefanten lieben und zeigen Mitleid und Trauer

Eine sehr menschliche Beschreibung, aber die hält sie für treffend. Schließlich teilen Menschen und Elefanten als langlebige Säugetiere mit komplexem Sozialleben viele wichtige Emotionen:
"Ihr Verhalten zeigt uns, Elefanten  empfinden Freude, sie lieben einander, zeigen Mitleid. Sie haben ein Verständnis für Zeit, für die Vergangenheit und wohl auch für die  Zukunft. Sie verstehen, wenn ein Familienmitglied gestorben ist, und sie trauern."
Aus der Luft kann man in der Savanne Trampelpfade sehen, die Elefanten bei Besuchen an den Überesten verstorbener Gruppenmitglieder hinterlassen haben.

Eine Wort-zu-Wort-Übersetzung wird es nicht geben

Trotz aller Ähnlichkeiten bleibt ein Graben zwischen Mensch und Elefant, der einfache Übersetzungen von Elefantensignalen unmöglich macht.   

"Ich denke nicht, dass in der Verhaltensbiologie wirklich versucht wird, wie Dr. Doolittle zu sein, weil uns natürlich sehr bewusst ist, dass der Elefant die Welt ganz anders wahrnimmt als wir, einfach weil er ganz andere Sinne hat", sagt die Verhaltensbiologin Angela Stoeger.
"Und uns ist durchaus bewusst, dass wir keine Wort-zu-Wort-Übersetzung zustande bringen werden, weil einfach Menschensprache und Tiersprache doch anders funktionieren. Aber nichtsdestotrotz ist es möglich, Tiere zu lesen, zu interpretieren und doch als Ganzes das Verhalten zu verstehen."

Elefanten sind kreativ und probieren gern aus

Die Wiener Elefantenforscherin nutzt das Elefanten-Ethogramm vor allem, um ihre Studierenden auf die ersten Begegnungen mit wilden Elefanten vorzubereiten. In ihrer eigenen Forschung geht es um die Kreativität: 
"Elefanten probieren auch sehr viel aus, gerade mit dem Rüssel. Wenn man da Luft reinzieht, rauspresst, den ein bisschen dreht, windet, quetscht, dann entstehen lustige Laute und das macht den Elefanten Spaß."
Afrikanische Elefanten (Loxodonta africana) kommunizieren an einem Wasserloch.
Elefanten sind soziale Wesen: Sie lieben, fühlen Mitleid und trauern, wenn ein Herdenmitglied stirbt.© imago images / imagebroker / Matthias Graben
So ein Quietschen ist typisch für asiatische Elefanten, die damit Stress signalisieren. In Afrkia quietschen einzelne Elefanten wohl eher aus Spaß. Und im Dresdner Zoo haben die Tiere den Laut auf neue Weise eingesetzt:

"Im Zoo haben die Elefanten ihn adaptiert, weil sie gemerkt haben, auf dieses hochfrequente Quietschen reagieren offensichtlich Menschen mit viel Interesse. Und das eignet sich dementsprechend auch gut, um zu betteln, um zum Beispiel die Aufmerksamkeit der Pfleger zu bekommen."
Erst asiatische Elefanten und dann hat auch der afrikanische Elefant Nero das nützliche Quietschen übernommen.

Wie der Bürgerkrieg in Mosambik die Elefanten geprägt hat

Im Afrikanischen Elefanten-Ethogramm ist es noch nicht verzeichnet. Dort hat Joyce Poole Daten zu drei Populationen in Kenia und Mosambik. Sie zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen, die zum Teil auch auf den Einfluss des Menschen zurückgehen. So wurden im Bürgerkrieg in Mosambik 90 Prozent der Elefanten getötet:

"Die Mütter haben ihre Angst an ihre Töchter weitergegeben", sagt Joyce Poole. "Noch 25 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges reagieren die Elefanten dort sehr aggressiv auf Menschen und Autos."

Elefanten haben ein langes Gedächtnis, individuell und auch als Gruppe.

Mit dem Elefanten-Ethogramm auf Internetsafari

Das Elefanten-Ethogramm wird immer weiter ausgebaut. In Coronazeiten kann man hier auf Internetsafari gehen. Joyce Polle ist sich sicher, die Videos und Beschreibungen der Verhaltensweisen helfen wirklich, die Elefanten zu verstehen:
"Man kann niemanden in den Kopf schauen, richtig? Nicht mal Menschen. Und Elefanten kann man noch nicht mal fragen. Aber nach einer so langen Zeit fühlt man sich in den Elefanten ein. Man kann sagen, wenn ich das Verhalten sehe, dann weiß ich, was er als nächstes tun wird. Und mit der Zeit werden diese Vermutungen immer treffsicherer."

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