"Elektromobilität wäre eine dieser Möglichkeiten"
Ex-BMW-Chefvolkswirt Helmut Becker vom Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München sieht die Automobilindustrie mitten in der Anpassungsphase der " Hybridisierung". Auch wenn dort andere Vorreiter waren, hätten die einheimischen Konzerne hier "nichts versäumt".
Gabi Wuttke: Fahrzeug mit Gasmotorenantrieb – unter diesem Namen meldete heute vor 125 Jahren Carl Benz sein Patent an. Inzwischen fahren eine Milliarde Autos durch die Welt, aber die Branche ist angezählt. Trotzdem feiert man natürlich in Stuttgart die Urzelle des motorisierten Personengefährts.
Der umweltentlastenden Zukunft zugewandt ist die Ausstellung nicht und sie ignoriert auch die Tränen der Kundschaft ob der derzeitigen Benzinpreise.
In Deutschlandradio Kultur begrüße ich um 06:51 Uhr Helmut Becker, er war bei BMW über 20 Jahre Konzernstratege und Chefvolkswirt, bevor er 1998 sein Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München gründete. Guten Morgen, Herr Becker!
Helmut Becker: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Warum basteln gerade die deutschen Autobauer noch immer an der Optimierung von Verbrennungsmotoren?
Becker: Weil das alle tun. An der Optimierung dieses Automobils – sei es nun die Karosse oder der Komfort oder jetzt, wie Sie sagen, der Verbrennungsmotor –, das ist eine "never ending story".
Wuttke: Wie ist es zu werten, dass alle Welt meint, das Elektroauto sei zumindest für die mittelfristige Zukunft der große Wurf?
Becker: Nun, es gab Elektroautos, da hatte Carl Benz seine Gasmaschine noch nicht angemeldet, muss man dazu sagen. Der Gedanke ist also nicht neu, sondern der ist über 125 Jahre alt, und - das ist der erste Punkt. Zweiter Punkt: Man sucht ein Medium, das in dem Nach-Öl-Zeitalter eben in der Lage ist, das Automobil voranzutreiben und die Mobilität sicherzustellen. Und Elektromobilität wäre eine dieser Möglichkeiten, weil man wie gesagt das schon seit über 125 Jahren verfolgt.
Wuttke: Fantasieren Sie doch für uns mal, was wäre denn gewesen, wenn wir vor mehr als 125 Jahren den Gedanken des Elektroautos weiter verfolgt hätten? Womit würden wir denn dann jetzt fahren können?
Becker: Ach ich glaube, wir wären gar nicht so weit gekommen. Denn der Energiegehalt eines Liters Treibstoffs, den wir in den Tank füllen können in 0,0 Sekunden sozusagen, war damals überhaupt nicht möglich. Die ersten Elektroautos bestanden aus einem Sitz und der Rest waren Bleibatterien oder so was, also waren ...
Wuttke: Na ja, heute könnten wir ja ein paar Sachen dazutun.
Becker: Na ja gut, wir sind ja immer noch dabei, am Tüfteln, wie wir die Energie in diese Batterie reinbringen.
Wuttke: Wo stünden wir denn heute, wenn man mal rückblickend sagen wir auf die letzten 30 Jahre guckt, was es für Ideen gab, die sich nicht nur mit Tempo und Windschnittigkeit beschäftigten?
Becker: Ja nun, das Automobil oder seine Konstrukteure passen sich an an die Marktgegebenheiten. Der Markt gibt im Grunde genommen vor, was der Kunde will.
Wuttke: Aber passen die sich – Entschuldigung, wenn ich unterbreche –, passen die sich nicht ihrem Arbeitgeber an, das heißt, würden die großen Industriebosse es zulassen, hätten wir dann nicht aufseiten der Autotüftler schon einige schöne Ideen?
Becker: Ja die Ideen haben wir ja, nur lassen sie sich nicht verkaufen oder sind zu teuer. Technologisch gibt es kein vergleichbares Automobil, das heute mit einem Auto mit Verbrennungsmotor äquivalent wäre, Punkt eins. Punkt zwei: Die Dinge sind zu teuer, schlicht und ergreifend. Das heißt, wir passen uns an die Marktgegebenheiten an und der Markt für sich genommen hat bisher nicht die Notwendigkeit ergeben, irgendein anderes, nachhaltig jedenfalls, auf eine andere Antriebskonstruktion zu setzen.
Wuttke: Aber es gab doch Autos, die sind mit 17 Litern auf 100 Kilometern durch die Gegend gefahren, da gab es bereits Autos, die sehr wenig Sprit verbraucht haben. Da kann man doch wiederum nicht sagen, es war nicht die Nachfrage, sondern die wurden nicht produziert, weil man sich davon keinen Gewinn versprach?
Becker: Doch. Also die Nachfrage bestimmt das Angebot. Ich bin Marktwirtschaftler von Hause aus, daher dieser ehemalige Chefvolkswirt von BMW, der da durchkommt.
Wuttke: Ich dachte, ich widerspreche Ihnen jetzt einfach mal ...
Becker: Nein, widersprechen Sie mir ruhig, ich will nur sagen: Das Automobilunternehmen bietet das an, was der Markt, oder sprich, was der Kunde will. Und wenn der Kunde kein Auto mehr haben will, das 17 Liter verbraucht, dann muss man eben andere Angebote machen. Und das hat die deutsche Automobilindustrie – zum Glück!
Sie hat zwar, wenn Sie so wollen, bei den Hybridmotoren, also sprich bei dem Hybridantrieb, hat sie vielleicht den einen oder anderen zeitlichen Nachteil hingenommen, aber die Wettbewerber, die Vorreiter waren, haben damit den Weltmarkt auch nicht erobert. Das heißt, auch da sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen. Wir haben im Grunde genommen, wenn ich alles zusammenfasse, wir haben nichts versäumt. Wir sind mittendrin und wir sind dabei, an der Anpassung, sozusagen in der Anpassungsphase an die veränderten Bedingungen. Die heißen einfach Hybridisierung.
Wuttke: Da möchte ich jetzt noch anknüpfen, denn Ferdinand Piech hat gerade das Ein-Liter-Hybrid-Auto vorgestellt, und zwar im Emirat Katar, da sitzt ja 17 Prozent der VW-Aktien. Klingt doch aber eigentlich wie ein Treppenwitz der Geschichte, oder?
Becker: Nee, das ist kein Treppenwitz, ja das sieht zwar so aus. Also zum einen ist das natürlich eine Referenz an den Kapitaleigner, der auf einer Riesenöllache sitzt sozusagen.
Wuttke: Klar, aber der weiß, das ist endlich.
Becker: Und er weiß, das ist endlich, ja. Und insofern hat er genau in diese richtige, wenn Sie so wollen, Kerbe hineingehauen, indem er sagt, wir können mit dem ganz normalen, herkömmlichen Verbrennungsmotor Mobilität herstellen zu einem Liter. Das heißt, wir wären in der Lage, anstatt ein Auto zu betreiben, mit derselben Menge Benzin zehn Autos zu betreiben.
Wuttke: Aber die Scheichs denken doch weitsichtiger, die satteln nämlich jetzt schon mal um!
Becker: Nein, die satteln nicht um, sondern die drängen ihr Unternehmen dazu, solche Produkte, die zukunftsweisender sind als die herkömmlichen Benzinschlucker, zu entwickeln. Schlicht und ergreifend. Und VW ergreift diese Chance und macht das.
Wuttke: Sie meinen, eigentlich ergreift Ferdinand Piech diese Chance?
Becker: Ja, er ist Vorreiter. Er ist ohnehin ein genialer Ingenieur und ich nehme an, dass er die Zukunft in diese Richtung also weit genug antizipiert. Er war ja auch der Erste, der mit dem Drei-Liter-Auto schon mal zur Hauptversammlung gefahren ist vor einigen Jahren ...
Wuttke: ... eben ...
Becker: ... das heißt, er will auch demonstrieren, dass die reine Elektromobilität nicht das allein selig machende Medium ist.
Wuttke: Nun hat er ja schon mal bewiesen, dass der Einsatz von sehr viel Geld für die Weiterentwicklung der Technik zum großen Erfolg werden kann. Ist das auch deshalb nicht hanebüchen, dass die Autobauer in Deutschland auch 2011 weiter Geld vom Staat fordern?
Becker: Sie machen jetzt eine neue Baustelle auf, aber ich stimme Ihnen vollkommen zu, ja. Also ich finde das genau so hanebüchen, ich darf mich noch mal auf meine marktwirtschaftliche Denke zurückweisen ...
Wuttke: ... unbedingt! ...
Becker: ... solange diese Hersteller in der Lage sind, Museen oder sonstige Prachtbauten für 500 und soviel Millionen Euro hinzustellen, solange muss man nicht beim Forschungsministerium anklopfen, um Subventionen zu erreichen für neue Entwicklungen. Nun, im Moment fließt das Geld reichlich, so lange können wir dieses auch aus eigener Kraft machen. Steht außer Zweifel!
Wuttke: Das Auto, das geliebte Wesen. Dazu in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Volkswirt Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation. Danke, dass Sie Zeit hatten, und schönen Tag noch!
Becker: Ja gleichfalls, Ihnen auch, Frau Wuttke!
Der umweltentlastenden Zukunft zugewandt ist die Ausstellung nicht und sie ignoriert auch die Tränen der Kundschaft ob der derzeitigen Benzinpreise.
In Deutschlandradio Kultur begrüße ich um 06:51 Uhr Helmut Becker, er war bei BMW über 20 Jahre Konzernstratege und Chefvolkswirt, bevor er 1998 sein Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München gründete. Guten Morgen, Herr Becker!
Helmut Becker: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Warum basteln gerade die deutschen Autobauer noch immer an der Optimierung von Verbrennungsmotoren?
Becker: Weil das alle tun. An der Optimierung dieses Automobils – sei es nun die Karosse oder der Komfort oder jetzt, wie Sie sagen, der Verbrennungsmotor –, das ist eine "never ending story".
Wuttke: Wie ist es zu werten, dass alle Welt meint, das Elektroauto sei zumindest für die mittelfristige Zukunft der große Wurf?
Becker: Nun, es gab Elektroautos, da hatte Carl Benz seine Gasmaschine noch nicht angemeldet, muss man dazu sagen. Der Gedanke ist also nicht neu, sondern der ist über 125 Jahre alt, und - das ist der erste Punkt. Zweiter Punkt: Man sucht ein Medium, das in dem Nach-Öl-Zeitalter eben in der Lage ist, das Automobil voranzutreiben und die Mobilität sicherzustellen. Und Elektromobilität wäre eine dieser Möglichkeiten, weil man wie gesagt das schon seit über 125 Jahren verfolgt.
Wuttke: Fantasieren Sie doch für uns mal, was wäre denn gewesen, wenn wir vor mehr als 125 Jahren den Gedanken des Elektroautos weiter verfolgt hätten? Womit würden wir denn dann jetzt fahren können?
Becker: Ach ich glaube, wir wären gar nicht so weit gekommen. Denn der Energiegehalt eines Liters Treibstoffs, den wir in den Tank füllen können in 0,0 Sekunden sozusagen, war damals überhaupt nicht möglich. Die ersten Elektroautos bestanden aus einem Sitz und der Rest waren Bleibatterien oder so was, also waren ...
Wuttke: Na ja, heute könnten wir ja ein paar Sachen dazutun.
Becker: Na ja gut, wir sind ja immer noch dabei, am Tüfteln, wie wir die Energie in diese Batterie reinbringen.
Wuttke: Wo stünden wir denn heute, wenn man mal rückblickend sagen wir auf die letzten 30 Jahre guckt, was es für Ideen gab, die sich nicht nur mit Tempo und Windschnittigkeit beschäftigten?
Becker: Ja nun, das Automobil oder seine Konstrukteure passen sich an an die Marktgegebenheiten. Der Markt gibt im Grunde genommen vor, was der Kunde will.
Wuttke: Aber passen die sich – Entschuldigung, wenn ich unterbreche –, passen die sich nicht ihrem Arbeitgeber an, das heißt, würden die großen Industriebosse es zulassen, hätten wir dann nicht aufseiten der Autotüftler schon einige schöne Ideen?
Becker: Ja die Ideen haben wir ja, nur lassen sie sich nicht verkaufen oder sind zu teuer. Technologisch gibt es kein vergleichbares Automobil, das heute mit einem Auto mit Verbrennungsmotor äquivalent wäre, Punkt eins. Punkt zwei: Die Dinge sind zu teuer, schlicht und ergreifend. Das heißt, wir passen uns an die Marktgegebenheiten an und der Markt für sich genommen hat bisher nicht die Notwendigkeit ergeben, irgendein anderes, nachhaltig jedenfalls, auf eine andere Antriebskonstruktion zu setzen.
Wuttke: Aber es gab doch Autos, die sind mit 17 Litern auf 100 Kilometern durch die Gegend gefahren, da gab es bereits Autos, die sehr wenig Sprit verbraucht haben. Da kann man doch wiederum nicht sagen, es war nicht die Nachfrage, sondern die wurden nicht produziert, weil man sich davon keinen Gewinn versprach?
Becker: Doch. Also die Nachfrage bestimmt das Angebot. Ich bin Marktwirtschaftler von Hause aus, daher dieser ehemalige Chefvolkswirt von BMW, der da durchkommt.
Wuttke: Ich dachte, ich widerspreche Ihnen jetzt einfach mal ...
Becker: Nein, widersprechen Sie mir ruhig, ich will nur sagen: Das Automobilunternehmen bietet das an, was der Markt, oder sprich, was der Kunde will. Und wenn der Kunde kein Auto mehr haben will, das 17 Liter verbraucht, dann muss man eben andere Angebote machen. Und das hat die deutsche Automobilindustrie – zum Glück!
Sie hat zwar, wenn Sie so wollen, bei den Hybridmotoren, also sprich bei dem Hybridantrieb, hat sie vielleicht den einen oder anderen zeitlichen Nachteil hingenommen, aber die Wettbewerber, die Vorreiter waren, haben damit den Weltmarkt auch nicht erobert. Das heißt, auch da sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen. Wir haben im Grunde genommen, wenn ich alles zusammenfasse, wir haben nichts versäumt. Wir sind mittendrin und wir sind dabei, an der Anpassung, sozusagen in der Anpassungsphase an die veränderten Bedingungen. Die heißen einfach Hybridisierung.
Wuttke: Da möchte ich jetzt noch anknüpfen, denn Ferdinand Piech hat gerade das Ein-Liter-Hybrid-Auto vorgestellt, und zwar im Emirat Katar, da sitzt ja 17 Prozent der VW-Aktien. Klingt doch aber eigentlich wie ein Treppenwitz der Geschichte, oder?
Becker: Nee, das ist kein Treppenwitz, ja das sieht zwar so aus. Also zum einen ist das natürlich eine Referenz an den Kapitaleigner, der auf einer Riesenöllache sitzt sozusagen.
Wuttke: Klar, aber der weiß, das ist endlich.
Becker: Und er weiß, das ist endlich, ja. Und insofern hat er genau in diese richtige, wenn Sie so wollen, Kerbe hineingehauen, indem er sagt, wir können mit dem ganz normalen, herkömmlichen Verbrennungsmotor Mobilität herstellen zu einem Liter. Das heißt, wir wären in der Lage, anstatt ein Auto zu betreiben, mit derselben Menge Benzin zehn Autos zu betreiben.
Wuttke: Aber die Scheichs denken doch weitsichtiger, die satteln nämlich jetzt schon mal um!
Becker: Nein, die satteln nicht um, sondern die drängen ihr Unternehmen dazu, solche Produkte, die zukunftsweisender sind als die herkömmlichen Benzinschlucker, zu entwickeln. Schlicht und ergreifend. Und VW ergreift diese Chance und macht das.
Wuttke: Sie meinen, eigentlich ergreift Ferdinand Piech diese Chance?
Becker: Ja, er ist Vorreiter. Er ist ohnehin ein genialer Ingenieur und ich nehme an, dass er die Zukunft in diese Richtung also weit genug antizipiert. Er war ja auch der Erste, der mit dem Drei-Liter-Auto schon mal zur Hauptversammlung gefahren ist vor einigen Jahren ...
Wuttke: ... eben ...
Becker: ... das heißt, er will auch demonstrieren, dass die reine Elektromobilität nicht das allein selig machende Medium ist.
Wuttke: Nun hat er ja schon mal bewiesen, dass der Einsatz von sehr viel Geld für die Weiterentwicklung der Technik zum großen Erfolg werden kann. Ist das auch deshalb nicht hanebüchen, dass die Autobauer in Deutschland auch 2011 weiter Geld vom Staat fordern?
Becker: Sie machen jetzt eine neue Baustelle auf, aber ich stimme Ihnen vollkommen zu, ja. Also ich finde das genau so hanebüchen, ich darf mich noch mal auf meine marktwirtschaftliche Denke zurückweisen ...
Wuttke: ... unbedingt! ...
Becker: ... solange diese Hersteller in der Lage sind, Museen oder sonstige Prachtbauten für 500 und soviel Millionen Euro hinzustellen, solange muss man nicht beim Forschungsministerium anklopfen, um Subventionen zu erreichen für neue Entwicklungen. Nun, im Moment fließt das Geld reichlich, so lange können wir dieses auch aus eigener Kraft machen. Steht außer Zweifel!
Wuttke: Das Auto, das geliebte Wesen. Dazu in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur der Volkswirt Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation. Danke, dass Sie Zeit hatten, und schönen Tag noch!
Becker: Ja gleichfalls, Ihnen auch, Frau Wuttke!