Elektronische Welten

Das Gesicht als Schlüssel

Eine Frau schaut durch ein Schlüsselloch.
Gesicht zeigen: Das menschliche Gehirn kann sich bekannte Gesichter besser merken als Passwörter. © picture alliance / dpa
Von Marko Pauli |
Ob E-Mail, Facebook oder Online-Shopping - wer im Internet unterwegs ist, muss sich unzählige Passwörter merken. Eine Software namens "Facelock" bietet eine Alternative: Der User muss zum Log-in vertraute Gesichter identifizieren.
Man könne das Gesicht eines Menschen erkennen, aber nicht dessen Herz, singt Horace Andy. Und er hat Recht, im Erkennen von uns bekannten Gesichtern sind wir besonders gut, wohingegen wir nur einmal gesehene Gesichter kaum wiedererkennen. Fakten, die sich die Software "Facelock" zunutze macht. Aus einer Anordnung von drei mal drei Gesichtern wählt der Nutzer das ihm bekannte aus, wiederholt das noch dreimal, mit jeweils anderem bekannten Gesicht und loggt sich so zum Beispiel in das Smartphone oder den Computer ein. Der Kognitionspsychologe Rob Jenkins von der University of York hat die Software entwickelt:
"Im Gegensatz zu Passwort oder Pin, die man sich unbedingt merken muss - und wie wir alle wissen, trotzdem schnell vergessen können -, muss man sich beim Log-in über vertraute Gesichter nichts bewusst merken, es handelt sich um Informationen, die man ohne Probleme abrufen kann."
Und das geht zuverlässig und schnell. 250 Millisekunden benötigt der Mensch etwa, um ein ihm bekanntes Gesicht zu erkennen und einer Identität zuzuordnen. Die vier Gruppen mit jeweils neun Gesichtern sind also schnell erledigt und man ist eingeloggt. Die unbekannten Gesichter werden, zumindest in der Testphase, aus dem Gesamtpool an Bildern entnommen, den die anderen Testpersonen beigesteuert haben. Jeder Nutzer benennt mehrere Schlüsselgesichter, die einmal sorgfältig ausgewählt werden müssen.
"Wenn die Gesichter zu bekannt sind, würden sie natürlich auch andere Leute erkennen und auswählen. Am besten ist eine Mixtur aus Gesichtern, die aus dem eigenen Alltag stammen, aber auch aus speziellen Interessensgebieten des Nutzers, eher in Insiderkreisen bekannte Sportler, Künstler oder Musiker zum Beispiel."
Ein Prozent der Testpersonen knackte den Account
Die Software ist noch nicht auf dem Markt, wurde aber schon ausgiebig getestet. 98 Prozent der Testpersonen gelang es, sich nach der Einrichtung einzuloggen, 86 Prozent war das auch ein Jahr später noch möglich - ohne es in der Zwischenzeit probiert zu haben. Weniger als ein Prozent der Testpersonen schaffte es, sich in einen fremden Account einzuloggen. Das versuchten auch dem Nutzer nahestehende Menschen, und es schafften weniger als sieben Prozent.
"Die Überlappung zwischen Gesichtern, die mir und meinen Freunden gleichermaßen bekannt sind, ist viel geringer ist als man denkt. In unseren Tests sollten zum Beispiel die Ehepartner versuchen, in den Account des anderen zu gelangen, und sie waren dabei nicht sehr erfolgreich."
An der Friedrich Schiller Universität in Jena arbeitet die Forschungsgruppe Person Perception an allen Themen die die Wahrnehmung von Personen betreffen, so ebenfalls an der Frage, wie der Mensch es eigentlich hinbekommt, ihm bekannte Personen sofort zu erkennen. Es scheint so, erläutert der in Jena mitarbeitende Psychologe Holger Wiese, als würde das Gehirn charakteristische Merkmale abspeichern:
"Es gibt die Idee, dass wir so etwas wie einen Prototypen von einem Gesicht bilden, das heißt, wenn Sie sich das mit Fotos vorstellen, je mehr unterschiedliche Fotos Sie von der selben Person haben und dann eine große Variabilität haben - was Sie machen ist, dass Sie alle diese Fotos sozusagen mitteln. Wenn Sie das machen, dann bekommen Sie diejenigen Eigenschaften rausgefiltert, die ganz spezifisch für diese Person sind. Je größer die Variabilität in den Bildern ist, die in diese Mittelung eingehen, desto stabiler sollte dieser Prototyp sein."
Gehirn speichert Karikatur eines Gesichts
In einer Studie wurden aus vielen Fotos einzelner Personen per Morphingtechnik, bei der Zwischenübergänge berechnet werden, jeweils Durchschnittsgesichter hergestellt. Diese wurden statistisch tatsächlich schneller wiedererkannt als einzelne echte Fotos derselben Person - was dafür spricht, dass wir eine Art Karikatur eines uns bekannten Gesichts, mit dessen entscheidenden Merkmalen also, im Gehirn speichern.
"Dieses System ist so gebaut, dass es Veränderungen tolerieren kann, also eine Veränderung im Blickwinkel, in der Beleuchtung, aber eben auch möglicherweise eine Veränderung, die durch Altern zustande kommt."
Aus diesem Grund arbeitet die Software "Facelock" auch nicht mit der ja ebenfalls bestehenden Möglichkeit, des Einloggens via Kamera, die das eigene Gesicht des Nutzers erkennt.
"Diese automatische Gesichtserkennung kann nur unter bestimmten Bedingungen verlässlich arbeiten – das Licht muss stimmen, der Blickwinkel, der Ausdruck, die Kamera. Ansonsten funktioniert das nicht zuverlässig. Das einzige System, das verlässlich Gesichter erkennt, ist der Mensch, der mit dem betreffenden Gesicht bekannt ist."
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