"Ich wollte mich einfach selbst verwirklichen"
Schnell ist man dabei, von älteren Musikern als "lebender Legende" zu sprechen. Doch auf Hans-Joachim Roedelius trifft die Bezeichnung zu. Der 80-Jährige gilt als einer der Wegbereiter der modernen Pop-und Elektromusik - und mischt immer noch kräftig und experimentell mit.
Hans-Joachim Roedelius, geboren vor 80 Jahren in Berlin, trat als Kind in UFA-Filmen auf und schlug sich nach dem Krieg mit diversen Jobs durch. Er war Masseur, Detektiv und Eisverkäufer, bevor er schließlich 1967 im West-Berliner Untergrund als freischaffender Künstler mit dem Zodiak Free Arts Lab, kurz Zodiak Club, einen wichtigen Ort für die Entwicklung einer neuen, unabhängigen deutschen Pop-Musik eröffnete. Roedelius beteuert:
"Ich bin gar nicht in die Kunst gegangen, um etwas zu bewegen. Ich wollte mich einfach selbst verwirklichen und ein musikalisches Tagebuch schreiben."
Er fügt hinzu: "Es hat Jahre gebraucht, das durchzusetzen. Am Anfang war es reiner Aktionismus". Fest steht jedoch: Ohne ihn, ohne die Projekte an denen er beteiligt war, würde heute einiges nicht so klingen wie es klingt. Solo und mit Bands wie Cluster, Harmonia und zahlreichen anderen legte er den Grundstein für die elektronische Pop-Musik. Dabei hat er auch mit Größen wie Brian Eno zusammen gearbeitet, der eine kurze Zeit lang sein Musiker-Kommunardenleben mit Conrad Schnitzler und Dieter Möbius in einem Gehöft an der Weser teilte.
Umtriebiger Musik-Macher
Rund 1600 Stücke umfasst heute sein Werk, auf rund 160 Alben ist Roedelius zu hören, als Pianist, Keyboarder, Cellist und Klangerfinder. Anfang November kommt eine CD-Box mit Stücken aus den 70er-Jahren heraus.
Roedelius, der heute mit seiner großen Familie in Österreich lebt und nimmermüde neue Projekte auf die Beine stellt, unter anderem mit dem jüngsten Sohn von Charlie Chaplin, sagt von sich:
"Ich bin nicht Teil der Szene. Ich sitze in meinem Elfenbeinturm und bebildere mein Leben mit Musik." Gleichwohl verfolge er mit großem Interesse, was sich in der jungen Musik-Szene so tue. Wenn er beim Autofahren Radio höre, wundere er sich immer, "was es für tolle Sachen gibt".