Elektroschrott-Recycling

"Deutschland muss EU-Standards erreichen"

Ein Haufen Elektrogeräte, darunter Staubsauger und Werkzeug.
Elektrogeräte sollen künftig über den Fachhandel entsorgt werden, so der Plan von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Aber nur bei Verkaufsflächen von über 400 Quadratmetern. © dpa / Maja Hitij
Jürgen Resch im Gespräch mit Nana Brink |
50 Millionen Tonnen Elektroschrott entstehen jährlich weltweit. Es könnte so einfach sein, richtig damit umzugehen. Doch in Deutschland treiben die Regelungen zur Rücknahme von Elektro-Altgeräten absurde, bürokratische Blüten, sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe und fordert deshalb mindestens EU-Standards.
Es klingt wie eine Geschichte aus Absurdistan: Deutsche Elektrowaren-Händler müssen Alt-Geräte im Rahmen des Elektroschrott-Recyclings zwar zurücknehmen. Aber nur, wenn sie diese Waren auf mehr als 400 Quadratmetern Fläche verkaufen. So sieht es eine neue Regelung vor, die heute im Bundestag beschlossen werden soll.
Deutschland hinke hinter den anderen EU-Ländern hinterher, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, im Deutschlandradio Kultur. Dort könne der Verbraucher nicht mehr benötigte Alt-Geräte, Energiesparbirnen und andere gebrauchte Elektroartikel problemlos bei seinem Händler entsorgen. In Deutschland dagegen gebe es absurde Regelungen, mit denen die Händler sich aus der Verantwortung für eine sinnvolle Entsorgung und Recycling von Elektroschrott ziehen könnten:
"Heute haben wir die Situation, dass der Verbraucher mit einem Maßband ins Geschäft gehen muss, erst mal messen muss, ob dort die Elektrogeräte zusammen eine Verkaufsfläche von über 400 Quadratmeter haben – und dann kann er sich überlegen, dort sein altes Elektrogerät zurückzubringen."
Keine Ausnahmen für Discounter
Andernfalls könne der Elektrowaren-Händler die Annahme verweigern. "Das ist nicht praktikabel." Deutschland müsse endlich die EU-Standards erreichen. Resch betonte, es dürfe nicht sein, dass beispielsweise die vielen Discounter, die Aktionsware, oft von zweifelhafter Qualität, auf relativ kleiner Fläche verkauften, zu entsorgende Alt-Geräte nicht wieder zurücknehmen müssten. Händler nähmen die als Elektroschrott weiterverwertbaren Waren deshalb so ungern zurück, weil ihnen dadurch Kosten entstünden.
Kluge Zweit- und Drittverwertung
Der Umweltexperte appellierte auch an die Verbraucher, Elektrogeräte reparieren zu lassen statt sie sofort zu entsorgen, und so eine Zweit- und Drittverwertung zu ermöglichen. Insgesamt müssten jedoch die Entsorgungswege für die Verbraucher erleichtert werden - derzeit landeten etwa Energiesparbirnen regelmäßig im Restmüll, weil es den Verbrauchern zu kompliziert sei, sie am richtigen Ort abzugeben.
Resch ermunterte die Verbraucher in diesem Zusammenhang, ihre Geräte einfach beim Händler vorbeizubringen und dabei auf EU-Recht zu pochen - irgendwann würde die Händler "freiwillig einknicken.

Das vollständige Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Es geht um Elektroschrott. Und vielleicht geht es Ihnen ja auch so: Sie wollen mal Ihren Schreibtisch entmisten, da haben Sie ein paar alte Sachen gefunden, Laptop, Handy, Kopfhörer und vielleicht sogar noch ein altes Radio. Und man fragt sich: Wohin damit? Na klar, in den Müll, im Zweifelsfall natürlich auch in den Sondermüll. Keine gute Idee, die EU fordert nämlich seit langem, dass Verbraucher ihre ausrangierten Geräte kostenlos in den großen Elektro- und Elektronikläden abgeben können. Die Reform dieser Elektrogeräteverordnung, die, wie gesagt, heute im Bundestag beschlossen werden soll, sieht vor, dass man eben Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern geradezu zwingen muss, diese Geräte wieder zurückzunehmen. Jürgen Resch ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Schönen Guten Morgen!
Jürgen Resch: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Sie waren ja auch Teilnehmer der Expertenrunde im Vorfeld, die das Bundesumweltministerium bei dieser Gesetzgebung beraten haben. Wie sehen Sie jetzt auf diese Reform oder dieses neue Gesetz, mit dem ich ja eigentlich mein altes Radio zurückgeben kann, da, wo ich es gekauft habe?
Resch: Na ja, wir sehen einmal mehr, wie die Industrie und vor allen Dingen der Handel sich in Deutschland durchsetzen kann. Die EU wollte es ganz einfach haben: Der Verbraucher soll eben dort, auch bei kleineren Geschäften, wo er ein Elektrogerät oder eine Energiesparlampe kauft, eine alte zurückgeben können. Früher war es schon so, dass auf Druck des Handels, diese Vorschrift der EU in Deutschland, und zwar als einzigem EU-Staat, nicht durchgesetzt wurde. Da war es dann eine freiwillige Rücknahme und die wurde von Vielen eben verweigert. Heute haben wir eine Situation, dass der Verbraucher mit einem Maßband ins Geschäft gehen muss, erst mal messen muss, ob dort die Elektrogeräte zusammen 400 Quadratmeter Verkaufsfläche haben, und dann kann er sich überlegen, dort sein altes Elektrogerät zurückzubringen. Das ist nicht praktikabel.
Jeden Händler in die Pflicht nehmen
Brink: Moment. Also, ich muss wirklich mein Maßband mitnehmen, wenn ich wild entschlossen bin zu sagen, ich gebe das dort zurück, wo ich es gekauft habe, und wenn es ein Quadratmeter mehr ist, dann habe ich Pech gehabt.
Resch: Wenn es ein Quadratmeter mehr ist, dann dürfen Sie dort das zurückgeben, und wenn nicht, darf das Geschäft es verweigern. So absurd ist das. Wir sagen deswegen auch, das kann so nicht bleiben, es muss geändert werden. Der Verbraucher soll ja motiviert werden, seine Elektrogeräte zurückzugeben. Und deswegen alle komplizierten Lösungen, vor allen Dingen solche, die die Discounter befreien, die ja nun häufig mit Aktionsware und nicht immer mit der besten Qualität den Markt überschwemmen – das kann nicht angehen, dass die befreit werden. Aldi, Lidl, die haben nie 400 Quadratmeter Elektrogeräte, da ist immer nur ein Teil der Ladenfläche damit belegt und das ist eben eine Menge darunter. Und auf die Art und Weise haben sich die Discounter einmal mehr von einer Verpflichtung verabschieden können.
Brink: Und man kann sich vorstellen, dass sie auch alles versuchen werden, das unter die 400 Quadratmeter zu drücken. Wir wollen da nichts unterstellen, aber die Annahme ist ja naheliegend. Jetzt fallen ja jährlich 50 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Und eigentlich stellt man sich ja vor, dass das ein wertvoller Schrott ist, aus dem man ja etwas noch herausnehmen kann. Warum nehmen denn Produzenten und auch Händler diesen Schrott dann so ungerne zurück?
Resch: Weil dann erst mal Kosten damit verbunden sind. Und bei vielen Elektrogeräten ist es tatsächlich so, dass die Behandlung einfach auch Geld kostet, und das scheut man. Das heißt, wenn man ein geringeres Aufkommen hat, dann ist im Rahmen dieser Produktverantwortung beim Hersteller auch die Kostenbelastung sehr viel niedriger. Als wir die frühere Umstellung auf das alte Elektrogesetz hatten, haben sich die Hersteller gewundert, wie sie dann über neue Verträge mit Entsorgern es erreichen konnten, 80 Prozent unter den erwarteten bzw. auch früheren Kosten zu bleiben. Das heißt, sehr viel ist im aktuellen Elektroschrottaufkommen fehlgeleitet. Wir haben Ströme, die über den Hamburger Hafen nach Afrika gehen und dann dort zu diesen furchtbaren Bildern führen auf Deponien, wo eben dann unter freiem Himmel von Kindern die Edelmetalle ausgeschmolzen werden. Wir haben aber auch das andere Problem, dass gerade die quecksilberbelasteten Energiesparlampen ganz überwiegend über den Restmüll entsorgt werden, weil eben dann auch zukünftig das viel zu kompliziert ist, diese Elektrokleingeräte zurückzugeben. Aus diesem Grund brauchen wir hier noch einmal eine Nachbesserung. Wir müssen mindestens den europäischen Standard einhalten, der eben sagt, dort wo ich ein Elektrogerät kaufen kann, kann ich auch ein altes zurückgeben.
Ein großer Rucksack an Umweltbelastungen
Brink: Ist das also die sinnvollere Form aus Ihrer Sicht? Oder muss sie in dieser Position münden?
Resch: Also, zumindest ein Element. Wir brauchen natürlich auch die Anbindungsmöglichkeit an den Wertstoffhöfen. Und hier kommt noch eine weitere Komponente dazu, wo der Gesetzgeber EU-Recht nicht umsetzt. Wir müssen natürlich auch darüber nachdenken, wo haben wir Elektrogeräte, die weiterverwendet werden können? Die Hersteller haben natürlich kein Interesse daran, dass ein Gebrauchtgerät ein zweites oder drittes Leben bekommt. Im Moment ist es so, dass die Vorschriften es fast unmöglich machen, an den Sammelstellen die für den Weitergebrauch noch relativ intakten Elektrogeräte zu separieren. Die müssen gleich in entsprechende Sammelboxen eingebeugt werden. Hier brauchen wir eben auch eine ressourceneffizientere Ausgestaltung, die eben sicherstellt, dass wir, bevor wir über Recycling nachdenken, auch Anreize schaffen, dass noch relativ intakte Geräte repariert oder, wenn sie sogar ganz intakt sind, schnell wiederum in den Warenstrom hineinkommen. Denn alleine mit dem Handy haben Sie, das Sie eben nicht wegschmeißen, nicht recyceln, haben Sie über eine Tonne Aushub, die Sie vermeiden können. Sie haben mit der Produktion eines Produktes immer einen großen Rucksack an Umweltbelastungen und wenn ich eben einem Produkt ein zweites, ein drittes Leben gebe, dann vermeide ich dies.
Brink: Jetzt bin ich doch als Verbraucher dann sehr verwirrt. Das macht alles Sinn, was Sie gesagt haben, aber was mache ich denn jetzt am besten, vielleicht auch schon im Vorfeld?
Resch: Ja, ich würde jedem Verbraucher raten, die Geräte trotzdem zum Handel zurückzubringen und zu sagen, ich hab das Maßband vergessen und ich erwarte von Ihnen, dass sie das einfach zurücknehmen. Denn in anderen EU-Staaten wird das auch praktiziert. Ich glaube, dass auf Dauer der Handel dann vielleicht freiwillig diese 400-Quadratmeter-Regel aushebelt. Wir meinen, die kann so nicht bestehen bleiben.
Brink: Herzlichen Dank, Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Danke für das Gespräch.
Resch: Dankeschön.
Brink: Und heute wird im Deutschen Bundestag die neue Reform der Elektrogeräteverordnung verhandelt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema