Elena Ferrante: "Die Geschichte der getrennten Wege"

Einfache Prosa ohne große Höhepunkte

Elena Ferrante: "Die Geschichte der getrennten Wege"
Elena Ferrante: "Die Geschichte der getrennten Wege" und der Vesuv bei Neapel im Hintergrund © Suhrkamp Verlag/picture alliance/dpa/Foto: Barone
Von Irene Binal |
Der dritte Band der Neapel-Reihe von Elena Ferrante "Die Geschichte der getrennten Wege" erzählt, wie die Freundinnen Elena und Lila im Italien der 70er-Jahre jeweils unterschiedliche Leben führen. Das Spannendste dabei ist noch die Schilderung der damaligen Stimmung im Land.
Gerade ist der Hype um Elena Ferrante etwas abgeflaut, da kommt der dritte Band ihrer Neapel-Reihe in die Buchläden. "Die Geschichte der getrennten Wege" spielt in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und wie der Titel schon sagt, entwickeln sich die Lebensgeschichten der beiden Freundinnen Elena und Lila ganz unterschiedlich. Elena hat mit ihrem Roman Erfolg, sie heiratet den nicht besonders attraktiven Pietro aus einer angesehenen norditalienischen Familie, zieht nach Florenz und wird bald Mutter. Lila hingegen ist in Neapel geblieben, sie lebt (ganz platonisch) mit Enzo zusammen, kümmert sich um ihren Sohn und arbeitet in einer Wurstfabrik. Und sie wird in die politischen Wirren der Zeit hineingezogen, in die Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und Kommunisten.

Blutige Unruhen sind an der Tagesordnung

Dieser gesellschaftspolitische Aspekt ist das Interessanteste an Elena Ferrantes Roman: Die Autorin nimmt den Leser mit in ein Italien, in dem blutige Unruhen an der Tagesordnung sind und kaum jemand sich den Ereignissen entziehen kann. Aber während Lila Reformvorschläge erarbeitet und zu Versammlungen geht, will Elena die Gegenwart lieber studieren, statt an ihr teilzunehmen: "Seit langem war ich davon überzeugt, dass man sich in allem üben kann, selbst in der Begeisterung für Politik."
Weit mehr beschäftigt sie ihr Alltag: Die Mutterschaft füllt sie nicht aus, das Manuskript für ihren zweiten Roman stößt in ihrem Umfeld auf harsche Kritik, die Ehe mit Pietro empfindet sie zusehends als Gefängnis und dann taucht plötzlich ihre große Liebe Nino wieder auf. Elenas Leben gerät ins Schleudern, gerade als es für Lila aufwärts geht: Durch Enzo entdeckt sie ihre Begabung für Technik und der zwielichtige Michele Solana macht sie schließlich zur Chefin in seinem Lochkartenzentrum.

Roman plätschert dröge dahin

All das erzählt Ferrante in einer einfachen Prosa ohne große Höhepunkte. Über weite Strecken plätschert der Roman recht dröge dahin und das Überraschendste ist wohl, dass die Freundschaft zwischen Elena und Lila trotz der räumlichen Distanz und der unterschiedlichen Lebenswelten bestehen bleibt. Lila ist Elenas Verbindung zu Neapel, zum Rione, jenem ärmlichen Viertel, in dem beide aufgewachsen sind, und so ambivalent wie Elenas Beziehung zu ihrer Vergangenheit ist auch ihr Verhältnis zu Lila.
Mal vermisst sie ihre Freundin schmerzlich, mal wünscht sie ihr klammheimlich den Tod, denn "ich ertrug die Leere nicht, die dadurch entstand, dass sie sich mir entzog". Es ist eine nicht immer nachvollziehbare Beziehung, in der Liebe und Hass nah beieinanderliegen, und dieses an sich reizvolle Wechselspiel hat sich nach drei Romanen doch einigermaßen abgenutzt. Kraft und Farbe gewinnt der Text vor allem dann, wenn er die Stimmung im Italien der 70er einfängt, die von politischen Umbrüchen und strengen gesellschaftlichen Regeln geprägt ist. Abgesehen davon erweist sich "Die Geschichte der getrennten Wege" als eines jener Bücher, die zwar nicht wirklich schlecht sind, aber auch nicht richtig begeistern können.

Elena Ferrante: "Die Geschichte der getrennten Wege"
Aus dem Italienischen von Karin Krieger
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
540 Seiten, 24,00 Euro

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