Elena Passarello: Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte
Aus dem Englischen übersetzt von Beatrice Faßbender
Verlag Hanser Berlin, München 2018
256 Seiten, 24 Euro
Mozarts "Kleine Nachtmusik" – Co-Working von Mensch und Tier?
Könnte ein Vogel im Musikzimmer mitgewirkt haben bei Mozarts Komponieren? Mitreißend porträtiert die Essayistin Elena Passarello in ihrem Buch Situationen, wo Mensch und Tier ganz eng zusammen waren – und potenzielle Folgen.
Als Mozart die "Kleine Nachtmusik" komponierte, hielt er einen Star in seiner Wohnung. Vogelkundler wissen, dass Stare als "Spötter" nicht nur die Rufe anderer Vögel imitieren, sondern auch Geräusche wie Hundebellen, Bremsenquietschen oder das Pfeifen eines Dampfkessels. Könnte es also sein, dass der Vogel im Duett mit dem Komponisten an der Entstehung bekannter Mozart-Melodien mitgewirkt und ihnen eine besonders eigenwillige Note verliehen hat?
Schöpferisches Zusammenwirken von Mensch und Tier
Ausgehend von diesem Gedankenspiel entwickelt Elena Passarello einen hinreißenden Essay über das schöpferische Zusammenwirken von Mensch und Tier. Dabei verfällt sie ihrerseits in das charakteristische Plappern, Parodieren und Collagieren des Starengesangs, was ihrem Text eine übermütige Rasanz verleiht.
Jedes der 16 Kapitel des Bandes ist einer oder mehreren Tierpersönlichkeiten gewidmet – und für jede von ihnen findet die Autorin einen eigenen Ton. So klingt die Geschichte von Charles Darwins Galapagos-Schildkröte Harriet wie die Elegie auf eine enttäuschte Liebe.
Die Spinne Arabella, die 1973 mit Forschern ins All fliegt, macht die hoch technisierte NASA-Mission überhaupt fassbar, mit menschlichem Maß: Spinnengleich gleiten die Astronauten am seidenen Faden aus ihrer Kapsel in den Weltraum hinaus. Der Gorilla-Dame Koko, die Gebärdensprache lernte, widmet Passarello ein Gedicht in Koko-Grammatik. Hier beweist die Übersetzerin Beatrice Faßbender, die auch Lyrik ins Deutsche überträgt, eine besonders glückliche Hand.
Emotional bewegend, fast körperlich nachvollziehbar
Die Tiergeschichten dieses Bestiariums führen den Leser nicht weg von der Welt der Menschen. Eindrucksvoll verschränkt Passarello die Elektrifizierung Amerikas und die Einführung des elektrischen Stuhls mit dem Auftauchen von Elefanten im Zirkus- und Show-Geschäft der USA. Der (vergebliche) Versuch des Schaustellers Frank Bostock, seinen Elefanten Jumbo II. im Herbst 1901 mit Stromschlägen zu töten, war von großer Symbolkraft für die Debatten über die neue Hinrichtungsmethode.
Passarellos Essays machen geradezu körperlich nachvollziehbar, weshalb Bilder und Geschichten von Tieren uns immer wieder tief berühren und emotional bewegen. Im Kapitel über das Mammut Yuka, das im sibirischen Permafrost gefunden wurde, erinnert die Autorin daran, dass die enge Verbindung von Mensch und Tier der Entwicklung von Sprache, Kultur und Zivilisation vorausging: "Ein Mensch in der Steppe zu sein hieß, über einen Kodex aller Muskeln eines Löwennackens, eines Bisonrückens, einer fliehenden Pferdeflanke zu verfügen." Der moderne Homo sapiens stammt von Tierforschern ab.
Im Blick der Tiere haben Menschen sich zu allen Zeiten ihrer selbst versichert. Das gilt bis heute, obwohl viele Kinder inzwischen umgeben von Katzenfotos oder Fantasie-Tieren aufwachsen. Von dieser weit zurückreichenden Verbindung erzählt Elena Passarello nicht romantisierend oder akademisch, sondern fundiert recherchiert und mit großer Leidenschaft.