Elizabeth C. Bunce: „Mord im Handgepäck“

Mädchendetektivinnen auf der Überholspur

06:26 Minuten
Das Buchcover von Elizabeth C. Bunces Krimi zeigt auf schwarzem Grund die weiße Silhouette eines Mädchens mit einer Lupe in der Hand. Auf ihrem Kleid ist ein stilsierter Zug mit Dampflok zu sehen.
© Knesebeck Verlag

Elizabeth C. Bunce

Übersetzt von Nadine Mannchen

Mord im Handgepäck. Ein Myrtle Hardcastle KrimiKnesebeck, München 2022

320 Seiten

16,00 Euro

Von Kim Kindermann |
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Sie sind jung, sie kommen aus besseren Familien, und sie sind schlau: Mädchendetektivinnen erobern das Jugendbuch. Myrtle Hardcastle ist eine von ihnen. Und auch sie lässt Detektive wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot mächtig alt aussehen.
Myrtle Hardcastle: zwölf Jahre alt. Halbwaise. Tochter eines Staatsanwalts. Wohnhaft in der fiktiven englischen Kleinstadt Swineburne. Eng verbunden mit ihrer Gouvernanten Miss Judson. Katzenliebhaberin. Und mit einer großen Leidenschaft für Kriminalfälle, Tatortanalyse und Totenschau.
Kein normales Mädchen also, schon gar nicht für die Zeit, in der ihre Geschichte spielt: 1893 sollen junge Damen Tee trinken, stricken und eine angemessene Unterhaltung führen können. Anders Myrtle.

Gegen alle Regeln für das weibliche Geschlecht

Sie interessiert sich für die Gesetzbücher ihres Vaters, nutzt das Mikroskop ihrer verstorbenen Mutter, studiert zusammen mit dem Leichenbeschauer und Arzt der Stadt Toxikologie und ist in Sachen Biologie und Pflanzenkunde bewandert. Die frühreife Zwölfjährige fordert Mitsprache, setzt sich für Gerechtigkeit ein und begehrt gegen alle einengenden Erziehungsmethoden des Vaters auf.
Nachdem sie bereits den Mord an ihrer Nachbarin erfolgreich und gegen alle Widerstände gelöst hat, wird ihr ein Zwangsurlaub mit ihrer ungeliebten Tante Helena verordnet, auf dem sie sich der viktorianischen Regeln für ihr Geschlecht besinnen soll. Doch auch hier wird Myrtle wieder in ein Verbrechen verwickelt.

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Ein unbezahlbares Diadem wird gestohlen und eine Frau ermordet. Mrs. Bloom war Privatdetektivin und zum Schutz ebenjenes Diadems angeheuert. Jetzt ist sie tot, ermordet mit Tante Helenas Nähschere.
Für Myrtle gilt es also wieder mal, schlauer als die Polizei zu sein, die sich erneut durch Überheblichkeit und Ungeschick auszeichnet. Zum Glück hat Myrtle in ihrer Gouvernante eine bereitwillige Helferin wie auch in ihrer schlauen Katze Peony. Letztere ist natürlich kein gewöhnliches Haustier, sondern verfügt über fast schon übersinnliche Fähigkeiten.

In bester Agatha Christie-Tradition

Elizabeth C. Bunce hat eine wunderbare Kriminalgeschichte geschrieben, spannend, mit einem tollen Plot, klugen Verstrickungen und starken, wenn auch mitunter klischeehaften Charakteren.
In bester Agatha-Christie-Tradition, also nicht zu blutig und zu brutal, folgt man der jungen Ermittlerin jetzt schon in zwei Bänden auf ihrer Suche nach den Verbrechern und geht zugleich auf Zeitreise in Sachen Gleichberechtigung. Und das ist äußerst geschickt gemacht von der Autorin. Denn schnell wird klar: Junge Frauen mussten viel ertragen, bevor sie wirklich selbstbestimmt leben konnten.
So eckt Myrtle zwar immer wieder an mit ihrem Traum von einer Karriere als Detektivin, doch gleichzeitig pflegt sie selbst die für damalige Zeiten typischen Vorstellungen von Eheglück: Nichts wäre ihr lieber, als würde sich ihr Vater in Miss Judson verlieben.
Es ist also ein weiter Weg, den Myrtle noch vor sich hat. Doch ihr Beispiel zeigt: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Sie löst natürlich nicht nur den Fall, sondern beweist ihrer Umgebung einmal mehr: Es braucht Mut und Geschick, sich für seine Träume einzusetzen.

Die US-amerikanische Autorin steht nicht allein

Mit ihrer sympathischen Ermittlerin steht die US-amerikanische Autorin nicht allein: Das Ermittlerinnenduo Wells & Wong von Robin Stevens oder die Enola-Holmes-Krimis von Nancy Springer erzählen ähnliche Geschichten. Auch in ihnen sind es junge, schlaue Frauen aus besseren Familien, die gegen die Konventionen ihrer Zeit angehen, die anderes erleben wollen und dabei Detektiven wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot in nichts nachstehen.
Myrtle & Co sind vielmehr junge Pendants zu Miss Marple, jener scharfsinnigen Amateurdetektivin, die 1930 die literarische Bühne betrat und die sich damals ebenfalls in bester Gesellschaft befand. Frauen gehörten schon in den Kriminalromanen der 1920er-Jahre zu äußerst beliebten Ermittlerinnen.
Elizabeth C. Bunce knüpft also an alte Tradition an – und das erfolgreich: Der dritte Band ihrer Reihe um die scharfsinnige Myrtle liegt im Amerikanischen schon vor.
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