Elke Schmitter: "Inneres Wetter"
C.H. Beck, 2021
202 Seiten, 22 Euro
Was Familien zusammenhält – und trennt
10:55 Minuten
Drei Geschwister um die 50 wollen den Geburtstag ihres Vaters feiern. Die Widrigkeiten ihres Lebens beschreibt Autorin Elke Schmitter in ihrem neuen Roman. Er legt das vielschichte Beziehungsgeflecht einer bürgerlichen Akademikerfamilie frei.
Eines Tages schlägt Bettina ihren beiden Geschwistern einen Überraschungsbesuch bei ihrem verwitweten Vater vor, der bald seinen 77. Geburtstag feiert. In den Monaten bis zu dem Fest verdichten sich die Spannungen im Leben der Kinder, die inzwischen alle um die 50 sind. Doch schließlich reisen sie mit ihren Partnern oder dem Hund – und mit einigen Selbstzweifeln – ins beschauliche Westfalen.
Was hält Familien zusammen? Woran bemisst sich ein gelungenes Leben? Ähnlich wie in "Der Brand" von Daniela Krien, nur im westdeutschen Milieu angesiedelt, erzählt Elke Schmitter in "Inneres Wetter" von Familien- und Beziehungsbanden als vielschichtigem Gewebe.
Denn Menschen, als soziale Wesen, "spinnen ja unaufhörlich Bedeutungsfäden" und "sind auf der Suche nach Sinnhaftigkeit", erläutert die Autorin.
Interessante Wortschöpfungen
Der Titel passe gut dazu: Wetter sei zwar, anders als Klima, etwas Kurzfristiges - "aber man muss damit umgehen". Und wie auch schon in ihren anderen Romanen findet Schmitter wieder interessante Wortschöpfungen und Bilder, um ihre Protagonisten zu beschreiben: Da gibt es den "fischbeinigen" Sebastian, und an einer Stelle schreibt Schmitter: "Er saß da wie mit eingezogenem Herzen".
Mit solchen Formulierungen, sagt Schmitter, wolle sie die Leser dazu animieren, ihre eigenen Assoziationen zu den Figuren zu entwickeln. Überhaupt, die Figuren, deren Geschichen erzählt werden, fünf an der Zahl: drei Geschwister sowie Schwager und Schwägerin. Letztere aus Kroatien, auf die das kühl-temperamentlose Gebaren ihrer angeheirateten deutschen Familie zuweilen befremdlich wirkt.
Akademikerfamilie mit Vergangenheit
Diese bürgerliche Akademikerfamilie, in der sich drei "alternde Kinder" um einen noch ziemlich vitalen Vater gruppieren, habe eine "Geschichte von Vertreibung und Entwurzelung" im Rücken, aber "keine Tradition. Das sind nicht die Buddenbrooks", sagt Schmitter.
Und: Eine zentrale Hauptfigur gebe es nicht – jeder Leser und jede Leserin könne sich in dem Figurenensemble eine eigene Identifikationsfigur suchen.
(mkn)