Ellen Blumenstein

Kuratorin eines ganzen Stadtviertels

34:37 Minuten
Eine Frau mit kurzen blonden Haaren blickt frontal und lächelnd in die Kamera.
Die Autorin und Kuratorin Ellen Blumenstein © Jork Weismann
Moderation: Ulrike Timm |
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Ellen Blumenstein hat sich als Ausstellungsmacherin einen Namen gemacht. Ihr Ziel: Möglichst vielen Menschen Kultur als Erlebnis vermitteln. Als Kuratorin eines ganzen Stadtviertels, der Hamburger HafenCity, betrat sie vor einem Jahr Neuland.
Ausgefallene Architektur, Restaurants, Shopping-Möglichkeiten und als kultureller Leuchtturm die Elbphilharmonie – so zeigt sich derzeit das ehemalige Hamburger Hafengelände. Weil das Neubauviertel aus dem Boden gestampft wurde, wirkt es zur Zeit noch eher unbelebt. Ellen Blumenstein soll diesen Zustand nun beenden. Mit Kultur.
Ihr Arbeitsplatz könnte schöner nicht sein: gelegen auf der "MS Seute Deern" am Traditionsschiffshafen, in Blickweite der Elbphilharmonie. Ihr Traum: "Möglichst viele Menschen dafür zu interessieren, was für ein tolles Erlebnis Kultur sein kann, und wie sehr Kultur einem ans Herz gehen kann." Und dies möglichst offen mit vielen Ausdrucksformen und Formaten.
Blick auf Gebäude der Hamburger Hafencity entlang des Dalmannkais
Blick auf Gebäude der Hamburger Hafencity entlang des Dalmannkais© dpa
Sie will dabei besonders auch Menschen erreichen, die nicht kunstaffin sind und interessante Akteure miteinander vernetzen. Die ersten Veranstaltungen sind für den November geplant. Eines der Kunstwerke wird ein überdimensionierter Smiley aus Stahl sein. Er wird auf der Kibbelstegbrücke in der Speicherstadt aufgestellt und soll nicht nur in unterschiedlichen Farben leuchten. Dank einer Erkennungssoftware und eines eingebauten Motors kann er seine Mimik ändern, also lächeln oder betrübt sein – je nachdem, wie ihm die Passanten begegnen.

Aus Zufall ins "PS 1" nach New York

Ellen Blumenstein, Jahrgang 1976, ist in Witzenhausen bei Kassel geboren, im "Märchenland der Brüder Grimm". "Man hat immer, wenn man 20 bis 30 ist, das Gefühl, das war alles ganz schlimm, und man war irgendwie Hinterwäldler usw. Aber mit ein bisschen Abstand war es eine ganz tolle Kindheit und eine super Ort, um aufzuwachsen."
Mit 18 Jahren wollte sie raus, unbedingt nach Hamburg. Sie studierte Literatur-, Kommunikations- und Musikwissenschaften. Zur zeitgenössischen Kunst kam sie eher aus Zufall: Ihr Vater, der als Architekt den Kulturbahnhof in Kassel entworfen hatte, machte sie 1997 auf ein Praktikum bei der "Documenta" aufmerksam. Zunächst konnte sie damit wenig anfangen: "Documenta – was soll mir das sagen? Das hat mit mir nichts zu tun. Aber, da mir nichts Besseres eingefallen ist, habe ich mich dort beworben und den Job bekommen. Und ich war total geflasht!"
Ein weiterer Zufall bestimmte ihren Weg: Nach dem Studium wollte sie ein Praktikum im Ausland machen. Warum nicht in New York? Sie meldete sich beim Arbeitsamt und bekam einen Platz im "PS 1" vermittelt. "Die haben halt Leute für umsonst arbeiten gesucht, wie das in der zeitgenössischen Kunst üblich ist. Und dann haben sie mich da hingeschickt. Ich hatte keine Ahnung, wo ich da hingehe und war mittendrin im Zentrum der zeitgenössischen Kunst in New York gelandet." Und wieder hatte sie Glück: Sie avancierte zur Assistentin des Chefs Klaus Biesenbach und knüpfte internationale Kontakte. Ihr Aufstieg begann.
Zwei Besucherinnen in der Austellung "Into Me / Out of Me" im "Kunst-Werke - KW Institute for Contemporary Art"
Zwei Besucherinnen in der Austellung "Into Me / Out of Me" im "Kunst-Werke - KW Institute for Contemporary Art"© dpa

Kunst als Ort der Sinnsuche

2012 bis 2016 leitete sie das Programm der "Kunst-Werke Berlin KW Institute for Contemporary Art". "Idealerweise möchte ich Projekte machen, die ein bisschen langlebiger wirken und dadurch ein bisschen weiterreichende Folgen im Kopf nach sich ziehen können."
Beispiel: Die Ausstellung "Das Haus der Sinnsuche", die Ellen Blumenstein in diesem Jahr kuratiert hat, und in der die Besucherinnen und Besucher mit existenziellen Fragen konfrontiert wurden. "Das ist für mich immer noch ein sehr schönes Bild dafür, was Kultur und Kunst vielleicht leisten kann. Weil wir wissen: Im Alltag hat man die Zeit und den Raum nicht, darüber nachzudenken, was das eigentlich soll, als Mensch auf der Welt zu sein und was man mit seinem Leben anfangen möchte. Und ich glaube, dass Kultur und auch Kunst ein Ort sein kann, wo man sich auf ganz unterschiedliche Arten mit dieser Frage beschäftigen kann. Und ich glaube, das geht sowohl in der Auseinandersetzung mit sich selbst, aber auch damit, was es denn heißt, einfach mit ganz vielen Menschen in einer Gesellschaft zu leben."
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