Ellen Page über Homosexualität in Hollywood

"Es müssten sich mehr Leute outen"

Die kanadische Schauspielerin Ellen Page steht vor einem Fobei einer Präsentation des Films "Freeheld", der am 7.4.2016 in die deutschen Kinos kommt.
Die kanadische Schauspielerin Ellen Page bei einer Präsentation des Films "Freeheld", der am 7. April 2016 in die deutschen Kinos kommt. © Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Von Anna Wollner |
Vor rund zwei Jahren hat sich die kanadische Schauspielerin Ellen Page als lesbisch geoutet - ein Schritt, der in Hollywood sehr selten ist. Mit "Freeheld: Jede Liebe ist gleich" hat Page nun einen Film produziert, der sie selbst unmittelbar betrifft.
Klein ist sie, gerade mal 1,55 Meter. Klein, ein wenig müde vom Jetlag und vollkommen auf dem Boden geblieben: statt in Abendgarderobe, wie viele ihrer Kolleginnen Interviews geben, trägt sie Jeans, ausgetretene Stiefel und Bluse, sitzt im Schneidersitz auf einem Stuhl und schiebt sich immer wieder eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Page als "Sprachrohr" der LGBT-Gemeinde

Eigentlich ist sie in Berlin um über den Film "Freeheld" zu sprechen, aber wenn Ellen Page etwas sagt, schwingt immer mehr mit. Seit ihrem bewegenden Outing im Februar 2014 ist sie zu einer Art Sprachrohr der schwul-lesbisch-bisexuell-transsexuellen-Gemeinde geworden. Eine Rolle, die sie gerne spielt.
"Ich muss es wohl gar nicht extra erwähnen, dass es in fast jedem Interview um meine Sexualität geht. Für mich ist das OK, ich rede lieber den ganzen Tag über meine Homosexualität, als dass ich mich und meine Sexualität wieder verstecken müsste. Ich hoffe aber, dass wir bald nicht mehr so viel Wert darauf legen müssen. Wir sind eben noch lange nicht gleichberechtigt. In Amerika kann man immer noch seinen Job verlieren oder eine Wohnung verweigert bekommen wenn man eine LGBT-Person ist. In 31 Staaten. Wir sind von echter Gleichberechtigung also noch weit entfernt. Irgendwann werden wir so weit sein. Dann müssen Schauspieler keine Coming-Out-Reden mehr halten, sondern können einfach mit ihrem Partner über den roten Teppich gehen."
Diesen Traum hat sie sich vor zwei Jahren selbst erfüllt hat. Kein leichter Schritt in einer männerdominierten Welt, die den Ruf hat, zwar liberal aber auch homophob zu sein.

"Angst, ein Coming-Out schade der Filmkarriere"

Geoutete Schauspieler, wie Ellen Page, Jodie Foster oder Zachary Quinto gibt es wenige. Aus einem ganz einfachen Grund.
"Es gibt in Hollywood diese fixe Idee, dass nach dem Coming-Out deine Karriere zwar nicht vorbei ist, aber zumindest großen Schaden nimmt. Leider hält sich dieses Gerücht. Obwohl es alt, überholt und lächerlich ist. Einer dieser von Hollywood geschürten Mythen von Diskriminierung. Mehr Leute müssten sich outen. Nicht nur damit sie sichtbare Menschen der Gemeinschaft werden, sondern vor allem weil der Schritt für sie selbst so wichtig ist. Jeder aus der Community weiß ja, wie es sich anfühlt, das Coming Out noch vor sich zu haben und nicht so leben zu können, wie man es eigentlich gerne würde."
Nach ihrem eigenen Coming Out sei sie ein vollkommen neuer Mensch gewesen und beschreibt das Davor und das Danach wie Tag und Nacht. Mit dem neuen Lebensgefühl sei sie aber auch mit neuen Problemen konfrontiert worden:
"Heute stehe ich zu meiner Freundin, wir laufen händchenhaltend durch die Straßen. Das ist für mich neu. Aber auch das Gefühl schlecht behandelt zu werden, nur weil ich lesbisch bin. Ich bin da noch in einer bevorzugten Situation. Ich kann es mir leisten in Los Angeles zu leben. Ich bin eine privilegierte Person und ich bin auch eine privilegierte homosexuelle Person. Ob ich immer noch mit Bullshit konfrontiert werde? Natürlich. Ob ich mich mit solchem Bullshit rumschlagen muss wie farbige Trans-Frauen, die eine Lebenserwartung von 35 Jahren haben? Nein."
Page weiß um ihre Stellung in der Community, legt nicht nur wert auf Filme mit LGBT-Themen – wie eben "Freeheld", sondern macht zusammen mit ihrem besten Freund Ian Daniel eine Doku-Serie für den amerikanischen Sender Viceland.

Nicht nur Schauspielerin – sondern auch Aktivistin

"Gaycation" heißt das Format, für das Page und Daniel um die Welt fliegen und das Leben nicht-heterosexueller Menschen porträtieren.
Es ist ein Perspektivwechsel. Ellen Page wird so von der Schauspielerin zur Aktivistin.
"Es fühlt sich nicht gekünstelt, sondern sehr natürlich an. Ich stell mich ja nicht hin, verschränke die Arme und sage "Hey, ich bin jetzt auch Aktivistin". Wir waren in Japan, Brasilien, Jamaika und den USA. Jede Folge hat ein politisches Element, aber das liegt in der Natur der Sache. Weil einfach überall die Leute unterdrückt werden. Unterschiedlich stark. Also haben sie vermutlich Recht und ich bin eine Aktivistin. Aber nicht mit Absicht."
Selbst wenn – Ellen Page ist für viele junge Frauen ein Vorbild geworden. Es gäbe sicherlich schlimmere Vorbilder als diese junge Frau.
"Ich selbst sehe mich gar nicht so. Ich bin einfach glücklich, da zu sein wo ich bin und die Unterstützung zu bekommen, die ich bekomme. Dass ich selbst sein kann. Dass ich glücklich sein kann. Wenn es irgendjemandem hilft, dass ich ein Mitglied der LGBT-Community bin, würde mir das enorm viel bedeuten."
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