Eltern am Rande des Nervenzusammenbruchs
In "Eltern" hat Franz Wittenbrink vier Paare versammelt, die durch ihren Nachwuchs an die Grenzen der Selbstverwirklichung stoßen. Das Stück hat das Zeug, dem Hamburger Schauspielhaus zu einem kleinen Aufschwung zu verhelfen.
Marke und Methode Wittenbrink gehen inzwischen ins 20. Jahr, und nach wie vor kann sich praktisch jede Bühne des Erfolges an der Kasse sicher sein, wenn der gebürtige Bentheimer, Ex-Domspatz und K-Grüppler, wieder einmal tief hinabsteigt in den musikalischen Zettelkasten, um einen seiner "musikalischen Abende" zu sortieren. Zu einem mehr oder minder aktuell-globalen Thema, manchmal auch zu bestimmten Stimmungen, die in der Luft liegen, sucht er dann Lieder aus, Songs aus Pop und Rock, Schlager, Chanson und Volksmusik, um sie möglichst beziehungsvoll hintereinanderzuhängen und bestenfalls so miteinander zu verzahnen, dass so etwas wie eine "Geschichte" entsteht, eine Fabel aus Musik.
Die ersten richtig großen Erfolge feierte Franz Wittenbrink vor bald zwei Jahrzehnten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, als dort die Intendanz von Frank Baumbauer begann; seither gab es immer mal wieder "einen Wittenbrink" in Düsseldorf und Wien, München und Hannover, Dresden und Berlin; oft bis zu drei Stück pro Spielzeit. Kaum ein großes Haus, das den klugen Strategen am Klavier nicht einlud – und mit der Zeit traten (und treten) sogar Kopisten der Methode auf den Plan. Erst begann der Pianist Erik Gedeon mit ähnlich "musikalischen Abenden" zu reüssieren, dann auch noch Dietmar Löffler: Wittenbrinks sells, auch in Variationen.
Zuletzt war Wittenbrink wieder öfter in Hamburg zu Gast, meist mit eher kleinen Produktionen am kuscheligen Sankt-Pauli-Theater auf der schicken Reeperbahn – nun soll er auch im gebeutelten großen Schauspielhaus wieder für den rollenden Rubel sorgen. Das wird schon – und doch steht Wittenbrinks Bastelmethode zunehmend in der Gefahr, sich zu verbrauchen. "Eltern", so der Titel der neuen Kreation, hat womöglich das Zeug zum kleinen Aufschwung für das Schauspielhaus; der Künstler Wittenbrink kommt einmal mehr nicht richtig voran.
Das liegt weniger am musikalischen Material; und auch gar nicht an der Notwendigkeit, diesmal ziemlich viele Originale ins Deutsche umtexten zu müssen. Das besorgt meist die singende Schauspielerin Anne Weber, und deren Fantasie funkelt zuweilen beträchtlich. "Männer" und "Mütter", frühere Liederabende, haben obendrein ein paar Spuren gelegt für die Verbindung beider zu den neuen "Eltern". Vier Paare hat Wittenbrink in einer Art Schulklasse versammelt, die durch den geplanten (oder ungeplanten) Zuwachs zur Zweisamkeit an die Grenzen der eigenen Selbstverwirklichung stoßen; und an die Ränder des Nervenzusammenbruchs. Das schrille Mädel und der toughe Boy haben es ja nicht gewollt, nun ist es aber da – das ist kein Glück für's Punk-und-Rapper-Paar. Der Zahnarzt samt Praxishelferin, beide immer am Wochenende als Alt-Hippies verkleidet auf schwerem Motorrad, waren eigentlich eher spät dran mit dem Nachwuchs; sie werden sich im Laufe des Abends darüber trennen. Ein Öko-Pärchen überschätzt sich chronisch selbst mit viel zu hohen Ansprüchen an die Umgebung – auch sie werden auseinander gehen. Das feinere Paar aus besserer Gegend schließlich meint, vor allem eine Erfolgsgeschichte gezeugt zu haben ...
Wittenbrink lässt sich nicht ernstlich ein auf aktuelle Erziehungsdebatten á la China; so ernst wird seine Methode nie. Seine Liebe gilt dem Detail - etwa bei der Geschichte des hyperaktiven Erfolgskindes, die er über Chatschaturjans "Säbeltanz" legt. Er folgt mehr oder minder konzentriert den Verstörungen der Paare, in der Auseinandersetzung um das Kind nach innen wie nach außen – etwa mit der Lehrerin und/oder Sexualberaterin. Bei der Auswahl der Themen geht Wittenbrink allerdings etwa so beliebig vor wie das Leben selber.
Es wird teils gut, teils prächtig gesungen; einige Musical-Talente stoßen stets mit speziellem Stimm-Profil zum Wittenbrink. Aber auch die Schauspielhäusler können sich unbedingt hören lassen. Problematisch war und bleibt stets Wittenbrinks Rolle als sein eigener Regisseur – er hat's nicht wirklich gern, wenn "gelernte" Regisseure, gar Regie-Routiniers sich seiner Produktionen annehmen – dabei gewinnen die dann meistens eher an Profil. "Eltern" bleibt unter Wittenbrinks eigener Fuchtel eher statisch, bewegt sich nicht, feiert nur routiniert Song um Song ab auf Raimund Bauers Klassenzimmerbühne mit drei variabel verschiebbaren Schultafeln. Und nach knapp zwei Stunden enden die Eltern schwer vergreist im Seniorenstift, vergessen und verlassen von den Kindern; und sie sinsingen dort (mit Friedrich Hollaender und Walter Mehring) von der Sehnsucht nach dem ewigen "Baby".
Das ist ein schöner Schluss. Er versöhnt mit einiger Langeweile zuvor. Und gibt womöglich das Thema vor für den nächsten musikalischen Abend: "Altenheim".
"Eltern" am Schauspielhaus Hamburg
Die ersten richtig großen Erfolge feierte Franz Wittenbrink vor bald zwei Jahrzehnten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, als dort die Intendanz von Frank Baumbauer begann; seither gab es immer mal wieder "einen Wittenbrink" in Düsseldorf und Wien, München und Hannover, Dresden und Berlin; oft bis zu drei Stück pro Spielzeit. Kaum ein großes Haus, das den klugen Strategen am Klavier nicht einlud – und mit der Zeit traten (und treten) sogar Kopisten der Methode auf den Plan. Erst begann der Pianist Erik Gedeon mit ähnlich "musikalischen Abenden" zu reüssieren, dann auch noch Dietmar Löffler: Wittenbrinks sells, auch in Variationen.
Zuletzt war Wittenbrink wieder öfter in Hamburg zu Gast, meist mit eher kleinen Produktionen am kuscheligen Sankt-Pauli-Theater auf der schicken Reeperbahn – nun soll er auch im gebeutelten großen Schauspielhaus wieder für den rollenden Rubel sorgen. Das wird schon – und doch steht Wittenbrinks Bastelmethode zunehmend in der Gefahr, sich zu verbrauchen. "Eltern", so der Titel der neuen Kreation, hat womöglich das Zeug zum kleinen Aufschwung für das Schauspielhaus; der Künstler Wittenbrink kommt einmal mehr nicht richtig voran.
Das liegt weniger am musikalischen Material; und auch gar nicht an der Notwendigkeit, diesmal ziemlich viele Originale ins Deutsche umtexten zu müssen. Das besorgt meist die singende Schauspielerin Anne Weber, und deren Fantasie funkelt zuweilen beträchtlich. "Männer" und "Mütter", frühere Liederabende, haben obendrein ein paar Spuren gelegt für die Verbindung beider zu den neuen "Eltern". Vier Paare hat Wittenbrink in einer Art Schulklasse versammelt, die durch den geplanten (oder ungeplanten) Zuwachs zur Zweisamkeit an die Grenzen der eigenen Selbstverwirklichung stoßen; und an die Ränder des Nervenzusammenbruchs. Das schrille Mädel und der toughe Boy haben es ja nicht gewollt, nun ist es aber da – das ist kein Glück für's Punk-und-Rapper-Paar. Der Zahnarzt samt Praxishelferin, beide immer am Wochenende als Alt-Hippies verkleidet auf schwerem Motorrad, waren eigentlich eher spät dran mit dem Nachwuchs; sie werden sich im Laufe des Abends darüber trennen. Ein Öko-Pärchen überschätzt sich chronisch selbst mit viel zu hohen Ansprüchen an die Umgebung – auch sie werden auseinander gehen. Das feinere Paar aus besserer Gegend schließlich meint, vor allem eine Erfolgsgeschichte gezeugt zu haben ...
Wittenbrink lässt sich nicht ernstlich ein auf aktuelle Erziehungsdebatten á la China; so ernst wird seine Methode nie. Seine Liebe gilt dem Detail - etwa bei der Geschichte des hyperaktiven Erfolgskindes, die er über Chatschaturjans "Säbeltanz" legt. Er folgt mehr oder minder konzentriert den Verstörungen der Paare, in der Auseinandersetzung um das Kind nach innen wie nach außen – etwa mit der Lehrerin und/oder Sexualberaterin. Bei der Auswahl der Themen geht Wittenbrink allerdings etwa so beliebig vor wie das Leben selber.
Es wird teils gut, teils prächtig gesungen; einige Musical-Talente stoßen stets mit speziellem Stimm-Profil zum Wittenbrink. Aber auch die Schauspielhäusler können sich unbedingt hören lassen. Problematisch war und bleibt stets Wittenbrinks Rolle als sein eigener Regisseur – er hat's nicht wirklich gern, wenn "gelernte" Regisseure, gar Regie-Routiniers sich seiner Produktionen annehmen – dabei gewinnen die dann meistens eher an Profil. "Eltern" bleibt unter Wittenbrinks eigener Fuchtel eher statisch, bewegt sich nicht, feiert nur routiniert Song um Song ab auf Raimund Bauers Klassenzimmerbühne mit drei variabel verschiebbaren Schultafeln. Und nach knapp zwei Stunden enden die Eltern schwer vergreist im Seniorenstift, vergessen und verlassen von den Kindern; und sie sinsingen dort (mit Friedrich Hollaender und Walter Mehring) von der Sehnsucht nach dem ewigen "Baby".
Das ist ein schöner Schluss. Er versöhnt mit einiger Langeweile zuvor. Und gibt womöglich das Thema vor für den nächsten musikalischen Abend: "Altenheim".
"Eltern" am Schauspielhaus Hamburg