Eltern spenden Lunge für das eigene Kind
Das gab es in Deutschland noch nie: An der Medizinischen Hochschule Hannover wurden erstmals Teile einer Lunge von zwei lebenden Spendern auf einen Empfänger übertragen. Der Empfänger war ein elfjähriger Junge mit Mukoviszidose - die Spender die eigenen Eltern.
Einige Wochen schon wurde der Elfjährige nur noch künstlich beatmet. Dann, im Juli dieses Jahres, hätte der an Mukoviszidose erkrankte Junge die nächste Woche nicht mehr überlebt, sagt Prof. Axel Haverich. Und Eurotransplant hatte immer noch keine geeignete Spenderlunge. Als der Transplantationschirurg die Eltern fragte, ob nicht vielleicht sie ihrem todkranken Kind einen Teil ihrer Lunge spenden würden, zögerten sie nicht eine Sekunde.
"Der Aufwand ist erheblich. Es sind drei Operationen, um einem Menschen zu helfen. Und man operiert zunächst entweder den Vater oder die Mutter, nimmt einen Teil der Lunge heraus, transplantiert diesen Lungenlappen beim Kind und direkt im Anschluss, praktisch mit drei gleichzeitigen Narkosen – drei gleichzeitigen Eingriffen – wird bei dem anderen Elternteil ein Teil der Lunge entfernt und dann im Anschluss transplantiert. Zwischendrin sind dann der Vater und die Mutter schon auf der Intensivstation, während der kleine Patient nach Verschluss des Brustkorbs zwei Stunden später dann auch auf die Intensivstation geht."
Für den Leiter der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie war die Lungenlebendtransplantation ein erheblicher, logistischer Aufwand: 20 Mediziner aus verschiedenen Disziplinen – Chirurgen, Pneumologen, Pädiater, Anästhesisten – sie alle waren zeitgleich mit Vater, Mutter und Sohn beschäftigt. Für Klinikleiter Axel Haverich eine logistische Herausforderung.
"Es muss vieles zusammenkommen. Es muss zusammenkommen, dass man eine interdisziplinäre Mannschaft hat, die extrem gut vorbereitet ist auf diesen Eingriff. Das alles hat mehrere Jahre gebraucht, bis wir uns hier so vorbereitet hatten, dass wir es machen wollten, und dann kam die Situation, dass diese Familie besonders gut geeignet war, und wir aber auch in der nötigen Drucksituation waren – völlige Ausweglosigkeit an der künstlichen Beatmung – dass wirklich keine Alternative mehr da war."
Die Lunge eines Menschen besteht aus zwei Lungenflügeln. Mehrere Einschnitte teilen die Lungenflügel in sogenannte "Lungenlappen". Fünf solcher Lappen sind es insgesamt. Auf der linken Seite mit dem Herzen zwei, auf dem rechten Lungenflügel drei Lappen. Beiden Eltern wurde jeweils ein Lappen entfernt – genauer gesagt der rechte Unterlappen - und nach Entnahme der kompletten kranken Lunge beim Kind eingesetzt.
"Die Befestigung geht per Naht. Und die Naht ist im Prinzip dieselbe als hätten wir ein größengleiches Spenderorgan von einem Verstorbenen bekommen. Man muss den Bronchus links und rechts befestigen, die Lungenvenen und die Lungenschlagadern auf beiden Seiten."
Das bedeutet, der Junge atmet heute mit den Lungen seiner Eltern. Da Vater und Mutter doppelt so große Atmungsorgane haben, füllen ihre Lungenlappen den Brustraum des Kindes vollkommen aus. Die Eltern haben – rein rechnerisch betrachtet – nur noch eineinhalb Lungenflügel. Es war zwar die erste Transplantation dieser Art in Deutschland – doch nicht die erste weltweit.
"Angefangen hat eine befreundete Chirurgenmannschaft in Los Angeles, die insgesamt 50 solcher Transplantationen allerdings über einen Zeitraum von fast 20 Jahren gemacht haben, und die jetzt sehr wenig aktiv sind, weil sich die Organspendesituation in den USA deutlich verbessert hat. Die Spendesituation in Japan ist deutlich schlechter, und deswegen gibt es dort noch ein sehr aktives Programm. Und dort sind wie in den USA die Ergebnisse bei Lungenlebendtransplantationen besser als bei der Transplantation von Lungen von Verstorbenen."
Eine krankhafte Schleimabsonderung, wie bei der Mukoviszidose üblich, ist nun nicht mehr zu befürchten, denn die elterlichen Lungen haben keinen genetischen Defekt. Wie alle Organempfänger muss der Sohn zeitlebens sogenannte "Immunsuppressiva" einnehmen, damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird. Weil es sich bei den Spendern um genetisch nahe Verwandte handelt, kann die Dosis aber mit der Zeit gesenkt werden.
"Die Ausgangssituation ist für den Empfänger eigentlich besser: Dass wir den Eingriff so planen können. Wir sind nicht an die zeitliche Vorgabe eines Organspenders gebunden. Die Qualität der Organe liegt in unserer Hand allein. Und wir haben es nicht mit einem Hirntoten als Organspender zu tun, der im Zweifelsfall schon zehn Tage beatmet auf der Intensivstation liegt, der vielleicht eine Lungenverletzung hatte. Auf der anderen Seite hat man das Risiko, dass man drei schwere Operationen in einer Familie durchführen muss, um einem zu helfen. Und das ist ethisch und auch von der medizinisch, chirurgischen Verantwortung nicht zu unterschätzen."
Der Familie aus dem Ruhrgebiet geht es gut. Der Junge, der noch sieben Tage nach dem Eingriff nicht mal den Arm im Bett heben konnte, fährt heute – zwei Monate später - mit dem Fahrrad durch die Gegend. Auch die Eltern kommen gut zurecht. Die Lungenlebendspende ist ohne Zweifel spektakulär: Für die beteiligten Mediziner, besonders aber für die fast schon heldenhafte Familie. Standard in der Transplantationsmedizin soll das Verfahren allerdings nicht werden. Nur dann, wenn es keine andere Wahl gibt.
"Der Aufwand ist erheblich. Es sind drei Operationen, um einem Menschen zu helfen. Und man operiert zunächst entweder den Vater oder die Mutter, nimmt einen Teil der Lunge heraus, transplantiert diesen Lungenlappen beim Kind und direkt im Anschluss, praktisch mit drei gleichzeitigen Narkosen – drei gleichzeitigen Eingriffen – wird bei dem anderen Elternteil ein Teil der Lunge entfernt und dann im Anschluss transplantiert. Zwischendrin sind dann der Vater und die Mutter schon auf der Intensivstation, während der kleine Patient nach Verschluss des Brustkorbs zwei Stunden später dann auch auf die Intensivstation geht."
Für den Leiter der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie war die Lungenlebendtransplantation ein erheblicher, logistischer Aufwand: 20 Mediziner aus verschiedenen Disziplinen – Chirurgen, Pneumologen, Pädiater, Anästhesisten – sie alle waren zeitgleich mit Vater, Mutter und Sohn beschäftigt. Für Klinikleiter Axel Haverich eine logistische Herausforderung.
"Es muss vieles zusammenkommen. Es muss zusammenkommen, dass man eine interdisziplinäre Mannschaft hat, die extrem gut vorbereitet ist auf diesen Eingriff. Das alles hat mehrere Jahre gebraucht, bis wir uns hier so vorbereitet hatten, dass wir es machen wollten, und dann kam die Situation, dass diese Familie besonders gut geeignet war, und wir aber auch in der nötigen Drucksituation waren – völlige Ausweglosigkeit an der künstlichen Beatmung – dass wirklich keine Alternative mehr da war."
Die Lunge eines Menschen besteht aus zwei Lungenflügeln. Mehrere Einschnitte teilen die Lungenflügel in sogenannte "Lungenlappen". Fünf solcher Lappen sind es insgesamt. Auf der linken Seite mit dem Herzen zwei, auf dem rechten Lungenflügel drei Lappen. Beiden Eltern wurde jeweils ein Lappen entfernt – genauer gesagt der rechte Unterlappen - und nach Entnahme der kompletten kranken Lunge beim Kind eingesetzt.
"Die Befestigung geht per Naht. Und die Naht ist im Prinzip dieselbe als hätten wir ein größengleiches Spenderorgan von einem Verstorbenen bekommen. Man muss den Bronchus links und rechts befestigen, die Lungenvenen und die Lungenschlagadern auf beiden Seiten."
Das bedeutet, der Junge atmet heute mit den Lungen seiner Eltern. Da Vater und Mutter doppelt so große Atmungsorgane haben, füllen ihre Lungenlappen den Brustraum des Kindes vollkommen aus. Die Eltern haben – rein rechnerisch betrachtet – nur noch eineinhalb Lungenflügel. Es war zwar die erste Transplantation dieser Art in Deutschland – doch nicht die erste weltweit.
"Angefangen hat eine befreundete Chirurgenmannschaft in Los Angeles, die insgesamt 50 solcher Transplantationen allerdings über einen Zeitraum von fast 20 Jahren gemacht haben, und die jetzt sehr wenig aktiv sind, weil sich die Organspendesituation in den USA deutlich verbessert hat. Die Spendesituation in Japan ist deutlich schlechter, und deswegen gibt es dort noch ein sehr aktives Programm. Und dort sind wie in den USA die Ergebnisse bei Lungenlebendtransplantationen besser als bei der Transplantation von Lungen von Verstorbenen."
Eine krankhafte Schleimabsonderung, wie bei der Mukoviszidose üblich, ist nun nicht mehr zu befürchten, denn die elterlichen Lungen haben keinen genetischen Defekt. Wie alle Organempfänger muss der Sohn zeitlebens sogenannte "Immunsuppressiva" einnehmen, damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird. Weil es sich bei den Spendern um genetisch nahe Verwandte handelt, kann die Dosis aber mit der Zeit gesenkt werden.
"Die Ausgangssituation ist für den Empfänger eigentlich besser: Dass wir den Eingriff so planen können. Wir sind nicht an die zeitliche Vorgabe eines Organspenders gebunden. Die Qualität der Organe liegt in unserer Hand allein. Und wir haben es nicht mit einem Hirntoten als Organspender zu tun, der im Zweifelsfall schon zehn Tage beatmet auf der Intensivstation liegt, der vielleicht eine Lungenverletzung hatte. Auf der anderen Seite hat man das Risiko, dass man drei schwere Operationen in einer Familie durchführen muss, um einem zu helfen. Und das ist ethisch und auch von der medizinisch, chirurgischen Verantwortung nicht zu unterschätzen."
Der Familie aus dem Ruhrgebiet geht es gut. Der Junge, der noch sieben Tage nach dem Eingriff nicht mal den Arm im Bett heben konnte, fährt heute – zwei Monate später - mit dem Fahrrad durch die Gegend. Auch die Eltern kommen gut zurecht. Die Lungenlebendspende ist ohne Zweifel spektakulär: Für die beteiligten Mediziner, besonders aber für die fast schon heldenhafte Familie. Standard in der Transplantationsmedizin soll das Verfahren allerdings nicht werden. Nur dann, wenn es keine andere Wahl gibt.