Frankreich, ich bin noch mal zurückgekommen
Die Halbfinalspiele wollte ich im Stadion sehen, und so habe ich mich zunächst auf den Weg nach Lyon gemacht. Dort hat Portugal 2:0 gegen Wales gewonnen und steht zum zweiten Mal nach 2004 im Endspiel.
Eins ist nach diesem Abend klar. Ich werde nie mehr das Stadion von Olympique Lyon besuchen. Denn wer sich diesen Schwachsinn ausdenkt und eine Fußballarena mehrere Kilometer von der Innenstadt mitten in die Walachei baut, ähnlich übrigens wie beim FC Bayern, hat es nicht verdient mein Geld zu bekommen. Aber der Reihe nach.
Am Dienstagabend bin ich zum zweiten Mal bei dieser Europameisterschaft nach Frankreich gefahren. Wieder mit dem Nachtzug, diesmal im Schlafwagen bis Basel. Umstieg in den TGV nach Dijon und dann noch mit einer Zuckelregionalbahn bis Lyon. Als ich dort gegen 15 Uhr ankomme, ist der Bahnhof restlos überfüllt. Vor allem mit Wales-Fans, von denen ich ein paar bereits im Zug kennengelernt habe. Viele sind nur für das Halbfinale rübergekommen. Einige mit dem Flugzeug, andere mit dem Schiff und auf dem Schienenweg. Meist nette Leute, nur leider haben es jene die ich getroffen habe nicht so genau genommen mit der Reinlichkeit. Schweiß und Alkohol bei 28 Grad. Keine netten Ausdünstungen. Ich habe es überstanden und bin schnell weg von den Massen, rein in ein Taxi, ab zum Hotel. Was mein Reisebüro nicht gut ausgesucht hat, denn es liegt genau am entgegengesetzten Ende vom Stadion. Egal.
Erst mal eine Kleinigkeit auf der Hotelterasse am Pool essen, dazu ein Glas Weißwein aus der Region. Das Ganze bei strahlendem Sonnenschein. Was will man mehr. Dann schnell unter die Dusche. Umgezogen, und los geht die Stadtrundfahrt mit der Métro und einem Bus. Nach mehr als einer Stunde und weiteren netten Gesprächen mit Walisern sind wir endlich am Ziel. Inmitten von Feldern ragt wie ein Raumschiff das gerade gelandet ist, der Parc Olympique Lyonnais heraus. Von außen sehr futuristisch. Innen einer von diesen unzähligen, zum Verwechseln ähnlichen, modernen Fußballtempeln. Mit so etwas werde ich nicht mehr warm, und so schieße ich ein paar Fotos beim Aufwärmen der Mannschaften. Was man bei dieser Euro auch nicht mit der nötigen Muße tun kann, denn aus den Lautsprechern wummern ununterbrochen die Bässe der UEFA-Festspielmusik. Niveauloser Disko Klingklang, den kein Mensch beim Fußball braucht. Aber das ist die schöne neue Welt, wo immer etwas passieren muss und alle mitwackeln, aber nur noch Wenige innehalten können. Doch auch das geht an mir vorbei, und so freue mich, als um kurz vor 21 Uhr mit den Nationalhymnen die Musik verstummt und der Ball rollt.
Was für eine grottige erste Hälfte
Von zwei schwachen Teams, ist Wales in den ersten 45 Minuten für mich etwas besser. Vieles läuft über Gareth Bale, der auch einige Schussmöglichkeiten hat. Diese sind allerdings zu harmlos, um das portugiesische Tor von Rui Patricio ernsthaft zu gefährden. Von seinen Vorderleuten kommt abgesehen von ein paar langen Bällen die Cristiano Ronaldo finden sollen, kaum etwas. Das ist einfallslos. Die Südeuropäer enttäuschen mich maßlos.
Kopfwäsche in der Kabine?
Ich bin nicht dabei gewesen, aber irgendetwas, womöglich nicht ganz so Freundliches muss Fernando Santos seinen Spielern in der Pause gesagt haben. Denn sie stürmen wie verwandelt auf und über das Spielfeld. Eine kurz ausgeführte Ecke flankt Guerreiro mit Effet an den Fünfmeterraum, und wer steht dort? Natürlich der Meister selbst. Ronaldo lässt sich nach einigen kleineren Versuchen in der ersten Hälfte nun nicht mehr bitten und köpft das 1:0 in der 49. Minute. Aber sein Hunger ist noch längst nicht gestillt. Nur vier Minuten später taucht er wieder am Strafraumeck auf, passt den Ball scharf nach innen, und dort fälscht Nani diesen bewusst gegen die Laufrichtung des walisischen Schlussmannes Wayne Hennessy ins Tor ab.
Ronaldo mit einem Freistoß, der nur ganz knapp über die Latte streicht, Nani und Joao Mario haben Möglichkeiten das Ergebnis in der 63. und 65. Minute zu erhöhen. Aber es bleibt beim 2:0. Denn von den Walisern kommt bis auf zwei Schüsse von Gareth Bale, die Patricio gut pariert, nichts mehr. So singen die Anhänger der Dragons gegen Ende und nach dem Abpfiff noch einmal inbrünstig ihr "Don´t Take Me Home", aber nach diesem Spiel heißt es wirklich Abschied nehmen und zurück auf die Insel. Und für mich geht es morgen Vormittag nach einem entspannten Frühstück weiter nach Marseille, wo dann am Abend entweder der Weltmeister oder der Gastgeber als Finalgegner von Portugal feststehen werden. Lassen wir uns überraschen und freuen uns auf eine hoffentlich qualitativ höherwertige Partie als das erste Halbfinale.