Mühsamer EM-Start - Burkhard Hupe berichtete in "Studio 9" über das 2:0 der DFB-Elf gegen die Ukraine Audio Player
Wackeldackel statt weltmeisterlich
Taktisches Geplänkel hatte die bisherigen EM-Spiele geprägt. Doch dann kamen die deutsche Mannschaft und die Ukraine und lieferten sich eine Partie mit zahlreichen Offensivmomenten. Mit dem besseren Ende für den Weltmeister, der durch Mustafi und Schweinsteiger 2:0 gewann.
Wer weiß was passiert wäre, wenn nicht Manuel Neuer mal wieder einen seiner Glanz-Abende erwischt hätte? Gleich mehrfach bewahrte er die deutsche Mannschaft mit starken Paraden und Weltklassereflexen vor einem Gegentor. Die deutsche Abwehr, in der Benedikt Höwedes auf rechts und Shkodran Mustafi in der Innenverteidigung spielten, wurde vor allem in der ersten Hälfte mächtig gefordert und war teilweise überfordert. Nur gut, dass mit Jerome Boateng wenigstens einer den Durch- und Überblick behielt.
Trotzdem reichte es zum Sieg, denn der Weltmeister packte einen Standard aus. Jene spielerischen Mittel also, die der Bundestrainer eigentlich schon längst in der Mottenkiste verstauen wollte, aber in der EM-Vorbereitung wieder stärker hat trainieren lassen. Das zahlte sich aus.
Freistoß Toni Kroos, Kopfball Mustafi - 1:0 für Deutschland in der 19. Minute. Viel mehr kam von der Löw-Elf in den ersten 45 Minuten offensiv allerdings nicht mehr. Sieht man noch von einem Schuss Khediras ab, den der ukrainische Torwart Andrej Pjatow reaktionsschnell parierte.
Die Pause tat den deutschen Spielern gut, denn zurück aus den Kabinen bestimmten sie die Partie in Lille nun weitgehend und hätten bei Schüssen von Kroos, der Boss im deutschen Spiel, und Khedira schon früher alles klar machen können. Aber das Lattenkreuz bzw. Pjatow standen im Wege.
So hätte es fast noch den Ausgleich gegeben, als Mustafi bei einem Missverständnis mit Neuer in der 88. Minute den Ball beinahe ins eigene Tor geköpft hätte. Riesenglück in dieser Situation.
Vom Ergebnis her optimaler Start
Dann aber wurde der blasse Mario Götze ausgewechselt, und es kam der Kapitän Bastian Schweinsteiger aufs Feld. Gerade mal 120 Sekunden im Spiel sorgte er mit deutlich längeren Haaren als sonst und einer auf den ersten Blick etwas kräftigen Figur für die Entscheidung. Konter über Mustafi auf den ebenfalls eingewechselten André Schürrle, der weiter zu Mesut Özil, dessen Flanke der mitgelaufene Schweinsteiger volley ins Tor beförderte.
Das 2:0 ist vom Ergebnis her ein optimaler Start. Mehr aber auch nicht. Schon am kommenden Donnerstag gegen Polen muss sich nicht nur die Defensive, sondern das gesamte Team deutlich steigern, damit es gegen unsere Nachbarn kein unsanftes Erwachen gibt.
Deutsche Hooligans randalieren in Lille
Nach den Exzessen englischer, russischer und französischer Gewalttäter haben nun auch mehr als 50 Deutsche vor dem Anpfiff des Spiels für Ausschreitungen gesorgt. Sie griffen in der Nähe des Bahnhofs von Lille ukrainische Anhänger an. Es flogen Flaschen, Stühle und Rauchbomben. Einige der Hooligans grölten rechtsradikale Parolen und posierten mit der Reichskriegsflagge. Zwei Stunden vor dem Anpfiff hatte sich die Lage nach Angaben der Polizei beruhigt.
Die Generäle hatten das Kommando
Diese militärische Rangstellung hatte Polens Mittelfeldspieler Grzegorz Krychowiak als Einstellung von seinen Kollegen in ihrem ersten EM-Spiel gegen Nordirland gefordert. Zunächst hatten sie ihn aber offensichtlich nicht verstanden, denn in der ersten Hälfte tat sich die polnische Nationalmannschaft sehr schwer gegen einen überwiegend hinten drin stehenden Gegner.
Das änderte sich nach dem Seitenwechsel. Die Mannschaft von Adam Nawalka war nun zwingender in ihren Aktionen und belohnte sich in der 51. Minute mit dem 1:0 durch Arkadiusz Milik. Dagegen war sein Sturmkollege Bayern-Torjäger Robert Lewandowski weitgehend abgeschirmt.
Deutlich auffälliger war da schon der ehemalige Dortmunder Jakub Blaszczykowski, der auf der rechten Seite das polnische Spiel immer wieder ankurbelte.
In der Schlussphase trauten sich dann auch mal die offensiv harmlosen Nordiren nach vorn und hätten sogar um ein Haar den Ausgleich erzielt. Aber Polens Torhüter Wojciech Szczesny rettete im Herauslaufen gegen den durchgebrochenen Conor Washington nach 71 Minuten den knappen, aber hoch verdienten Erfolg. Der erste polnische Sieg bei einer EM-Endrunde.
Traumtor entscheidet Abnutzungskampf
Luka Modric - das ist Kunst auf dem Spielfeld. Er ist das Gehirn der Kroaten. Der feinsinnige Techniker kann ein Spiel hervorragend lesen und hat eine überragende Schusstechnik. Genau damit entschied der Mann von Real Madrid die Partie gegen die Türkei. Ein verunglückte Abwehr von Selcuk Inan nutzte Modric, nahm den Ball direkt und zwirbelte ihn per Aufsetzer aus 20 Metern ins Tor. Ein herrlicher Treffer, die verdiente Führung.
Diese hätten die Männer mit dem Schachbrettmuster auf dem Trikot eigentlich ausbauen müssen. Aber es blieb trotz zahlreicher Möglichkeiten beim 1:0.
Alles in allem war es eine hitzige Begegnung, in der vor allem der kroatische Innenverteidiger Vedran Corluka viel aushalten musste. Nach einem Kopfballduell zog er sich eine Platzwunde am Kopf zu die notdürftig genäht wurde. Mehrfach musste der Verband gewechselt werden, aber Corluka spielte bis zum Abpfiff tapfer durch.
Titelverteidiger und Finalgegner greifen ein
Werden die Spanier nach ihrem WM-Debakel wieder zu roten Furien oder geht die Goldene Generation endgültig zu Ende? Diese Frage steht über dem ersten Auftritt des Europameisters von 2012 und 2008. Trainer Vincente del Bosque hat noch immer einen Top-Kader, in dem er Bewährtes mit einigen neuen Tupfern kombiniert. Ob das zum europäischen Titel-Hattrick reicht? Erste Aufschlüsse wird das Spiel gegen die Tschechische Republik ab 15 Uhr in Toulouse geben.
Ungewissheit herrscht auch bei einer anderen großen Fußballnation. Die Italiener. Titel oder Tränen? So ging der viermalige Weltmeister schon häufig in ein großes Turnier. Der Auftakt hat es in sich. Denn zum Start der Gruppe E bekommt es die Squadra Azzurra gleich mit Belgien, einem der Geheimfavoriten dieser EM zu tun. Angepfiffen wird um 21 Uhr in Lyon. In dieser Gruppe stehen sich vorher noch Irland und Schweden gegenüber.