Emanzipation

Bild der Frau

Von Anette Schneider |
Ab morgen sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Entwürfe der großen Modemacherin Coco Chanel zu sehen. Begleitet werden sie von einer Ausstellung, die das neue Frauenbild in der Fotografie der 20er-Jahre untersucht.
Eine junge Frau hockt am Strand. Man sieht ihr braun gebranntes Gesicht, ihre nackten Schultern, die kurzen, strohblonden Haare. Mehr Natürlichkeit, als Raoul Hausmann zeigt, geht nicht. Auf anderen Fotos fahren Frauen Auto oder Motorrad, sie treiben Sport, blicken selbstbewusst in die Kamera.
Nur zwei, drei Jahre zuvor war die bürgerliche Frau nichts als das rechtlose Anhängsel ihres Gatten. Eingezwängt in Korsett und bodenlangem Kleid, durfte sie nicht arbeiten, nicht ihr Leben leben. Erst die Novemberrevolution bereitete ihrer Unterdrückung ein Ende, schuf Raum für die neue Frau. Kuratorin Esther Ruelfs:
"Die neue Frau setzt sich natürlich aus ganz unterschiedlichen Typen zusammen. Es gibt bestimmte Sachen, die für alle zum Zeichen werden. Und das sind eben diese Seidenstrümpfe, weite Kleider, Bubikopf. Die neue Frau ist natürlich ledig, sie ist berufstätig. Das waren sozusagen die wichtigen Merkmale."
Schnell tauchte die neue Frau in der Literatur auf, in der Bildenden Kunst und der Fotografie. Massenhaft verbreitet aber wurde ihr Bild in den neuen auflagenstarken Illustrierten, die erstmals auch Fotos drucken konnten.
"Das sind sowohl die Orte, wo die Fotografien abgebildet werden. Es ist aber auch der Ort, wo dann die Fortsetzungsromane, die populären Romane der Zeit abgedruckt wurden, die natürlich auch dieses Bild geprägt haben. Und dann ist es auch noch Ort der Werbung. Die neue Frau wird dann natürlich auch zu einer Figur, die für die Produktwerbung genutzt wird. Gerade am Motiv des Seidenstrumpfs sieht man das ja ganz schön, wie da eigentlich auch das erste Mal der Frauenkörper als sexualisierter Körper für die Werbung genutzt wird."
Fotos von schier endlos langen Frauenbeinen
Die Berliner Fotografin Yva etwa – sie wurde später von den Faschisten ermordet - schuf in den 20er-Jahren elegante Werbeaufnahmen von schier endlos langen Frauenbeinen in Seidenstrümpfen. Madame D’Ora betrieb klassische Porträtfotografie, und schönte die Damen der High-Society noch mithilfe des Weichzeichners. Und immer wieder sieht man den Typus der sportlichen, jungen Frau mit Bubikopf und Baskenmütze.
So bestand das Bild der neuen Frau aus überraschend vielen Facetten. Gleichzeitig entpuppt es sich in der Ausstellung als zum großen Teil medial gemacht: Es sprach in ein und derselben Zeitschrift die moderne, bürgerliche Frauen an, die arbeiten konnte, wenn sie wollte, und sich entsprechend zu kleiden hatte. Und es sprach Fabrikarbeiterinnen und Sekretärinnen an, die arbeiten mussten, um zu überleben, und die von Tennis und Autos nur träumen konnten - beziehungsweise träumen sollten, damit sie bloß nicht politisch aktiv wurden. Esther Ruelfs:
"Und entsprechend waren es eben häufig Illustrationen für diese Fortsetzungsromane, in denen es immer um Frauengeschichten ging: Das Ladenmädchen, das zum Filmstar wird, solche Aufstiegsgeschichten. Die 'neue Frau' heißt dann nicht unbedingt, dass in den Geschichten oder in den Romanen oder den Fotografien emanzipierte Lebensentwürfe sind. Also: Die neue Frau ist zwar ledig, aber ganz schnell ist sie dann doch wieder verheiratet."
Fotografinnen, die selbstständig leben wollten
Anders als die meisten derjenigen, die die Bilder machten: Anfang der 20er-Jahre waren das auch Frauen, die endlich selbstständig leben wollten. Viele stammten aus bürgerlichen, jüdischen Familien, und machten damals als Fotografin Karriere - doch heute sind sie meist vergessen. Einmal, weil sie nach 1933 vor faschistischer Verfolgung ins Exil fliehen mussten. Und dann, weil die bis heute andauernde Dominanz männlicher Kunstgeschichtsschreibung und eines männlichen Museumsbetriebs sich mit Künstlerinnen kaum abgab. Esther Ruelfs, die vor einem Jahr die Leitung der Fotosammlung übernahm, will das nun ändern, und Stück für Stück die zu Teilen noch unerschlossene Sammlung sichten.
"Es ist natürlich das Schicksal jeder Fotografiesammlung, dass sie im Dunkeln liegt, in den Schubladen, und dass man sehr wenig von den Sammlungen sieht. Man kann immer nur einen kleinen Teil zeigen. Und ich hab hier ja begonnen, so eine kleine Reihe zu machen, wo man Einblick bekommt in diese 75.000 Fotografien umfassende Sammlung."
So sind jetzt von den 17 ausgestellten Künstlern neun Frauen. Fotografinnen, die - bis auf Lotte Jacobi - einer Wiederentdeckung harren. Etwa die Frau des berühmtesten Bauhaus-Fotografen, die selbst am Bauhaus lehrte, und ein umfangreiches fotografisches Werk schuf. Ihr Name? Lucia Moholy-Nagy. Oder Aenne Biermann, Ilse Bing, Florence Henri, Natascha Brunswick und Imre von Santho.
Sie brachten in ihrer Arbeit der 20er-Jahre die Formen des neuen Sehens, die Idee der neuen Frau, und ihren eigenen Aufbruch zusammen. Ob sich Aenne Biermann mit kurzen zurückgegelten Haaren als sehr männlich inszeniert, oder Natascha Brunswick mit ihrer Freundin verwegen lachend im Notsitz eines Autos pausiert - hier ist die wirklich neue Frau zu sehen, die jenseits kommerzieller Interessen versucht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. - Mehr davon!