Emanzipation durch Fußball

Eine deutsche Trainerin auf Mission in Gambia

23:51 Minuten
Monika Staab mit einer Teilnehmerin des Coachingkurses
"Ich hab jetzt so circa 80 Länder bereist, um für den Frauenfußball in der Gesellschaft die Akzeptanz zu bekommen", sagt Monika Staab - hier beim Coaching in Gambia. © Leo Schulte
Von Martina Keller · 12.07.2020
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Monika Staab ist eine der erfolgreichsten Fußballtrainerinnen der Welt und eine Pionierin des deutschen Frauenfußballs. Seit 2007 arbeitet sie in Ländern wie Afghanistan oder Buthan und derzeit in Gambia - wo junge Fußballerinnen große Träume haben.
Fußballtraining in Kanefing, einem Viertel von Serekunda, der größten Stadt Gambias. Hier trainieren die Red Scorpions, amtierender Meister bei den Frauen. An einer Mauer lehnen die Rucksäcke der Spielerinnen, eine Kabine gibt es nicht. Der Platz ist sandig, an einer Seite begrenzt durch Büsche, in denen schon mal Bälle verschwinden. An zwei Seiten fahren Autos entlang.
"Manchmal fahren die auch quer über den Platz. Wenn die die Abkürzung nehmen wollen, dann fahren die von da durch ihre Trainingseinheit. Und du musst stehen bleiben, weil: Du spielst, und dann kommt das Auto. Das Auto ist einfach stärker."

Im Auftrag von Sportbund und Auswärtigem Amt

Monika Staab ist eine Fußballtrainerin aus Deutschland, 61 Jahre alt, graues Haar, meist in Sporthose, Sportshirt und Sportschuhen unterwegs. Seit Oktober 2018 lebt sie in Gambia. Um den Frauenfußball zu fördern.
"Hast du Torschusstraining gesehen? Ich sag, wie wollt ihr Tore schießen, wenn ihr nie Torschusstraining macht? Um Meister zu werden, muss ich auch Tore schießen. Die trainieren ja jeden Tag, überleg doch mal, jeden Tag! Da trainierst du jeden Tag und machst nicht einmal Torschuss."
Staab arbeitet im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Auswärtigen Amts. Zu ihren Aufgaben zählt es, die Trainerinnen und Trainer der ersten und zweiten Liga weiterzubilden. Sie filmt Spiele und bespricht sie anschließend mit dem jeweiligen Coach oder in der Gruppe. Oder sie schaut mal beim Training vorbei.
Porträt der Fußballtrainerin Monika Staab
Fußballtrainerin Monika Staab arbeitet im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Auswärtigen Amts.© Leo Schulte
Coach der Red Scorpions ist Choro Mbenga, früher Torhüterin des Vereins. Neben der Trainerin des Nationalteams ist sie die einzige Frau in Gambia mit einer B-Lizenz. In Deutschland darf man damit alle Frauenteams unterhalb der Bundesliga trainieren. Und alle Amateurteams bis zur fünften Spielklasse.
Beim Schusstraining gebe es in allen Clubs noch Verbesserungsbedarf, meint Monika Staab. Eine Meister-Trainerin zu kritisieren erfordert Taktgefühl. Choro Mbenga ist ehrgeizig und erfahren. Aber Staab hat auch Positives beobachtet.
Viele Trainer in Gambia, sagt Monika Staab, ließen ihre Spielerinnen zu viel laufen und zu wenig mit dem Ball trainieren. Einzelne Übungseinheiten seien zu lang und zu wenig intensiv, und Taktik meist kein Thema. Das alles will sie ändern. Aber die Coaches der Ligaclubs weiterzubilden, macht nur einen kleinen Teil ihrer Arbeit aus.
Zwei Dutzend junge Frauen begrüßen sich auf dem Gelände des National Technical Training Center in Yundum, nahe dem Flughafen. Das Zentrum hat Gästezimmer, Seminarräume, eine Kantine und einen Kunstrasenplatz. Normalerweise bereiten sich hier gambische Nationalteams auf ihre Spiele vor. An diesem Donnerstagmorgen treffen sich überwiegend Fußballnovizinnen, von Beruf fast alle Lehrerin, zum vierten Tag ihres Trainerinnenlehrgangs. Und machen sich in eigener Initiative warm.

Fehler lässt Monika Staab nicht durchgehen

"Am Anfang hatte ich erst Bedenken, weil die nie was mit Fußball zu tun hatten, also wir haben natürlich ein paar, die schon ganz gut sind, aber ein paar, die haben noch nie was mit Fußball zu tun gehabt. Und jetzt spielen sie hier sogar vier gegen zwei, das ist ja sensationell", sagt Staab. "Wie gesagt, das sind keine Fußballer, aber die haben das in den drei, vier Tagen. Das, was die jetzt machen, das haben die gelernt, ja? Die konnten das vorher nicht. Wenn du die Montag gesehen hättest und jetzt - das ist ein ganz großer, großer, himmelweiter Unterschied."
An ihren Schulen sollen die Lehrerinnen später Mädchen das Fußballspielen beibringen. Dazu müssen sie wissen, wie man Passen, Dribbeln und Schießen unterrichtet. Die dazugehörigen Übungen probieren sie miteinander aus. Eine der Frauen instruiert ihre Spielerinnen, sich jeweils zu zweit mit der Innenseite den Ball zuzupassen. Eine andere hat mit Hütchen ein Viereck abgesteckt und lässt vier gegen vier spielen. Monika Staab spart nicht mit Lob. Allerdings…
Monika Staab hat das Spiel unterbrochen, Fehler lässt sie nicht durchgehen. Eine Lehrerin hat eine Spielerin an falscher Stelle gelobt.
Erst als die Lehrerin die Situation noch mal auf korrekte Weise löst, lässt Staab weiterspielen. Es ist deutlich zu spüren: Sie will den Frauen wirklich etwas mitgeben. Frauenfußball ist für sie mehr als ein Job. Eher eine Art Mission.
Monika Staab spricht vor den Teilnehmerinnen des Coaching-Kurses
Monika Staab bereist die Welt, um den Frauenfußball voranzubringen.© Leo Schulte
"Ich hab jetzt so circa 80 Länder praktisch bereist, um den Frauenfußball voranzubringen, um für den Frauenfußball in der Gesellschaft die Akzeptanz zu bekommen, den Frauen die Hoffnung zu geben, dass sie also dafür kämpfen müssen, so wie wir über 50 Jahre in Deutschland gekämpft haben."
Staab zählt in Deutschland zu den Fußballpionierinnen, nicht nur als Trainerin. Schon mit vier Jahren begann sie zu kicken, im hessischen Dietzenbach, damals noch ein größeres Dorf.
"Überall hatten wir Bolzplätze, Straße, haben wir einfach gespielt, im Kindergarten, natürlich mit den Jungs", erzählt sie. "Ich hab immer mit den Jungs gekickt, und das hat natürlich Riesenspaß gemacht. In der Schule haben wir einen kleinen Tennisball gehabt. Jeweils in der Pause, das erste, was wir gemacht haben: zwei Steine, zwei Tore aufgestellt und haben dann gespielt."

Als Elfjährige spielte sie bei den Frauen

Mädchen- und Frauenfußball im Verein war damals noch nicht erlaubt. Erst Ende 1970 hob der Deutsche Fußballbund das Verbot auf. Sofort wurde Monika Mitglied bei der SG Rosenhöhe Offenbach. Weil es dort kein Mädchenteam gab, spielte sie als Elfjährige bei den Frauen mit. Die kümmerten sich um ihr Küken. Ihre Eltern hingegen hatten wenig Zeit für sie und die beiden älteren Schwestern. Sie führten eine Bäckerei, eine Gaststätte und eine Pension gleichzeitig.
"Natürlich, das Geschäft, die Bäckerei stand immer im Vordergrund. Das war immer wichtig. Das ist auch das, was mein Leben auf der einen Seite geprägt hat. Dieses selbstständige, sehr früh auf sich gestellt zu sein. Das heißt: Die Eltern haben dich machen lassen. Du hast also nicht so eine typische, ja, wie sagt man heute, Helikopter-Mutter gehabt, sondern die hat einfach dich machen lassen. Also mein Vater war sowieso zu sehr beschäftigt, in der Bäckerei, und den habe ich meistens nur zum Essen gesehen. Von daher sah unser Leben ja, man würde jetzt nicht sagen, nicht wie ein typisches Familienleben aus."

Reisen - die zweite große Leidenschaft

Der Fußball war nicht nur Familienersatz, er gab ihr auch Selbstbewusstsein. Mit 18 spielte sie mit Oberst Schiel, eigentlich einem Frankfurter Schützenverein, erstmals um die deutsche Meisterschaft. Zudem ermöglichte er ihr viele Reisen – die zweite große Leidenschaft von Monika Staab.
Als sie ihre Karriere als Clubtrainerin Ende 2006 beendete, nahm sie den Faden wieder auf. Seit 2007 ist sie in aller Welt unterwegs, meist im Auftrag der Fifa. Sie war schon in Bahrein, Pakistan, Iran, Kambodscha, Bhutan, Uganda, Ruanda, auf den Fidschi-Inseln – und jetzt: Gambia. Ihr erstes Langzeitprojekt.
Die deutsche Fußballtrainerin Monika Staab gibt pakistanischen Fußballspielerinnen während einer Trainingseinheit Anweisungen.
Seit 2007 ist Monika Staab in aller Welt unterwegs, meist im Auftrag der Fifa - wie hier in Pakistan.© picture alliance / dpa / epa-Bildfunk / Nasiruddin Mughal
Auf dem Kunstrasenplatz in Yundum bereitet die nächste Kursteilnehmerin ihre Übung vor. Mariama Dukanda lässt fünf gegen drei auf kleinem Feld spielen. Das Team in Unterzahl bekommt orangene Leibchen. Mariama gibt klare Kommandos, macht Tempo.
Am Ende gibt es ein Lob für die 20-Jährige. Sie sei ein Trainerinnen-Talent, sagt Monika Staab, vielleicht könnte sie irgendwann sogar Coach der Nationalelf werden. Mariama zählt zu den wenigen im Kurs, die aktive Fußballerinnen sind. Sie spielt beim Erstligaclub Abuko. Und ist dankbar für das, was sich durch Monika Staab bereits geändert hat. Noch vor zwei Jahren begannen die Spiele der Frauen am frühen Nachmittag, um halb drei. Da ist es in Gambia extrem heiß.
"Als Monika kam, sagte sie als Erstes: Wie können die Mädchen bloß um diese Zeit spielen, um halb drei, unter dieser heißen Sonne? Wir müssen das ändern! Und Gott sei Dank: Im Jahr darauf beschlossen sie, dass Frauenteams nicht mehr um halb drei spielen müssen, weil es dann zu heiß ist. Männer spielen auch nicht um halb drei – warum also Frauen?"
Jetzt spielen die Teams ab halb fünf – ein Anfang. Aber Mariama findet, es muss noch mehr passieren: "Wir wollen mehr weibliche Trainer in Gambia. Wir haben nur Männer, Männer, Männer."
Mit einer Frau als Trainerin sei alles leichter. Wenn sie zum Beispiel ein Problem habe, könne sie sich dieser anvertrauen. Einem männlichen Trainer nicht. "Vielleicht habe ich ein schlechtes Gefühl, wenn ich ihm von einem Problem erzähle. Vielleicht denke ich: Er ist doch ein Mann, vielleicht ist er aggressiv. Unter Frauen ist das was anderes, wir verstehen einander. Wir wollen Veränderungen: Männer trainieren Männer und Frauen Frauen. Ganz einfach. Wenn wir mehr Trainerinnen haben, hilft das den Frauenfußball zu entwickeln."

Frauen als Trainerinnen könnten Eltern Sorgen nehmen

Und noch etwas müsse man bedenken: Die Sorge mancher Eltern: "Wenn Eltern nicht besonders gebildet sind, denken sie vielleicht: Unsere Tochter wird von einem Mann trainiert, warum nicht von einer Frau? Ist das sicher? Vielleicht denken auch meine Eltern so", sagt sie.
"Und wenn ich sie dann anrufe und sage: Wir übernachten heute mit dem Team, weil wir morgen ein Spiel haben. Dann sagen sie vielleicht: Ihr habt ein Spiel und übernachtet mit einem männlichen Trainer? Ihr seid doch alle Frauen, wie soll das gehen? Ich finde, die Lösung ist ganz einfach: Wenn Männer mit Männern arbeiten, können auch Frauen mit Frauen arbeiten. Das wäre super."
Mariama Dukanda und ihre Schwester Sarjo leben bei der Großmutter, um sie im Haushalt zu unterstützen. Zwar zählt auch ein Onkel zur kleinen Wohngemeinschaft, aber der ist fürs Kochen und Putzen nicht zuständig. Mariama hat noch drei weitere Geschwister, die mit ihrem Vater und ihrer Mutter in einem anderen Ort wohnen. Zur ausgedehnten Familie gehört zudem die zweite Frau des Vaters, mit der er ebenfalls Kinder hat.

"Früher wollte mein Vater nicht, dass wir spielen"

Mariama und Sarjo teilen sich ein dunkles Zimmer mit hellblauen Wänden, eine davon beklebt mit Fotos von englischen Premier-League-Clubs: Arsenal, Chelsea, Manchester United. Neben der Tür ein Plastikstuhl, auf dem Boden ein abgewetzter Teppich und eine große Matratze, auf der die Schwestern schlafen.
Jetzt sitzt dort Sarjo, kurze Sporthose, trauriges Gesicht. Das linke Knie ist mit blauem Tape bandagiert, es riecht nach Sportsalbe. Sie hat sich beim Fußballspielen verletzt, glücklicherweise nichts Ernstes, nur ein lädierter Muskel.
"Früher wollte mein Vater nicht, dass wir spielen, aber als meine jüngere Schwester in das U-17-Team von Gambia berufen wurde, hat er es verstanden. Er meinte: Wow, wirklich? Sie erzählten ihm, dass sie nach Ghana oder Sierra Leone reisen müsse, um zu spielen, man ihr den Flug bezahlen und sie werde auch einen Pass bekommen. Da gab er sein Okay", erzählt sie.
"Seitdem ruft er jeden Tag an: Mädchen, geht ihr auch zum Training? Andere Männer sagen vielleicht zu ihm: Du hast eine Tochter und lässt sie Fußball spielen. Das geht doch nicht. Aber er weiß: Das ist ein Spiel für alle, nicht nur für Jungs. Seitdem sind wir frei. Er erlaubt uns zu spielen."

Motivieren und Mut machen im Coachingkurs

Mariama und Sarjo teilen nicht nur die Leidenschaft für den Fußball, sie studieren auch beide an derselben Fachhochschule Mariama will Elektrotechnikerin werden, ihre Schwester Ingenieurin. So eine Ausbildung kostet viel Geld in Gambia, ohne die Unterstützung eines Onkels könnten die jungen Frauen sie nicht finanzieren.
Mariamas Studiengebühren betrugen im vergangenen Jahr 10.500 Dalassi, umgerechnet knapp 200 Euro, das dreifache Monatsgehalt einer jungen Lehrerin. Dieses Jahr sind es sogar 15.500 Dalassi. Aber Mariama hat ihre Berufswahl wohl überlegt.
"Wir können nicht alle im Büro arbeiten", sagt sie. "Wenn du Technik studierst, bist du unabhängig, du kannst überall hingehen. Selbst wenn deine Qualifikation nicht so gut ist, kannst du immer noch zeigen, was du kannst, und hast eine Chance, Arbeit zu finden. Wir können nicht alle im Büro sitzen und irgendwelche Papiere verfassen."
Dann ist da noch eine neue Idee in ihrem Kopf. Der Coachingkurs, die motivierenden Worte von Monika Staab haben ihr Mut gemacht. "Mein Plan ist: Weiter studieren, Fußball spielen und Coachen. Wenn ich dann mein Abschlussdiplom habe, werde ich vielleicht in den kommenden fünf Jahren sagen: Ich spiele nicht mehr, ich konzentriere mich auf das Coachen", überlegt sie.
Und fügt hinzu: "Wir schlagen uns hier alle durch, keine weiß, wo sie ihr Glück findet, wo sich zuerst eine Möglichkeit bietet. Vielleicht bekomme ich eine Chance als Trainerin, vielleicht finde ich mit meinem Diplom einen Job. Ich muss sehen, wo zuerst eine Tür aufgeht. Deshalb verfolge ich beide Wege, und wenn sich eine Chance bietet, greife ich zu."
Monika Staab mit einer Teilnehmerin des Coaching-Kurses auf dem Fußballfeld
Für Monika Staab war der Fußball mehr als eine zusätzliche Chance – diese Erfahrung gibt sie nun weiter in ihren Coaching-Kurses.© Leo Schulte
Für Monika Staab war der Fußball mehr als eine zusätzliche Chance – er war ihre Rettung. Als Kind tat sie sich schwer in der Schule. Vor allem Deutsch bereitete ihr Probleme. Manche Wörter sprach sie nicht richtig aus, sagte Hopfsalat statt Kopfsalat. Keiner korrigierte sie, keiner half bei den Hausaufgaben. Dann kam ein junger Lehrer, frisch von der Universität, und ließ die Klasse einen Aufsatz zu einem selbstgewählten Thema schreiben.
"Mein Thema war natürlich Fußball, und da hab ich auch ziemlich drauflos geschrieben, weil Fußball war natürlich ein Teil meines Lebens, und hab dann auch diese Arbeit wieder zurückbekommen mit rot rot rot, jede Seite voll mit grammatischen und Rechtschreibefehlern, und dann hatte ich schon wieder gedacht: Schon wieder eine Sechs, weil ich war da auch versetzungsgefährdet, und dann hatte ich aber eine drei bekommen."
Grammatik und Rechtschreibung Sechs, Inhalt eine glatte Eins, machte unterm Strich eine Drei. Ein Schlüsselerlebnis für Monika.: "Da war mir auch bewusst, wenn man sich hinsetzt, ein bisschen lernt, ein bisschen was tut..... und der Fußball, das darf man dabei nicht vergessen, dass der Fußball einfach auch so ein bisschen eine Euphorie getragen hat in einem, und dann hatte ich doch im Abschlusszeugnis, also mittlere Reife, dann eine zwei in Deutsch. Und das war für mich also ein sehr tolles Erlebnis, und vor allen Dingen zu sehen, wenn du was dafür tust, was dann am Ende auch dabei rauskommt."
Monika absolvierte eine Lehre zur Hotelfachfrau, aber nicht in Dietzenbach – sie wollte raus. Ihr Lebensweg schien dennoch vorgezeichnet: weiterführen, was die Eltern aufgebaut hatten.
"Ich hab dann auch die Bäckerei erst mal übernommen. Natürlich sollte man einen Bäcker heiraten, da sollte ein Mann mit rein. Das war natürlich dann zum damaligen Zeitpunkt nicht ganz so einfach, weil ich ja auch immer noch mit dem Fußball sehr verbunden war. Ja, und natürlich der Fußball mir auch sehr viel bedeutet hat", erinnert sie sich.
"Und ich glaube, das war also auch am Ende für mich die Entscheidung, dass ich also nach mehreren Monaten dann auch gesagt habe: Ich muss was anderes machen. Ich kann nicht von morgens bis abends, wie meine Eltern das gemacht haben, geschuftet Tag und Nacht. Und ja - für was?"

Mit 18 Jahren ging Monika Staab ihren eigenen Weg

Monika entschied sich für einen anderen Weg. Mit 18 ging sie nach London, lernte Englisch, arbeitete sich zur Restaurantleiterin hoch, spielte Fußball bei den Queens Park Rangers. Und reiste, wann immer ihr Budget das erlaubte.
Als sie Ende 1983 nach Dietzenbach zurückkehrte, war Frauenfußball in Deutschland zwar erlaubt, aber noch immer nicht anerkannt. Sie trug wesentlich dazu bei, dass sich das änderte, vor allem als Trainerin. Als Monika Staab 2006 ihr drittes Fußballleben als Fifa-Ausbilderin begann, hatte sie es zur erfolgreichsten Vereinstrainerin Deutschlands gebracht.
Und jetzt ist sie hier in Gambia, in der Region North Bank, mit hundert kleinen Mädchen aus vier Schulen, von denen viele vermutlich noch nie mit einem Fußball gekickt haben.
Ein paar kleine Jungs haben sich am Fußballtor versammelt und gucken traurig. Heute geht es nicht um sie. Auf dem Feld hat Monika Staab mit Hilfe der Lehrerinnen und Lehrer zehn Stationen aufgebaut. Reihum sollen die Mädchen hier dribbeln, schießen, passen und spielen. Spielen ist das Wichtigste - fünf gegen fünf auf kleine Tore.

Graswurzel-Programm für die Schulen

Zehn kleine Mädchen rennen zugleich zum Ball. Schnell, energisch, chaotisch. Einige barfuß, einige in Socken, wenige in Turnschuhen. Die Lehrerin, die an der Station Aufsicht führt, greift nicht ein. Die Mädchen sollen Spaß haben. Regeln und Taktik kommen später.
Das Festival ist der Auftakt zu einem Graswurzel-Programm für Schulen, das Staab in drei anderen Regionen Gambias bereits eingeführt hat. Über zwei Monate bekommen Mädchen die Chance, jeweils 45 Minuten in der Woche zu trainieren. Irgendwann soll es auch Spiele der Schulen untereinander geben.
Das Programm ist anspruchsvoll. Viele Lehrer wissen selbst nicht, wie das geht - dribbeln, passen, schießen. Deshalb unterstützen sogenannte Regionaltrainer sie bei der Umsetzung. Aber nicht alle tun das so engagiert, wie Monika Staab sich das wünscht.
Am Vorabend wollte ein Trainer interessierten Lehrerinnen das Zuschauen verbieten. Zudem soll er einer Frau die Teilnahme an einem Schiedsrichterlehrgang verweigert haben. Staab stellt den Mann zur Rede.

Überzeugungsarbeit bei den Männern leisten

Sie habe einen guten Draht zum Präsidenten des Fußballverbands, versichert Monika Staab. Falls der Trainer die Frauen nicht unterstütze, werde sie ihm davon berichten. Wie oft sie solche Diskussionen schon geführt hat – sie weiß es nicht mehr. Offenbar sei es ihre Aufgabe auf dieser Welt, Männer zu überzeugen, dass auch Frauen Fußball spielen und Trainerinnen oder Schiedsrichterinnen werden wollen.
"Darum geht‘s doch, diese Multiplikatoren, das ist doch die Arbeit, die ich haben muss", betont Staab. "Wenn ich hier weggehe, dass ich so viele Trainerinnen ausgebildet habe, oder auch Trainer, die dann die Arbeit fortsetzen. Das muss mein erstes Ziel sein. Da brauch ich natürlich Leute, die das mit unterstützen. Und die muss man dann halt mit Worten überzeugen, beziehungsweise auch mal Druck machen: Wenn es nicht funktioniert, dann muss man vielleicht dich mal austauschen, weil so geht es nicht. Wir können die Frauen nicht einfach unter den Tisch kehren lassen, so wie das vor 50 Jahren bei uns in Deutschland war."
Heute spielen mehr als eine Million Mädchen und Frauen in Deutschland Fußball. An dieser Erfolgsgeschichte hat Monika Staab mitgeschrieben. Jetzt sind es andere Erfolge, über die sie sich freut. Die Grundschullehrerinnen aus ihrem Coachingkurs haben die D-Lizenz geschafft, die sie zum Fußballunterricht an Schulen befähigt. Die Frauen feiern mit Gettoblaster im Seminarraum.

Philomena zeigt, was sie gelernt hat

Die 34-jährige Philomena Jatta freut sich auf das Wiedersehen mit ihren Schülerinnen. Sie will mit ihnen einen Workshop abhalten, zeigen, was sie bei Monika Staab gelernt hat.
Philomena war bis vor drei Jahren selbst aktive Fußballerin, spielte im Tor, sogar in einem Auswahlteam. Dann begann sie Politikwissenschaft zu studieren und nebenher als Lehrerin zu arbeiten. Damit finanziert sie ihr Studium.
Monika Staab hat in Gambia einiges auf den Weg gebracht. Vorübergehend hat zwar die Coronakrise das Land im Griff, alle Schulen sind geschlossen und sportliche Aktivitäten untersagt. Doch Staab kann sich vorstellen, ihren im Oktober auslaufenden Vertrag zu verlängern. Sie habe ihr Herz an den kleinsten Staat Afrikas verloren.
"Alle wollen helfen, alle haben dieses Lächeln auf den Lippen. Und Gambia ist ein kleines Land, überschaubar. Also das macht es aus Gambia, dass es ein bisschen Küste, ein bisschen Meer hat, und jeden Tag scheint die Sonne. Das ist auch nichts Verkehrtes."
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