Gefährlicher Dammbruch
Sind wir einen Schritt näher am Designerbaby? Britische Forscher dürfen künftig gezielt das Erbgut menschlicher Embryonen verändern. Eine gefährliche Entwicklung, meint Philipp Gessler. Ist das Tor erst einmal offen, wird man es kaum wieder schließen können.
"Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert." So steht es in Dantes "Göttlicher Komödie" – und vielleicht muss man es nicht so pathetisch sagen, aber im Kern stimmt es: Gerade in der Forschung macht die gute Absicht nicht das ethisch gute Ergebnis.
Das Medikament Contergan sollte doch nur die Menschen zuverlässig beruhigen – und hatte verheerende Folgen für die Kinder von Frauen, die das Mittel während ihrer Schwangerschaft genommen haben. Chemische Dünger in der Landwirtschaft galten in den ersten Jahrzehnten ihrer Nutzung als Allheilmittel gegen den Hunger in der Welt – bis man herausfand, welche gravierenden schädlichen Nebenwirkungen für Mensch und Natur sie haben können. Die Kernkraft schien den weltweiten Energiebedarf für Generationen sicher, sauber und zuverlässig befriedigen zu können – bis der Reaktor in Tschernobyl in die Luft ging. 30 Jahre ist das nun her, und die Atomenergie ist, siehe Fukushima, immer noch so gefährlich wie eh und je, der Atommüll strahlt weiter noch Jahrtausende lang. Trotz aller Forschung, trotz aller guten Absichten.
Nun hat die zuständige Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie Londoner Forschern die Erlaubnis gegeben, künftig gezielt das Erbgut menschlicher Embryonen zu verändern. Das ist ein Dammbruch, denn aus guten Gründen ist das aktive Verändern der menschlichen DNA in vielen Ländern verboten, nicht zuletzt in Deutschland. Denn die Gefahr besteht, dass unverfrorene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun irgendwo auf der Welt mit Verweis auf diese Forschung im Vereinigten Königreich künftig der Versuchung nicht widerstehen werden, sogenannte Designerbabys genetisch zu basteln. Das Tabu der Forschung an menschlichen Embryonen ist am Bröckeln – es ist eine verheerende Entwicklung.
Die Erfolgsrate künstlicher Befruchtung soll gesteigert werden
Natürlich sind auch in London die Absichten nur gut: Man wolle mit diesen Forschungen doch nur die Erfolgsrate künstlicher Befruchtungen steigern – also Paaren die Möglichkeit geben, Kinder zu bekommen: Wer könnte etwas dagegen haben?! Und – keine Angst – die gentechnisch veränderten Embryonen des aktuellen britischen Falls werden ganz bestimmt keiner Frau eingepflanzt, so wird versichert. Ein Designerbaby wird also in neun Monaten nicht das Licht der Welt erblicken.
Diese Ausflüchte aber sollten uns nicht beruhigen, sondern alarmieren. Es ist bezeichnend, dass selbst der Münsteraner Forscher Hans Schöler von einer "neuen Qualität" der Forschung spricht und sich mehr als skeptisch zeigt. Schöler gehörte vor acht Jahren bei der Entscheidung des Bundestags zur embryonalen Stammzellforschung keineswegs zu den vehementen Bremsern erweiterter Forschung an diesen Zellen, die das ganze menschliche Leben in sich tragen, aber dabei zerstört werden. Den meisten Forscherinnen und Forschern ist klar: Ist die Tür zur Veränderung des Erbguts menschlicher Embryonen erst einmal geöffnet, wird man sie weltweit kaum wieder schließen können.
Zu hoffen ist deshalb, dass die britische Ethikkommission, die dem Start der Forschung noch zustimmen muss, in letzter Minute die ganze Sache stoppt. Der weltweit wirksame, hochgefährliche Tabubruch, den die Londoner Forscher planen, wiegt schwerer als die mögliche Hilfe für Paare, die nun mit einer künstlichen Befruchtung hoffen, Kinder kriegen zu können. Denn auch bei der künstlichen Befruchtung gilt: Dass sie klappt, ist mehr als unsicher. Trotz aller guten Absichten.