Gleich zwei Austellungen beschäftigen sich mit Emil Nolde:
Emil Nolde, eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus
Hamburger Bahnhof, Berlin
12. April bis 15. September 2019
Flucht der Bilder. Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus
Brücke Museum, Berlin
14. Februar bis 11. August 2019
Ende einer Legendenbildung
12:28 Minuten
Eine Ausstellung im Hamburger Bahnhof widmet sich Emil Nolde im Nationalsozialismus. "Kritische Reflexion war nicht Noldes Stärke", sagen die Kuratoren Aya Soika und Bernhard Fulda über den Künstler.
Eins der zwei Nolde-Bilder, die kürzlich aus dem Arbeitszimmer der Kanzlerin entfernt wurden, hängt jetzt im Hamburger Bahnhof - in der Ausstellung "Emil Nolde, eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus". Warum sich aktuell so intensiv und kritisch mit der Vergangenheit des Malers beschäftig wird, obwohl seine NSDAP-Pateimitgliedschaft schon lange bekannt war, erklärt der Nolde-Experte Dr. Bernhard Fulda mit dem vollständigen Zugang zum Quellenmaterial:
"Das war bis jetzt überhaupt nicht zugänglich, weil die Stiftungsverantwortlichen sehr eifersüchtig über die Deutungshoheit gewacht haben und Zugang zu dem Quellenmaterial verhindert haben."
2010 starb erst die zweite Ehefrau des Künstlers, so Bernhard: "Da viele der Zeitgenossen, die Nolde miterlebt haben, die die nationalsozialistische Diktatur miterlebt haben, noch so lange sie lebten, wie eine Art Hemmnis für diese Aufklärung innerhalb der Stiftung darstellten, weil man nicht an der Legende kratzen konnte, ohne auch die Biografien der Beteiligten in Mitleidenschaft zu ziehen."
Emil Nolde hatte zu Lebzeiten eine Legende über sich selbst erschaffen. Nahrung fand diese auch in dem Vorwurf der Nazis, seine Kunst sei entartet. "Der Vorwurf hat ihn tatsächlich sehr schwer getroffen und die Eröffnung von der entarteten Kunstausstellung im Juli 1937 war für ihn eine Überraschung und zunächst auch wirklich ein Schock", erklärt die Kunsthistorikerin Prof. Aya Soika.
Die Kritik erklärte sich Nolde so, dass sie zu einem Kunstgenie dazugehöre. "So hatte er jahrzehntelange Praxis darin, sich Kritik und Anfeindungen schön zu reden und in seiner künstlerischen Identität zu integrieren", so Fulda.
Nolde verändert Motive seiner Bilder ab 1933
Nolde äußerte sich antisemitisch, war Mitglied in der NSDAP und änderte ab 1933 seine Motivkreise, so Soika:
"Nach 1933 sind keine biblischen und religiösen Bilder mehr überliefert. Keine Figurenbilder, die so stark im Fokus der völkisch-reaktionären Kritik stehen und die ihm den Vorwurf einbringen, er sei ein Maler der Juden. Dagegen verwehrt er sich ja. Und anstelle dieser religiösen Bilder, sehen wir eine Verschiebung zu nordischen Themen."
"Nach 1933 sind keine biblischen und religiösen Bilder mehr überliefert. Keine Figurenbilder, die so stark im Fokus der völkisch-reaktionären Kritik stehen und die ihm den Vorwurf einbringen, er sei ein Maler der Juden. Dagegen verwehrt er sich ja. Und anstelle dieser religiösen Bilder, sehen wir eine Verschiebung zu nordischen Themen."
Fulda ergänzt: "Allerdings muss man sich klar sein, dass Nolde ganz bewusst vermieden hat allzu offenkundig sich zu verändern, weil die Selbsterzählung als verkanntes Genie in dem Moment unglaubwürdig wird, in dem ein Opportunismus ablesbar ist."
Seine Parteizugehörigkeit hat er nach 1945 nicht hinterfragt: "Kritische Reflexion war nicht Noldes Stärke. Er wollte als weitsichtiger, bedeutungsschwerer Künstler wahrgenommen werden, aber sich selbst kritisch zu hinterfragen, war nicht sein Ding. Ich glaube, es ist auch das, was heutige Kunstbetrachter so verstört. Diese Möglichkeit zu sagen, er hat Fehler gemacht und sie zugegeben und damit können wir leben, fehlt. Das ist eine schmerzende Leerstelle", so Fulda.
Angela Merkel entfernte Nolde Bilder
Als "falsche Deutschstunde" und "Sehnsucht nach einer besenreinen Kunst" ist Angela Merkels Entscheidung gewertet worden, die Bilder von Nolde aus dem Kanzleramt zu entfernen. "Ich denke, es ist eine Frage der Kontextualisierung und der Einbettung", sagt Soika und Fulda ergänzt: "Es ist unter Historikern tatsächlich weit verbreitet, dass man sich besser inhaltlich mit Sachen auseinandersetzt, genauer hinschaut, erklärt und nicht durch einen historischen Exorzismus versucht, Probleme aus der Welt zu schaffen. Andererseits ist natürlich klar, dass in dem Moment, wo es in hochrepräsentativen Räumen geschieht, eine ganz andere auch mediale Dynamik entfacht."
(nho)