Emma Southon: "Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen"

Von Partys und Putschversuchen

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Buchcover: Eine Geschichte des Römischen Reichs in 21 Frauen
© Aufbau-Verlag

Emma Southon

Aus dem Englischen von Rita Gravert und Caroline Weißbach

Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 FrauenAufbau Verlag, Berlin 2024

495 Seiten

28,00 Euro

Von Andrea Roedig |
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Frauen galten im Römischen Reich nicht viel und folglich ist in der klassischen Geschichtsschreibung Roms fast nur von Männern die Rede. Emma Southon dreht den Spieß um und erzählt das Imperium als weibliche Soap Opera.
„Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin“ – dieses feministische Motto gilt für Emma Southons Geschichte des Römischen Reiches gleich in zweifacher Hinsicht: Römerinnen, die sich angeblich skandalös aufführten, sind eher namentlich bekannt und erinnert als solche, die nur bescheiden ihre Rolle erfüllten. Aber auch die Autorin selbst spielt gern das böse Mädchen und die Schreckschraube der Historikerinnenzunft: Ihr Erzählstil ist frech, respektlos und gerne auch mal deftig-vulgär.
Da wird Kaiser Caracalla „beim Kacken erstochen“ und eine Prinzessin „vögelt“ sich durch den Senat, Seneca wird als „Finanzhai“ beschrieben und römischer Humor als so komisch „wie Syphilis“. Emma Southon kann sich das leisten, denn sie kennt ihr Fach in- und auswendig, hat aber alle akademischen Ambitionen fahren lassen und schreibt nun, wie es ihr gefällt: Geschichte als Soap Opera.

Kaiser sind Nebensache

Die Quellenlage ist dürftig. Glaubt man Southon, gibt es für die ersten 600 Jahre des Imperiums ganze sechs namentliche Erwähnungen von Frauen. Dennoch trägt die Autorin insgesamt eine Menge zusammen, sodass sie anhand von 21 mehr oder weniger bekannten Protagonistinnen die ganze Geschichte des Römischen Reiches von der Gründung bis zum Zerfall erzählen kann – und zwar fast ohne Schlachten und Beutezüge, die Southon erklärtermaßen nicht interessieren.
Die Kaiser und Herrscher werden hier zu Nebenfiguren, die klassischen Historiografen von Titus Livius bis Edward Gibbon kritisch kommentiert – denn klarerweise sei deren misogyner Frauendarstellung nicht zu trauen.

Römische Frauen haben Spaß

Southon dreht den Spieß um und schreibt konsequent aus weiblicher Perspektive, etwa wenn sie fragt, wie es sich für Julia Caesar wohl anfühlte, ihre Söhne an den eigenen Vater zu verlieren – Kaiser Augustus adoptierte seine Enkel, um die Thronfolge zu sichern – oder wie Julia Maesa es schaffte, ihre Machtkämpfe während der Menopause durchzuführen. Dabei weigert Southon sich, Frauen als Opfer darzustellen, eher attestiert sie ihnen „scharfe“ Liebhaber und Liebhaberinnen, gesunden Machthunger und die Lust an Partys und Putschversuchen.
Die 21 Biografien dienen aber auch dazu, verschiedene Aspekte des römischen Lebens zu beschreiben: Es geht ums Eherecht und Priestertum, die Tugendideale für Frauen, den Kult der Vestalinnen, die moralisierende Rolle der Geschichtsschreibung. Die Erzählung greift zudem auf Randgebiete des Römischen Reiches aus. Die Protagonistinnen stammen aus Syria oder Britannien, waren Immobilienbesitzerin in Pompeji oder lebten mit ihren Familien im militärischen Außenposten Vindolanda, wo man, entgegen der gängigen Vorstellung, nicht nur militärisch-asketischen Haferschleim aß.

Ein vielschichtiges Imperium

Emma Southon imaginiert die römischen Frauenleben mit all ihren grausamen, aber auch lustvollen Komponenten, immer in dem Bestreben, ein „größeres und vielschichtigeres“ Imperium zu zeichnen. Und ein „realistischeres“, denn das Römische Reich war natürlich „nie ausschließlich weiß, westlich oder männlich und nie perfekt“. Bei der Lektüre kann der gewollt witzige Ton der Darstellung und die kumpelhafte Ansprache der Leserinnen und Leser auf die Nerven gehen. Gleichzeitig aber liest sich diese Geschichte flüssig und flott, und vor allem öffnet sie die Augen dafür, wie viel an selbstverständlicher Misogynie in den klassischen Rom-Darstellungen steckt.
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