Ethikrat will Debatte über Lockerung anstoßen
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Der Deutsche Ethikrat hat Empfehlungen zur Bewältigung der Coronakrise vorgestellt. Darin geht es um eine Öffnungsperspektive, aber auch um die notwendige Debatte über die Bedingungen für eine Rückkehr zur Normalität.
"Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise" - unter diesem Titel hat der Deutsche Ethikrat ein achtseitiges Papier mit Empfehlungen zur aktuellen Krise vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen zwei Aspekte: die Triage und die Öffnungsperspektive.
Die Ressourcen für eine umfassende medizinische Betreuung sind bisher ausreichend vorhanden gewesen, sodass man nicht vor der Entscheidung gestanden hat, sich entscheiden zu müssen, welchen Patienten man betreut und welchen nicht. Nun ist die Öffnungsperspektive wichtig, also die Lockerung der derzeitigen Freiheitsbeschränkungen.
Licht am Ende des Tunnels
"Was wir als Ethikrat eigentlich anregen wollten, ist eine Diskussion darüber, nicht wann, sondern unter welchen Bedingungen wir eine solche Renormalisierungsstrategie beginnen können", sagt Steffen Augsberg, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Gießen und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Es sei psychologisch wichtig, dass Menschen ein Licht am Ende des Tunnels sähen. Deshalb wolle man Hoffnungen wecken. "Aber dieses Licht kann natürlich unterschiedlich weit entfernt sein, der Tunnel unterschiedlich lang", so Augsberg. Sollte eine solche Diskussion ausbleiben, könne dies zu Enttäuschung, Missmut und Vertrauensverlust in der Bevölkerung führen.
Vielfältige Positionen wichtig
Der Ethikrat sei ein vielfältig besetztes Gremium, das sich durch Diskussionen auszeichne, sagt Augsberg. "Wir versuchen, uns den Themen so zu nähern, dass wir gewissermaßen im Kleinen deliberativ das vorwegnehmen, was im Großen in der Gesellschaft ja auch stattfinden würde." Jetzt hätten juristische, philosophische und medizinische Positionen zu Auseinandersetzungen geführt. Am Ende sei es dann aber zu gemeinsamen Ad-hoc-Empfehlungen gekommen.
"Skeptizismus ist eine Grundtugend der Wissenschaft", sagt Augsberg. Insofern müsse man dem eigenen Kenntnisstand immer skeptisch begegnen. Der Jurist warnt aber auch vor zu großem Vertrauen in einzelne Disziplinen. "Es geht hier um Probleme, die so komplex sind, dass sie sich eben nicht von einzelnen Wissenschaftlern oder einzelnen Disziplinen irgendwie lösen lassen." Stattdessen sei eine Vielzahl von Informationen unterschiedlicher Personen, Institutionen und wissenschaftlicher Disziplinen nötig. "Alle müssen sich darüber im Klaren sein, dass das, was sie für den derzeit besten Stand ihres Wissens zu dieser Erkenntnis halten, sich natürlich irgendwie morgen schon verändern kann."
(ckr)