Empörungsmaschinerie im Netz

Facebook - Diskussionskultur auf Abwegen

Illustration: Zwei Geschäftsmänner zerreißen eine Sprechblase
© imago stock&people / Eva Bee
Von Liane Bednarz · 29.08.2017
Höflicher Meinungsaustausch statt Hass und Häme – für viele war Facebook der Traum einer basisdemokratischen Diskussionsplattform. Juristin und Autorin Liane Bednarz findet, wir sollten Facebook nicht endgültig zu einem Jahrmarkt der verbissenen Rechthaberei verkommen lassen.
Ein paar Jahre lang wirkten die sozialen Medien, allen voran Facebook, wie eine Sommerfrische der deutschen Diskussionskultur: Plötzlich waren lebhafte, ja konstruktive Debatten möglich. Facebook riss die Grenze zwischen Journalisten und Lesern ein. Endlich konnte man direkt mit Meinungsmachern in Kontakt treten statt Leserbriefe zu schreiben, ohne zu wissen, ob diese überhaupt veröffentlicht werden. Das hatte etwas Anti-Elitäres und belebte diverse Debatten ungemein. Zumal sich viele Publizisten auf der Plattform unprätentiös gaben: Nicht selten fragten sie ihre Facebook-Freunde gezielt nach Input zu bestimmten Themen.
Umgekehrt hatten Menschen, die nicht länger nur Leserbriefschreiber, sondern namentlich bekannte Facebook-Freunde waren, Spaß daran, ihre Ansichten auf diese Weise mit einer gewissen Reichweite zu verbreiten. Zeitlich setzte diese Entwicklung vor allem durch die Einführung der so genannten "Chronik" im Jahre 2012 ein. Zu Beginn war das Portal eher von Spielen wie Farmville geprägt. In den ersten Jahren danach waren die Diskurse höflich, der Meinungsaustausch von echtem Interesse gekennzeichnet. Kommentatoren gaben sich wirklich Mühe, Gedanken und Gegenargumente aufzunehmen oder weiter zu entwickeln. Diese Art der Diskussion hatte einen echten Mehrwert für alle Beteiligten.

Emotionale Ausbrüche verdrängen Sachargumente

Das hat sich grundlegend geändert. Inzwischen wird auf Facebook zunehmend aneinander vorbeigeredet. Ein empörter Ton, ja Wut hat Einzug gehalten. Dieser Prozess hat mit dem Aufkommen der Pegida-Bewegung im Herbst 2014 enormen Schwung genommen. Emotionale Ausbrüche ersetzen zunehmend Sachargumente – nicht nur auf Seiten von Pegida- und AfD-Anhängern. Wenn Pegida-Sympathisanten "Volksverräter", "Merkel-Regime" oder "Lügenpresse" in die Tasten hauen, schleudert die Gegenseite ihnen oft "Pack" entgegen.
Aggressivität und Dünnhäutigkeit haben sich breit gemacht. Zunehmend möchten User bloß ihre eigene Meinung bestätigt wissen: Egal ob links, oder rechts; liberal oder unpolitisch. Das Verlangen nach Gleichgesinnten ist längst nicht mehr auf die so genannten "Wutbürger" begrenzt. Möglichst viele Likes zu bekommen, ist wichtiger geworden als die Bereitschaft, seine vorgefassten Meinungen zu überdenken.

Schluss mit dem Jahrmarkt der verbissenen Rechthaberei

Liken statt denken: Schnelle Bestätigung der eigenen Gefühlslage statt gedanklicher Auseinandersetzung mit dem Anderen – ich habe das selbst erlebt. Zahlreiche linksgerichtete Facebook-Freunde, die meine kritischen Äußerungen zur AfD bis dato ganz prima fanden, schrieben Anfang Juli mit einem Schlag zornige Kommentare. Warum? Weil ich es gewagt hatte, die linke Gewalt anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg beim Namen zu nennen.
Für manche wurde ich sogar zu einer Art Feindbild. Zumindest solange, bis ich wieder kritisch über die AfD schrieb, wie sie es von mir gewohnt waren. Meine Erfahrungen sind kein Einzelfall. Vermittelnde Moderationen auf Facebook werden immer seltener akzeptiert. Löscht man als Beschimpfter ausfällige Kommentare, erhält man beleidigte Mails. Entfreundet man Menschen, die zu dreist werden, muss man damit rechnen, dass diese wochenlang auf anderen Seiten lästern, statt einfach mal "Sorry" zu sagen.
Mich beschleicht inzwischen eine gewisse Facebook-Müdigkeit. Dabei wäre es schade, wenn dieses ursprünglich so basisdemokratische Medium endgültig zu einem Jahrmarkt der verbissenen Rechthaberei verkommen würde. Diesen Trend aufzuhalten, dürfte nicht leicht werden. Zuallererst sollte jeder ein Mindestmaß an Netiquette auf der eigenen Facebook-Seite einfordern und selber einhalten. Sachlich zu bleiben und selber Widerspruch in der Sache auszuhalten, würde die Diskussionskultur im Netz ebenfalls wiederbeleben.
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz aufgenommen am 27.09.2015 in Köln.
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz.© dpa / picture alliance/ Horst Galuschka

Liane Bednarz, Dr. iur., geboren am 28. März 1974 in Wuppertal, hat in Passau, Genf und Heidelberg Rechtswissenschaften studiert. Kolumnistin auf Tagesspiegel Causa. Zahlreiche weitere Veröffentlichungen u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, im Kursbuch, im Tagesspiegel, auf Spiegel Online, im Focus, auf Übermedien, in der katholischen Tagespost, in Christ & Welt/DIE ZEIT, in der Jüdischen Allgemeinen, der Huffington Post und im European. 2014 wurde sie mit dem Feuilletonpreis "Goldener Maulwurf" ausgezeichnet. Zusammen mit Christoph Giesa hat sie das Buch "Gefährliche Bürger – Die neue Rechte greift nach der Mitte" sowie das E-book "Deutschland dreht durch – Die Wahrheit über die AfD" verfasst (jeweils Carl Hanser Verlag, 2015).

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