Amina Aziz (Hg.): "Encyclopaedia Almanica"
Edition Assemblage, Münster 2020
96 Seiten, 9,80 Euro
So tickt er, der Alman
05:39 Minuten
Ein Nachschlagewerk über weiße Deutsche, eben über "Almans": Das verspricht der Titel „Encyclopaedia Almanica“. Das Buch versammelt Tweets von People of Color - und zeigt so weißen Deutschen, was es heißt, immer als "Ausländer" gesehen zu werden.
"Alman" heißt auf Türkisch "Deutsch". Der Begriff "Almans" steht seit ein paar Jahren für stereotype Deutsche – vor allem auf Twitter wird er viel verwendet. Mit der "Encyclopaedia Almanica" ist nun ein Buch erschienen, das laut seinem Titel also eine Enzyklopädie über "die Deutschen" ist. Allerdings besteht dieses Nachschlagewerk nur aus den Tweets einer Handvoll Menschen.
Die Weigerung, etwas zu erklären
Diese Enzyklopädie wolle eine "Verweigerung" sein, erklärt Sebastian Dörfler von Deutschlandfunk Kultur. Sie wolle nicht verständlich sein oder irgendetwas erklären, sondern Stimmen zusammenstellen, die – so heißt es im Buch – entweder "zu laut, zu Schwarz, zu dick, zu be_hindert, zu ausländisch, nicht akademisch genug sind", um in der Debatte gehört zu werden. "Für diese Stimmen ist Twitter eben nach wie vor eine wichtige Plattform, um sich Gehör zu verschaffen."
Das Besondere an der "Encyclopaedia Almanica": Die Tweet-Sammlung dreht die Perspektive um. "Hier spricht nicht mehr die Mehrheitsgesellschaft über ‚die Ausländer‘ oder ‚die Flüchtlinge‘ – sondern hier sprechen diese Minderheiten über die ‚Almans‘, also über die Deutschen", so Doerfler.
Die in dem Buch versammelten Tweets stammen von sechs People of Color und Schwarzen Menschen, etwa von Hengameh Yaghoobifarah, tätig für das Missy Magazin und die taz, und der Autorin Bahar Sheikh.
Die Accounts aller Beteiligten seien immer wieder gesperrt worden, nachdem sie von anderen Twitter-Nutzern gemeldet wurden, sagt Dörfler. Wenn sich zum Beispiel Deutsche – und vor allem seien das Männer – von den Tweets gegen "die Almans" angegriffen fühlen und diese Tweets melden würden, dann gebe dem Twitter sehr häufig nach. "Das Büchlein ist also auch der Versuch, diese Tweets zu konservieren."
Aufzeigen eines Machtgefälles
Als weißer deutscher Mann gehört Rezensent Sebastian Doerfler zur Gruppe, die in den Tweets thematisiert und dabei nicht immer mit Samthandschuhen angefasst wird. Aber das könne man aushalten, so Doerfler. Es gehe nie gegen eine konkrete Person, sondern stattdessen um das Aufzeigen eines Machtgefälles. "Hier bekommt man gespiegelt, wie das eigentlich so ist, wenn du immer nur als Gruppe wahrgenommen und auch abgewertet wirst."
Für Menschen, die noch nie auf Twitter waren, sei das bestimmt gewöhnungsbedürftig. Die gesammelten Tweets in der "Encyclopaedia Almanica" seien manchmal auch vielleicht ein bisschen plump. Aber, sagt Doerfler: "Gerade in Zeiten, in denen wir angeblich alle gleich sind im Kampf gegen ein Virus, ist so ein bisschen Verstörung und das Aufzeigen von Ungleichheiten durchaus notwendig."
(jfr)