Klima-Chaos und Kapitalismus-Kollaps?
Die fetten Jahre sind vorbei – mit dieser Gewissheit wachsen die Kinder des neuen Jahrtausends auf. Schließlich sind die "Grenzen des Wachstums" seit mehr als vierzig Jahren bekannt. Weitermachen wie bisher sei keine Option, meint die Autorin Greta Taubert, Jahrgang 1983, und plädiert für ein neues Miteinander.
Die Weltbevölkerung wächst, die Ressourcen werden knapp, die Erdölvorräte sind fast erschöpft, das Klima kollabiert, die Staatsschulden sind astronomisch, der globale Kapitalismus dreht durch. Ich kann es einfach nicht mehr hören. Von Kindesbeinen an wurde die Generation der heute Um-die-Dreißig-Jährigen mit apokalyptischen Szenarien erschreckt. "Stellt euch auf härtere Zeiten ein!", mahnen die Alten. "Das geht nicht mehr lange gut", sagen sie - und murmeln hinterher: "Hoffentlich bin ich dann schon tot."
Als erste Generation seit Langem sind wir Jüngeren damit konfrontiert, dass unsere wirtschaftliche Zukunft nicht besser werden kann als die unserer Eltern. Wir haben ja schon alles im Überfluss. Essen, Kleidung, Autos, Technik, Ablenkung – von allem, was man mit Geld kaufen kann, ist genug da. Wir erben ein Wirtschaftssystem, das sich 250 Jahre lang extrem erfolgreich in der ganzen Welt verbreitet hat, wir profitieren davon jeden Tag, wir finden es sogar ziemlich komfortabel. Gleichzeitig wissen wir: Es hat seine besten Tage hinter sich.
Und das liegt an einem zentralen Widerspruch. Unser ökonomisches System braucht die Perspektive eines unendlichen Wachstums, unsere ökologische Welt ist aber begrenzt. Vor vierzig Jahren, als der legendäre Club of Rome seinen Bericht über "Die Grenzen des Wachstums" veröffentlichte, wäre es noch möglich gewesen, beide Welten in Einklang zu bringen, die ökonomische und ökologische. Jetzt sei es dafür zu spät, sagen die Autoren heute.
Neue Ideen des Zusammenlebens
Das lässt uns, die noch einen großen Teil des neuen Jahrhunderts erleben werden, zwei Optionen. Die erste: Wir drücken den Untergangsgrusel weiterhin weg, stöpseln uns die iPod-Kopfhörer in die Ohren, gucken uns Katzenvideos auf Youtube an und warten auf den großen Knall. Irgendwie wird es schon weitergehen. Oder, die zweite Möglichkeit: Wir bereiten uns schon jetzt auf eine Zeit nach dem Überfluss vor. Wenn wir wissen, dass wir uns früher oder später mit weniger einrichten müssen – warum sollten wir bis zu diesem Punkt warten und schicksalsergeben nehmen, was wir dann noch kriegen können. Natürlich: Wenn sich der Hyperkonsum überdreht hat, wird es weiterhin Konsum geben. Aber wohin mit dem "Hyper"? Womit füllen wir dann dieses Bedürfnis nach mehr: mehr Geld, mehr Waren, mehr Komfort?
Neue Ideen des Zusammenlebens findet man an vielen Ecken der Gesellschaft. Die Evolutionäre für ein Leben im "Weniger" sind überall. Urbane Gärtner verzichten auf globale Lebensmittelimporte und probieren aus, wie eine lokale Lebensmittelproduktion schmeckt. Do-it-yourself-Anhänger verzichten auf industrielle Massenware und basteln selbst, was sie brauchen. Technikbegeisterte Maker gehen noch weiter übernehmen mit 3D-Druckern die Produktionsmittel gleich ganz. Tausch- und Teilwirtschafter verzichten auf die Währung Geld, um die bereits vorhandenen Dinge weiterzugeben. Der freiwillige Verzicht ist an vielen Stellen der Gesellschaft angekommen, nicht nur in linken Öko-Milieus. Und das Besondere daran: Er wird schick. Er fühlt sich gut an. Und er bringt Menschen näher zusammen als es ein Supermarkt je könnte.
Ich-Denken durch ein "Wir-Gefühl" ersetzen
Mit der Sicherheit des alten Lebens im Rücken lässt sich das neue Leben im "Weniger" bequem ausloten: weniger Konsumieren, weniger Verbrauchen, weniger Verschulden. Noch dürfen wir ausprobieren, scheitern, nachjustieren und wieder neu ansetzen. Was haben wir denn zu verlieren – außer der eigenen Angst?
Natürlich kann keine selbstgezogene Möhre aus dem Nachbarschaftsgarten die industrielle Landwirtschaft ablösen. Kein selbst gebauter oder ausgedruckter Stuhl macht die Massenproduktion überflüssig. Und der Hyperkonsum endet in keiner rauschenden Klamottentauschparty. Doch wenn wir erkennen, dass es an so vielen Stellen der Gesellschaft den Wunsch nach einem neuen Miteinander und Füreinander gibt, kann das die Grundlage für ein anderes Wertebewusstsein sein.
Vielleicht sind wir von einem Land gar nicht mehr so weit entfernt, in dem Ansehen, Status und Respekt nicht mehr daraus erwachsen, was wir selbst haben, sondern was wir der Gemeinschaft geben. Das würde zumindest dem Hyperkonsum seine gemeine Vorsilbe wegnehmen. Und wenn wir es schaffen, das Ich-Denken durch ein neues "Wir-Gefühl" zu ersetzen, können wir den Alten mit ihren Apokalypse-Mahnungen antworten: "Da kommen gute Zeiten auf uns zu. Hoffentlich bin ich dann noch nicht tot."
Greta Taubert, geboren 1983, ist Autorin in Leipzig und schreibt unter anderem für das SZ Magazin, Vice oder die FAS. Ihre Recherchen führen sie mit Vorliebe dorthin, wo es unbequem, schmutzig oder riskant ist: auf den Transenstrich im serbischen Belgrad, zu Kinderhändlern im äthiopischen Hochland, in Blutrachehäuser in den Albanischen Alpen. Für das Sachbuch "Apokalypse Jetzt! Wie ich mich auf eine neue Gesellschaft vorbereite" (2014 im Eichborn-Verlag) hat sie sich in intensiven Selbstversuchen ein Jahr lang auf das Ende des westlichen Wohlstands vorbereitet.