Ende des Patriarchats bei der Kindererziehung
Noch bis 1959 stand dem männlichen Familienoberhaupt die rechtliche Vorherrschaft bei der Kindererziehung zu. Dann setzte das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz zur elterlichen Gleichberechtigung durch.
Einen fatalen, aber gleichwohl uralten und tief ins Rechtsgefühl eingewachsenen Irrtum musste das Bundesverfassungsgericht überwinden, als es am 29. Juli 1959 die rechtliche Alleinherrschaft des Mannes in der Familie beendete. Über das sogenannte Stichentscheidsurteil sagt Dr. Meo-Micaela Hahne, Vorsitzende des Familiensenats beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe und damit Deutschlands oberste Familienrichterin:
"Das war schon ein Meilenstein in der Entwicklung des Ehe- und Familienrechts, obwohl später auch noch andere Meilensteine hinzukamen."
Begonnen hatte der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall mit einem "Malörschen", also einem kleinen Unglück, wie man in Köln damals ein nicht ehelich gezeugtes Kind nannte. Das Besondere war, dass der Vater des Malörschens selber noch minderjährig war und folglich die Pflicht zur Zahlung von Alimenten nicht rechtsverbindlich anerkennen konnte. Dazu brauchte er seine Eltern. Der Vater sagte Ja, die Mutter Nein. Wessen Wort galt nun? Die Antwort des Gesetzes aus dem Jahre 1957 war eindeutig.
"Der Grundgedanke war, dass man die Familie als Einheit bewahren wollte. Da lag es nahe, dass man sagte, im Falle von Zwistigkeiten, Streitigkeiten soll eben einer streitentscheidend wirken dürfen."
Und dieser eine war seit eh und je der Mann. Allerdings hatte die Bundesrepublik seit 1949 eine neue Verfassung. Darin stand, Männer und Frauen seien gleichberechtigt und bis 1953 müsse das alte Familienrecht angepasst werden. Die durchweg männlich dominierten gesetzgebenden Körperschaften nahmen sich dieses Verfassungsauftrags indes ohne jede Übereilung an. Ganze acht Jahre brüteten sie über dem sogenannten Gleichberechtigungsgesetz und das Ergebnis war, dass wegen der angeblich naturrechtlich vorgegebenen "besonderen Wesensart" der Frau alles beim Alten bleiben müsse: Der Vater sollte auch nach dem neuen §1629 BGB alleiniger gesetzlicher Vertreter des Kindes sein und hatte nach §1628 BGB bei Meinungsverschiedenheiten das letzte Wort. Das war dem Bundesverfassungsgericht viel zu viel naturrechtliche Verbrämung und viel zu wenig Verfassungstreue. Beide Paragrafen hat es im Fall des Malörschens kassiert. Die Zeit war wohl auch überreif.
"Die ganze Entwicklung, die das Recht genommen hat, hat ja im Grunde nachvollzogen, was sich bereits auf gesellschaftspolitischem Gebiet vollzogen hatte. Denn insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Mutter ja dann auch Vaterrolle und die Rolle des Entscheidungsträgers übernehmen und die Familie über Wasser halten, wenn der Vater in Gefangenschaft geraten oder gar gefallen war."
Und heute? Längst spricht das Gesetz nicht mehr, wie früher, von elterlicher Gewalt, sondern von elterlicher Sorge. Dreh- und Angelpunkt ist das Kindeswohl. Die Eltern treffen nach dem Gesetz die Entscheidungen gemeinsam, selbst wenn sie geschieden sind. Ist das eigentlich realistisch?
"Es hat wirklich ein Umdenkungsprozess bei den Eltern eingesetzt und das ist auch sehr gut, weil es dem Kindeswohl dient. Jeder Streit um die elterliche Sorge, jeder Streit um das Umgangsrecht, zumal, wenn er manchmal sehr erbittert ausgeführt wird, schadet den Kindern."
Das Stichentscheids-Urteil machte schnell Furore. Die christliche Presse sah schon die Suffragetten an die Macht stiefeln und das Abendland in den Untergang treiben. Von der damals einzigen und bis dahin ersten Frau im Kollegium des Bundesverfassungsgerichts heißt es dagegen, sie habe bei der Urteilsverkündung am 29. Juli 1959 leise gelächelt. Ob sie voraussah, dass es einmal Zeiten geben würde, in denen Männer ihre ohne Ehe gezeugten Kinder nicht mehr als kleines Unglück, sondern als großes Glück betrachten und nun ihrerseits ein Diskriminierungsproblem haben, weil das Gesetz bis heute der unehelichen Mutter in der Regel das Sorgerecht zuweist?
"Es gibt Paare, die haben nicht ehelich zusammengelebt wie in einer Ehe, da sind echte Bindungen zu den gemeinsamen Kindern entstanden und da ist es umso schlimmer, wenn dann bei der Trennung jegliche Verbindung mit dem anderen Elternteil abreißt."
Es gibt noch Arbeit für mutige Richter.
"Das war schon ein Meilenstein in der Entwicklung des Ehe- und Familienrechts, obwohl später auch noch andere Meilensteine hinzukamen."
Begonnen hatte der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall mit einem "Malörschen", also einem kleinen Unglück, wie man in Köln damals ein nicht ehelich gezeugtes Kind nannte. Das Besondere war, dass der Vater des Malörschens selber noch minderjährig war und folglich die Pflicht zur Zahlung von Alimenten nicht rechtsverbindlich anerkennen konnte. Dazu brauchte er seine Eltern. Der Vater sagte Ja, die Mutter Nein. Wessen Wort galt nun? Die Antwort des Gesetzes aus dem Jahre 1957 war eindeutig.
"Der Grundgedanke war, dass man die Familie als Einheit bewahren wollte. Da lag es nahe, dass man sagte, im Falle von Zwistigkeiten, Streitigkeiten soll eben einer streitentscheidend wirken dürfen."
Und dieser eine war seit eh und je der Mann. Allerdings hatte die Bundesrepublik seit 1949 eine neue Verfassung. Darin stand, Männer und Frauen seien gleichberechtigt und bis 1953 müsse das alte Familienrecht angepasst werden. Die durchweg männlich dominierten gesetzgebenden Körperschaften nahmen sich dieses Verfassungsauftrags indes ohne jede Übereilung an. Ganze acht Jahre brüteten sie über dem sogenannten Gleichberechtigungsgesetz und das Ergebnis war, dass wegen der angeblich naturrechtlich vorgegebenen "besonderen Wesensart" der Frau alles beim Alten bleiben müsse: Der Vater sollte auch nach dem neuen §1629 BGB alleiniger gesetzlicher Vertreter des Kindes sein und hatte nach §1628 BGB bei Meinungsverschiedenheiten das letzte Wort. Das war dem Bundesverfassungsgericht viel zu viel naturrechtliche Verbrämung und viel zu wenig Verfassungstreue. Beide Paragrafen hat es im Fall des Malörschens kassiert. Die Zeit war wohl auch überreif.
"Die ganze Entwicklung, die das Recht genommen hat, hat ja im Grunde nachvollzogen, was sich bereits auf gesellschaftspolitischem Gebiet vollzogen hatte. Denn insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Mutter ja dann auch Vaterrolle und die Rolle des Entscheidungsträgers übernehmen und die Familie über Wasser halten, wenn der Vater in Gefangenschaft geraten oder gar gefallen war."
Und heute? Längst spricht das Gesetz nicht mehr, wie früher, von elterlicher Gewalt, sondern von elterlicher Sorge. Dreh- und Angelpunkt ist das Kindeswohl. Die Eltern treffen nach dem Gesetz die Entscheidungen gemeinsam, selbst wenn sie geschieden sind. Ist das eigentlich realistisch?
"Es hat wirklich ein Umdenkungsprozess bei den Eltern eingesetzt und das ist auch sehr gut, weil es dem Kindeswohl dient. Jeder Streit um die elterliche Sorge, jeder Streit um das Umgangsrecht, zumal, wenn er manchmal sehr erbittert ausgeführt wird, schadet den Kindern."
Das Stichentscheids-Urteil machte schnell Furore. Die christliche Presse sah schon die Suffragetten an die Macht stiefeln und das Abendland in den Untergang treiben. Von der damals einzigen und bis dahin ersten Frau im Kollegium des Bundesverfassungsgerichts heißt es dagegen, sie habe bei der Urteilsverkündung am 29. Juli 1959 leise gelächelt. Ob sie voraussah, dass es einmal Zeiten geben würde, in denen Männer ihre ohne Ehe gezeugten Kinder nicht mehr als kleines Unglück, sondern als großes Glück betrachten und nun ihrerseits ein Diskriminierungsproblem haben, weil das Gesetz bis heute der unehelichen Mutter in der Regel das Sorgerecht zuweist?
"Es gibt Paare, die haben nicht ehelich zusammengelebt wie in einer Ehe, da sind echte Bindungen zu den gemeinsamen Kindern entstanden und da ist es umso schlimmer, wenn dann bei der Trennung jegliche Verbindung mit dem anderen Elternteil abreißt."
Es gibt noch Arbeit für mutige Richter.