Ende einer Ära
Die ungezählten Leuchttürme haben ausgedient. Moderne Navigationssysteme haben sie überflüssig gemacht. Dabei waren Leuchttürme stets mehr als ein Hilfsmittel der Schifffahrt: Ihre symbolhafte Ausstrahlung leuchtete weit über die nächste Hafeneinfahrt hinaus.
Wer hat sie je gezählt? Wer kennt all ihre Namen? Die Türme mit rotierenden oder starren, blinkenden Leuchtstrahlen säumen Seestraßen oder signalisieren: "Hallo, hier ist die Hafeneinfahrt!" Gern nutzt man ihr Herausragen aus den tosenden Wellen zur Metaphernbildung. Da mutieren Kultureinrichtungen, gewesene Ministerpräsidentinnen und just gekürte Kanzlerkandidatinnen flugs zum Leuchtturm, und im Überschwang kann schon mal ein ganzes Volk zum Leuchtturm erklärt werden, wie es im Mai den Georgiern geschah, denen der US-Präsident George W. Bush zurief, sie seien souverän und frei und ein Leuchtturm der Freiheit für diese Region und die Welt.
Bush: "They could not crush the spirit of the Georgian people!” (Beifall, Kreuzblende auf:"
Ja, sie werden nicht mehr gebraucht. Die zur Navigation auf hoher See nötigen Signale kommen nun von ganz oben: GPS, das Global Positioning System, hat übernommen. Vierundzwanzig Satelliten umkreisen in ungefähr 24 000 Kilometer Höhe die Erde und senden genaueste Angaben über ihre Position. Unten müssen vier verschiedene Signale empfangen und verglichen werden, dann ist eine Ortsbestimmung zu Wasser und zu Lande bis auf vier Meter Genauigkeit möglich.
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Kreise, o gütiges Feuer! Erhelle die tückischen Wasser! Leite den Seemann im Sturm sicher zum schützenden Port!" Thunder-Rock-Feuer, Anno Domini 1901."
Ein Leuchtturm, bekannt von Bühne, Film und Hörspiel. Der amerikanische Autor Robert Ardrey schrieb das Bühnenstück "Thunder Rock" 1939. Hauptperson ist der Journalist Daniel Charleston. Er hat sich als Leuchtturmwärter von "Thunder Rock" im Michigansee anstellen lassen. Ein verbitterter Mann ist dieser Charleston, in der Hörspiel-Adaption des Südwestfunks von 1947 gesprochen von Albrecht Schönhals.
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Wie ich vom Spanischen Bürgerkrieg zurückgekommen bin, da habe ich die Zeitungen aufgegeben. Ich war wie ein Schiffbrüchiger. Ich sah nichts mehr vor mir. Ich konnte nicht mehr sachlich sein, ich konnte nicht mehr Bericht erstatten. Ich fühlte mich zu nichts mehr berufen, auch nicht zum Kämpfer. Wenn ein Mann erst so weit gekommen ist, dass er sich ehrlich eingestehen muss, wir finden für unsere Probleme keine Lösung, weil es überhaupt keine Lösung gibt, dann wird auch der mutigste Kampf ein Inferno. Ich habe diesen Posten übernommen, um mich selbst außer Verkehr zu setzen, um ganz mit mir allein zu sein."
Robert Ardreys Stück "Thunder Rock" zeigt den Leuchtturmwärter Charleston als Schöpfer einer besseren Welt. Er hat entdeckt, dass das Seezeichen dereinst gebaut wurde, weil nahebei ein Schiff mit Auswanderern aus dem alten Europa jämmerlich versank und mit ihm alle Hoffnungen, mit denen die von der Staatsmacht verfolgte Frauenrechtlerin, der Antimonarchist, der wegen seiner neuartigen Behandlungsmethoden angefeindete Arzt 1849 in die Neue Welt aufgebrochen waren. Sie alle erweckt Charleston in der Einsamkeit seines Jobs zu neuem Leben und diskutiert mit ihnen über den Sinn des Daseins. Am Ende, als sie verzweifeln an der Unmöglichkeit, die Menschen zu bessern, eröffnet er ihnen, dass sie alle tot sind und berichtet, dass ihre Ideen den Keim für die Welt des Zwanzigsten Jahrhunderts legten. Dem Arzt geht zuerst ein Licht auf:
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Haben Sie nun begriffen? Jedes Hindernis, das sich der Zivilisation entgegenstellt, wird beseitigt. Früher oder später. – Höre auf ihn, Charleston! Für dich ist es noch nicht zu spät. – Ich habe es damals aufgegeben. Ich sah nichts als einen hoffnungslosen Kampf. Ach, wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß: Jedes Problem, das die Menschheit erst einmal ins Auge fasst und in Angriff nimmt, findet früher oder später seine Lösung. Wir Menschen haben lediglich die Macht zu bestimmen, wann. Wird es bald sein oder später? Einverstanden? – Ja, sie verlangen nach einer logischen, positiven Zuversicht. Sie brauchen ein Leuchtfeuer für ihren ferneren Weg. Sie haben es! – Schön, die Welt hat also eine Zukunft. Aber ich? Was wäre jetzt meine Aufgabe? – Das erste Problem, das wir ins Auge fassen müssen, ist der Krieg. Wir haben doch Grund anzunehmen, guter Freund, dass es eines Tages keine Kriege mehr geben wird."
Als das Bühnenstück uraufgeführt war, hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, der Film "Thunder Rock" wurde 1942 in Großbritannien gedreht. Er muss im Bombenhagel über London starke Eindrücke hinterlassen haben, denn die dort im Exil lebende Berliner Schriftstellerin Gabriele Tergit baute das Motiv "Thunder Rock" (an der Menschheit verzweifelter Journalist, Rettung durch Einsicht) gleich dreimal in ihren Nachkriegsroman "Der erste Zug nach Berlin" ein. Ein amerikanischer Journalist, der den Deutschen im Jahr 1945 Demokratie beibringen soll, trifft nach langer Suche einen kurz vorm Hungertod dahinsiechenden antifaschistischen deutschen Kollegen im Ruinenversteck. Der Amerikaner sagt:
" Wer von uns kann über diese Geschichte der letzten dreißig Jahre hinwegkommen? Es gibt nicht genug Stellen für Leuchtturmwächter, was das einzige ist, was ein anständiger Mensch tun kann. Ich bringe Ihnen ein großartiges englisches Stück, das uns allen aus dem Herzen gesprochen ist und "Thunder Rock" heißt. Es wurde 1939 geschrieben über einen, der – verzweifelt über die Appeasementpolitik – Leuchtturmwärter wurde."
Michael Redgrave, James Mason und Lilli Palmer waren die Stars in dem Film von 1942. 1947 wurde das zitierte Hörspiel beim Südwestrundfunk gesendet. Bald darauf stand Ernst Busch in Berliner Hebbel-Theater in der Rolle des Leuchtturmwärter-Journalisten zum ersten Mal nach dem Krieg wieder auf der Bühne. Gespielt wurde nach einer Übersetzung des Schriftstellers und Theatermanns Rudolf Frank, der 1936 nach Österreich und dann in die Schweiz floh. Frank hatte 1922 Bert Brecht an die Münchener Kammerspiele geholt und danach viel in Berlin inszeniert.
Träume werden wahr: Seitdem die Leuchttürme nicht mehr für die Navigation gebraucht werden, werden sie neu genutzt: Als romantische Ferienwohnung, als Standesamt, als Dauerwohnsitz für Eremiten. Einige Türme wurden schon vor Jahrzehnten außer Betrieb genommen und durch automatisierte Systeme ersetzt. Der Dienst auf dem Seezeichen war hart und beschwerlich, einsam sowieso. Wenn die turnusmäßige Ablösung wegen des Wellengangs nicht kam, musste die Mannschaft ausharren. Nacht für Nacht hatte sie zu den offenen Feuern oben auf der Turm-Plattform, die das Licht erzeugten für den rotierenden Spiegel, fast eine Tonne Steinkohle zu schleppen. Da vernichtete die Erfindung der Elektrizität zwar Arbeitsplätze, aber wer würde ohne Not bei Sturm und Gischt dieser Knochenarbeit nachgehen? Der amerikanische Karikaturist Roland B. Wilson strichelte einst ein Bildchen, auf dem ein Leuchtturmwärter vor seinem Lampenhaus sitzt. Er ist allein und spricht zu dem leeren Lehnstuhl ihm gegenüber:
"Nicht bloß das, Bill – gestern habe ich mich schon dabei erwischt, dass ich Selbstgespräche führe."
Was macht der Segler ohne Leuchtfeuer? Nicht der Hochleistungssegler, der allein einmal um die Welt schippert und dem Konkurrenten schon hinter Kap Horn die Nase dreht. Der wird längst von GPS und anderen Schutzengeln geleitet. Der Einhandsegler, der mal schnell von Ostfriesland nach Helgoland will, sitzt schnell auf dem Treibsand des Wattenmeers, wenn er seine optischen Wegmarken nicht hat. Schon Poseidippos hatte anlässlich der Einweihung des Pharos von Alexandrien, jenes Leuchtturms, der zu den sieben Weltwundern der Antike zählte, gereimt:
" Auch der Schiffer, der ganznächtig fährt auf den Wogen des Meere, kann an der Turmspitze sehen mächtig ein Feuer in Glut."
Und hätte es die Literatur des Robert Louis Stevenson ohne Leuchttürme überhaupt gegeben? Sein Großvater und sein Vater bauten überall auf der Welt Leuchttürme. Stevenson selbst schrieb bloß, liegt aber neben einem Leuchtturm begraben.
Bush: "They could not crush the spirit of the Georgian people!” (Beifall, Kreuzblende auf:"
Ja, sie werden nicht mehr gebraucht. Die zur Navigation auf hoher See nötigen Signale kommen nun von ganz oben: GPS, das Global Positioning System, hat übernommen. Vierundzwanzig Satelliten umkreisen in ungefähr 24 000 Kilometer Höhe die Erde und senden genaueste Angaben über ihre Position. Unten müssen vier verschiedene Signale empfangen und verglichen werden, dann ist eine Ortsbestimmung zu Wasser und zu Lande bis auf vier Meter Genauigkeit möglich.
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Kreise, o gütiges Feuer! Erhelle die tückischen Wasser! Leite den Seemann im Sturm sicher zum schützenden Port!" Thunder-Rock-Feuer, Anno Domini 1901."
Ein Leuchtturm, bekannt von Bühne, Film und Hörspiel. Der amerikanische Autor Robert Ardrey schrieb das Bühnenstück "Thunder Rock" 1939. Hauptperson ist der Journalist Daniel Charleston. Er hat sich als Leuchtturmwärter von "Thunder Rock" im Michigansee anstellen lassen. Ein verbitterter Mann ist dieser Charleston, in der Hörspiel-Adaption des Südwestfunks von 1947 gesprochen von Albrecht Schönhals.
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Wie ich vom Spanischen Bürgerkrieg zurückgekommen bin, da habe ich die Zeitungen aufgegeben. Ich war wie ein Schiffbrüchiger. Ich sah nichts mehr vor mir. Ich konnte nicht mehr sachlich sein, ich konnte nicht mehr Bericht erstatten. Ich fühlte mich zu nichts mehr berufen, auch nicht zum Kämpfer. Wenn ein Mann erst so weit gekommen ist, dass er sich ehrlich eingestehen muss, wir finden für unsere Probleme keine Lösung, weil es überhaupt keine Lösung gibt, dann wird auch der mutigste Kampf ein Inferno. Ich habe diesen Posten übernommen, um mich selbst außer Verkehr zu setzen, um ganz mit mir allein zu sein."
Robert Ardreys Stück "Thunder Rock" zeigt den Leuchtturmwärter Charleston als Schöpfer einer besseren Welt. Er hat entdeckt, dass das Seezeichen dereinst gebaut wurde, weil nahebei ein Schiff mit Auswanderern aus dem alten Europa jämmerlich versank und mit ihm alle Hoffnungen, mit denen die von der Staatsmacht verfolgte Frauenrechtlerin, der Antimonarchist, der wegen seiner neuartigen Behandlungsmethoden angefeindete Arzt 1849 in die Neue Welt aufgebrochen waren. Sie alle erweckt Charleston in der Einsamkeit seines Jobs zu neuem Leben und diskutiert mit ihnen über den Sinn des Daseins. Am Ende, als sie verzweifeln an der Unmöglichkeit, die Menschen zu bessern, eröffnet er ihnen, dass sie alle tot sind und berichtet, dass ihre Ideen den Keim für die Welt des Zwanzigsten Jahrhunderts legten. Dem Arzt geht zuerst ein Licht auf:
"Leuchtfeuer" von Robert Ardrey: "Haben Sie nun begriffen? Jedes Hindernis, das sich der Zivilisation entgegenstellt, wird beseitigt. Früher oder später. – Höre auf ihn, Charleston! Für dich ist es noch nicht zu spät. – Ich habe es damals aufgegeben. Ich sah nichts als einen hoffnungslosen Kampf. Ach, wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß: Jedes Problem, das die Menschheit erst einmal ins Auge fasst und in Angriff nimmt, findet früher oder später seine Lösung. Wir Menschen haben lediglich die Macht zu bestimmen, wann. Wird es bald sein oder später? Einverstanden? – Ja, sie verlangen nach einer logischen, positiven Zuversicht. Sie brauchen ein Leuchtfeuer für ihren ferneren Weg. Sie haben es! – Schön, die Welt hat also eine Zukunft. Aber ich? Was wäre jetzt meine Aufgabe? – Das erste Problem, das wir ins Auge fassen müssen, ist der Krieg. Wir haben doch Grund anzunehmen, guter Freund, dass es eines Tages keine Kriege mehr geben wird."
Als das Bühnenstück uraufgeführt war, hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, der Film "Thunder Rock" wurde 1942 in Großbritannien gedreht. Er muss im Bombenhagel über London starke Eindrücke hinterlassen haben, denn die dort im Exil lebende Berliner Schriftstellerin Gabriele Tergit baute das Motiv "Thunder Rock" (an der Menschheit verzweifelter Journalist, Rettung durch Einsicht) gleich dreimal in ihren Nachkriegsroman "Der erste Zug nach Berlin" ein. Ein amerikanischer Journalist, der den Deutschen im Jahr 1945 Demokratie beibringen soll, trifft nach langer Suche einen kurz vorm Hungertod dahinsiechenden antifaschistischen deutschen Kollegen im Ruinenversteck. Der Amerikaner sagt:
" Wer von uns kann über diese Geschichte der letzten dreißig Jahre hinwegkommen? Es gibt nicht genug Stellen für Leuchtturmwächter, was das einzige ist, was ein anständiger Mensch tun kann. Ich bringe Ihnen ein großartiges englisches Stück, das uns allen aus dem Herzen gesprochen ist und "Thunder Rock" heißt. Es wurde 1939 geschrieben über einen, der – verzweifelt über die Appeasementpolitik – Leuchtturmwärter wurde."
Michael Redgrave, James Mason und Lilli Palmer waren die Stars in dem Film von 1942. 1947 wurde das zitierte Hörspiel beim Südwestrundfunk gesendet. Bald darauf stand Ernst Busch in Berliner Hebbel-Theater in der Rolle des Leuchtturmwärter-Journalisten zum ersten Mal nach dem Krieg wieder auf der Bühne. Gespielt wurde nach einer Übersetzung des Schriftstellers und Theatermanns Rudolf Frank, der 1936 nach Österreich und dann in die Schweiz floh. Frank hatte 1922 Bert Brecht an die Münchener Kammerspiele geholt und danach viel in Berlin inszeniert.
Träume werden wahr: Seitdem die Leuchttürme nicht mehr für die Navigation gebraucht werden, werden sie neu genutzt: Als romantische Ferienwohnung, als Standesamt, als Dauerwohnsitz für Eremiten. Einige Türme wurden schon vor Jahrzehnten außer Betrieb genommen und durch automatisierte Systeme ersetzt. Der Dienst auf dem Seezeichen war hart und beschwerlich, einsam sowieso. Wenn die turnusmäßige Ablösung wegen des Wellengangs nicht kam, musste die Mannschaft ausharren. Nacht für Nacht hatte sie zu den offenen Feuern oben auf der Turm-Plattform, die das Licht erzeugten für den rotierenden Spiegel, fast eine Tonne Steinkohle zu schleppen. Da vernichtete die Erfindung der Elektrizität zwar Arbeitsplätze, aber wer würde ohne Not bei Sturm und Gischt dieser Knochenarbeit nachgehen? Der amerikanische Karikaturist Roland B. Wilson strichelte einst ein Bildchen, auf dem ein Leuchtturmwärter vor seinem Lampenhaus sitzt. Er ist allein und spricht zu dem leeren Lehnstuhl ihm gegenüber:
"Nicht bloß das, Bill – gestern habe ich mich schon dabei erwischt, dass ich Selbstgespräche führe."
Was macht der Segler ohne Leuchtfeuer? Nicht der Hochleistungssegler, der allein einmal um die Welt schippert und dem Konkurrenten schon hinter Kap Horn die Nase dreht. Der wird längst von GPS und anderen Schutzengeln geleitet. Der Einhandsegler, der mal schnell von Ostfriesland nach Helgoland will, sitzt schnell auf dem Treibsand des Wattenmeers, wenn er seine optischen Wegmarken nicht hat. Schon Poseidippos hatte anlässlich der Einweihung des Pharos von Alexandrien, jenes Leuchtturms, der zu den sieben Weltwundern der Antike zählte, gereimt:
" Auch der Schiffer, der ganznächtig fährt auf den Wogen des Meere, kann an der Turmspitze sehen mächtig ein Feuer in Glut."
Und hätte es die Literatur des Robert Louis Stevenson ohne Leuchttürme überhaupt gegeben? Sein Großvater und sein Vater bauten überall auf der Welt Leuchttürme. Stevenson selbst schrieb bloß, liegt aber neben einem Leuchtturm begraben.

Sonnenuntergang auf Martha's Vineyard© AP Archiv

Leuchtturm von Westerhever an der Nordsee© AP