Ende mit Schrecken

Von Susanne Lettenbauer |
Das geplante Münchner NS-Dokumentationszentrum soll 2014 eröffnet werden – doch auf ein tragfähiges Konzept warteten die Stadträte zwei Jahre vergeblich. Nun hat der Kulturreferent die Direktorin Irmtrud Wojak von ihrer Funktion entbunden.
Zwei Bagger stehen verloren zwischen dem Gestrüpp an der Ecke Brienner Straße / Arcisstraße. Die Arbeiten hätten in diesem Herbst beginnen sollen. Auf den Grundmauern des "Braunen Hauses" entsteht hier das Münchner NS-Dokumentationszentrum, so heißt es auf der bunten Bautafel. So optimistisch wie diese Tafel waren zuletzt nur noch wenige im Münchner Stadtrat. Von Sitzung zu Sitzung hatte die Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak die wissenschaftlichen Beiräte vertröstet: Es werde recherchiert, so die Aussage. Das seit 2009 ausstehende Grobkonzept, ein erster Anhaltspunkt, wie das Haus seinem Anspruch, vor allem junge Leute anzusprechen, genügen will, fehlt bis heute.

Auch um die eigentlich einfache Frage, wie denn diese Münchner Institution zum Gedenken an die Gräuel des Nationalsozialismus heißen soll, entspann sich im Frühjahr ein handfester Streit zwischen Wojak und den politischen Beiräten. Die Gründungsdirektorin sprach sich gegen den geläufigen knappen Begriff NS-Dokumentationszentrum aus, der zu sehr an die NS-Zeit erinnern würde. Stadtpolitiker wie Siegfried Benker reagierten verständnislos. Denn seit den 1990er-Jahren kämpfen verschiedenste Bürgergruppen für das längst notwendig gewordene NS-Dokuzentrum unter diesem Namen. Ihr Fehler: Dieser Kampf geschah nicht immer miteinander.

Das wurde jetzt vielleicht das Problem für die Gründungsdirektorin. Für Rückfragen der Öffentlichkeit stand die 48-Jährige nur ganz selten zur Verfügung. Wer nach dem neuesten Stand der Vorbereitungen fragte, wurde vertröstet. Das Grobkonzept, das irgendwann durchsickerte, entsprach schließlich überhaupt nicht den Vorstellungen der politischen und wissenschaftlichen Beiräte des NS-Dokumentarzentrums. Ein Essay über ein künftiges Ausstellungskonzept sei das gewesen, eine Ansammlung von Ideen, aber nichts Konkretes. Gerade das sensible und komplexe Thema NS-Zeit in München derart lax anzugehen, ließ jetzt das Fass überlaufen.

Mit der gestrigen Entscheidung des Münchner Kulturreferenten soll dieses kulturpolitische Trauerspiel ein Ende haben. München atmet auf und schaltet auf Neustart. Kulturreferent Georg Küppers wirkt erleichtert:

"Das, was bisher von den Kollegen und Kolleginnen im Team erstellt wurde, da ist ist einiges dabei, wo man sagt, ja, die passen. Die man alle brauchen kann im Dokumentationszentrum."

Die Zeichen stehen auf Neuanfang. Mal wieder. Das kann man auch als Chance begreifen, sagt die Historikern Marita Krauss. Sie gehört zu dem vierköpfigen Gremium, auf dem jetzt alle Hoffnungen ruhen: Gemeinsam mit dem renommierten Architekturhistoriker und Direktor des Architekturmuseums der TU München Winfried Nerdinger und zwei weiteren hochrangigen Wissenschaftlern soll sie bis Januar das fehlende Grobkonzept erstellen.

Marita Krauss: "Also wir sind jetzt erstmal dabei, uns zu überlegen, wie es geht. Wir haben einen ersten Durchgang gemacht, der zeigt, dass es gut geht, aber wir werden das dann im Januar vorlegen, hoffentlich, aber ich bin optimistisch. Das ist so eine wichtige Sache und das wird eine schöne Ausstellung."

Für die Professorin an der Uni Augsburg kommt die Herausforderung sehr plötzlich. Zwar hat sie eigene Vorstellungen, wie man Jugendlichen die NS-Zeit näher bringen kann, musste diese aber noch nicht so konkretisieren wie jetzt:

"Die Hauptsache ist, dass ein Ausstellungskonzept jetzt entsteht. Ein solches Zentrum lebt ja von der ersten Präsentationsebene. Der schnelle Besucher, die Schulklassen, alle die müssen ja eine Ausstellung sehen und darauf kommt es jetzt an, ein wirklich gutes Konzept zu machen, dass man in diesem Haus sehen, lernen, verstehen kann. Und das geht jetzt erstmal über das Ausstellungskonzept."

Viel mehr will sie nicht sagen. Der Schock sitzt noch zu tief bei allen Beteiligten. Ein Weg aus der Sackgasse sei aber endlich gefunden, heißt es unisono aus dem Rathaus. Auch wenn sich Oberbürgermeister Christian Ude immer hinter die Gründungsdirektorin stellte – ihre Enthebung aus allen Ämtern war die einzige Vorgehensweise, erklärte ihm Kulturreferent Küppers. Um weiteren Schaden von dem Problemkind fernzuhalten. stellt sich Küppers demonstrativ vor sein Team:

"Das Team hat auch gute Arbeit geleistet, man wird Dinge übernehmen können, die schon da sind. Das muss jetzt neu geordnet werden, das heißt, es muss ein roter Faden da sein, der sich auch durch die Ausstellung durchzieht."

Ein hausinternes Gremium hat heute interimsmäßig die Leitung des NS-Dokuzentrums übernommen. Irgendwann soll die Stelle eines Leiters ausgeschrieben werden – wann, steht in den Sternen.

Marita Krauss von der eilends gegründeten Konzeptgruppe spricht sich trotz der Verwicklungen der letzten Monate auch künftig für eine Direktion des Hauses aus. Eine Interimslösung wird derzeit noch gesucht. Danach muss eine Ausschreibung folgen. Doch so weit denkt das Kulturreferat noch nicht. Erst müssen sich die Wogen glätten, sagt Marita Krauss:

"Die Frage ist: Man kann ja jetzt nicht hopplahopp jemanden aus dem Hut zaubern. Jetzt muss dieses Ausstellungskonzept entstehen, dann muss man sehen, wie sich das weiterentwickelt. Aber jetzt braucht man erstmal ein Konzept."

Homepage: Das geplante NS-Dokumentationszentrum München
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