Das Ende von DSDS

Der Zeitgeist der Nullerjahre

07:56 Minuten
Der Musikproduzent Dieter Bohlen beim Finale der 16. Staffel der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar". Er trägt eine dunkle Lederjacke über einem weißen Hemd und hält eine Siegertrophäe in der Hand.
"Mr. DSDS" Dieter Bohlen kehrt für eine letzte Staffe der Castinghow noch einmal als Chefjuror zurück. Die läuft 2023. Danach will RTL die Show einstellen. © Imago / Future Image / F. Kern
Aida Baghernejad im Gespräch mit Oliver Schwesig |
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RTL beendet nach 20 Jahren die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar". Untrennbar mit deren Erfolg verbunden ist Dieter Bohlen. Die Show habe sich überlebt, sagt Musikjournalistin Aida Baghernejad. Superstars würden heute bei TikTok gecastet.
Sie werden ihn vermissen, den großen DSDS-Zampano. Einmal noch dürfen sich die Fans der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar" über Dieter Bohlen amüsieren und schadenfroh grinsen, wenn „der Dieter" als Juror mal wieder die Gesangskünste eines Kandidaten oder einer Kandidatin mit Häme niedermacht – um sich dann am Ende mit dem Gewinner freuen.
Nach 20 Jahren DSDS hat RTL jetzt angekündigt, die Show mit der 20. Staffel im kommenden Jahr einzustellen. Vorher aber darf Bohlen noch ein, wie er es wohl ausdrücken würde, „Mega-Comeback" feiern: Denn nach einem Zwischenspiel mit Florian Silbereisen als Chefjuror kehrt Bohlen für diese letzten Staffel zurück.

TikTok castet im Kinderzimmer

Was bleibt von DSDS? Für die Musikjournalistin Aida Baghernejad steht fest: Das Versprechen, dass jede und jeder zum Star werden kann, finde man heute eher bei TikTok als im Fernsehen. Dafür brauche es „nicht einmal die Investition in eine große Fernsehsendung oder die Organisation von Massen-Castings. Sogar diese Kosten werden individualisiert, das Massen-Casting findet im Kinderzimmer statt", sagt Baghernejad.

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Deshalb: „Der nächste Star wird nicht in einem linearen und vor allem geskripteten Medium wie dem Fernsehen gesucht oder gefunden, sondern in den sozialen Medien."

Anfangs war die Musikindustrie noch interessiert

In der Anfangszeit des Formats, räumt sie ein, habe die Musikindustrie wohl noch ernsthaft geglaubt, „hier den nächsten Star zu finden. Thomas Stein, damals Geschäftsführer des Musikunternehmens BMG, war in den ersten zwei Staffeln Teil der Jury, ebenso Shona Fraser, eine britische Musikjournalistin. Und auch in den folgenden Jahren saßen noch bis etwa 2008 immer Professionals aus der Industrie in diesen Jurys, die relativ wenig Starappeal hatten."
Das brauchten sie auch nicht. Denn es gab ja Dieter Bohlen, das Herzstück der Show, der so etwas wie den Zeitgeist der Nullerjahre transportierte und der Show ihre Einschaltquoten bescherte.

Hat DSDS den deutschen Pop verändert?

Faktisch habe später niemand ernsthaft mehr daran geglaubt, dass es in DSDS darum gehe, den nächsten Star zu finden, sagt Baghernejad. Im Vordergrund hätten Unterhaltung und Selbstvermarktung gestanden.
Die Journalistin ist unschlüssig, ob DSDS den deutschen Pop verändert hat: Es sei nicht die erste Castingshow gewesen: „Dieser Platz geht an ,Popstars’, dessen erste Staffel die No Angels hervorbrachte und mit ihnen ganz nebenbei die multikulturelle und multiethnische Realität des gegenwärtigen Deutschlands besser abbildete, als es Daily Soaps und Tatorte bis heute können", findet Baghernejad.

DSDS brachte Queerness in die Wohnzimmer

In gewisser Weise treffe das auch für DSDS zu, weil Figuren wie Daniel Küblböck und Mark Medlock „Queerness in die deutschen Wohnzimmer" gebracht hätten, sagt Baghernejad. Was die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten angehe, so habe fast immer jemand die Show gewonnen, der oder die bereits über eine Gesangsausbildung verfügte.
Für einige, wie für Alexander Klaws oder Beatrice Egli, war die Show der Sprungbrett für eine Karriere in der Schlager- und Musicalszene. Andere, gesanglich Untalentierte wie Menderes Bağcı, hatten später trotzdem Erfolg: Menderes ist heute regelmäßig als Sidekick von Jan Böhmermann im „ZDF Magazin Royale“ zu sehen.
(mkn)

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