Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 02.08.2020.
Endlich berühmt!
"Das ist wieder typisch Anfänger, wenn man ein kostbares Papier nimmt und einen schönen Umschlag und denkt, die Verpackung machte irgendwas", hört Heiner Kiesel von einer Kinderbuchautorin. © Heiner Kiesel / Luise Ruth
Mein Weg zum erfolgreichen Kinderbuchautor
29:49 Minuten
Das Skript ist schon fertig, jetzt fehlt nur noch ein Kinderbuch-Verlag für den Erfolg. Der Autor startet siegessicher ins Rennen, es ist sein erstes Buch. Bald kommen die Zweifel. Und am Ende eine große Überraschung.
"Das ist jetzt möglicherweise der entscheidende Moment in meinem zukünftigen Leben als Autor. Ich habe hier den Brief an den Verlag vor mir, brauner Umschlag, vier Din-A-4-Seiten sind drin. Eine Menge Briefmarken drauf, eine ist sogar die vom Grüffelo - 'es gibt ihn doch den Grüffelo'. Und vielleicht gibt es ihn doch, den Erfolg als Autor. Bei Joanne K. Rowling hat es ja auch geklappt!"
Ein Kinderbuch, das in die Welt muss
Mein erstes Mal. Ich werfe das Manuskript in den Briefkasten. Mein Manuskript. Ich habe ein Kinderbuch geschrieben. Ein großartiges Kinderbuch. Es wird mich als Autor bekannt machten, ich muss nur noch einen Verlag finden. Ich betrete hiermit eine neue Welt. In der gibt es Agenten, Lektorinnen, Verlagshäuser. Und Autoren wie mich. Ich stehe ich in der Mitte meines Dorfes in Franken vor einem Briefkasten. Ich habe das Kinderbuch geschrieben, weil ich Pippi Langstrumpf nicht ausstehen kann. Damit fing alles an.
Meine erste Tochter war richtig vernarrt in Astrid Lindgrens Figur mit den roten Zöpfen. Pippi hier, Pippi da. Nervig! Mit einer Vierjährigen kann man da nicht gut diskutieren. Mal ganz ehrlich: Ein Pferd im Haus? Ein Affe in Klamotten? Die Freunde nur als blasser Hintergrund für ein exzentrisches Mädchen? Das hat mich herausgefordert - ich wollte dagegenhalten. Mit einer eigenen Geschichte. Und schon hatte ich meinen ersten Fan.
"Papa, kannst du mir von Ute Müller was erzählen?"
Nicht Lea, Leonie, Lara, sondern eine Ute, mit dem normalsten Nachnamen überhaupt.
"Und wer ist das?"
Ein einfaches Mädchen, das in eine andere Welt rutscht, in ein Abenteuer. "Ute Müller in Pinheiro", so heißt die Geschichte. Es geht um Freundschaft, Familiengeheimnisse und eine schwierige Mission, die alles retten soll. Zwerge, Riesen, sprechende Tiere. Der Clou: Ich erzähle nur beim Wandern, aber erst auf dem Rückweg, nach dem Gipfel. Und höre immer auf, wenn es am Spannendsten ist.
Das Genöle im Gelände wird mit der Aussicht auf das nächste Kapitel gedämpft. Ein Erfolgsmodell! Mit jedem Kind wird die Erzählung ausgefeilter. Aber irgendwann ist sie rund und ich tippe sie ein. 160 Seiten hat das Manuskript. Meine Schwester, die ist Malerin, hat sie dann rührend illustriert. Da kann meine Älteste künftigen Kindern was vorlesen.
"Vor ihnen war ein Kopf, schwarz wie der Fels auf dem sie vor kurzem noch gelaufen waren. Es war in der Tat derselbe Fels, nur lebte er jetzt. Oben standen Haare ab, dick und eckig wie Basaltsäulen. Augen groß wie Badewannen, die mit glimmender Kohle gefüllt sind. Dazwischen die schartige Nase."
Das Manuskript geht zum Verlag
Ein Familienschatz, der wahrscheinlich nie den heimischen Kreis verlassen hätte, wäre da nicht mein Schwiegervater Heinz-Werner gewesen. Der hat natürlich auch mitbekommen, dass es da was gibt.
"Da ist es, wunderbar, Heiner Kiesel, oh das ist ja toll, da sind ja super Bilder drauf."
Wir mögen uns - trotzdem, so sind Schwiegerväter eben: die Hoffnung, dass ihre Tochter da doch einen erfolgreichen Mann geangelt hat, stirbt zuletzt. Die Geschichte muss raus in die Welt, findet Heinz-Werner.
"Ja, ich würde das machen Heiner, das ist eine tolle Idee und das wird ein großer Erfolg!"
Wirklich? Bisher war das ganz okay, ein Buch für die Schublade. Aber wenn doch was dran ist, an seiner Intuition? Wäre das nicht schön, wenn auch andere Kinder damit Spaß hätten? Taugt die Geschichte überhaupt? Ich gehe den Text nochmal durch, reiche das Skript in meinem Bekanntenkreis rum. Keiner rät mir ab.
So suche ich mir einen großen Kinderbuch-Verlag aus, der unaufgeforderte Manuskripte annimmt. Der kriegt ein nettes Anschreiben, die Handlung übersichtlich auf einer Seite, das Exposé. Schließlich lege ich noch zwei Seiten des Textes dazu, das muss reichen: die Stelle an der der gewaltige Bergriese Khoultran mit den Basalthaaren erscheint, an der kriege ich selbst immer wieder Gänsehaut. Wenn das nicht überzeugt!
Der Umschlag liegt jetzt im Kasten und ich bin gespannt auf die Reaktion. Langsam mache ich mir Gedanken. Auf was lasse ich mich da ein, wenn ich Kinderbuchautor sein will?
Realitätscheck mit Kolleginnen
Ich bin in Bamberg, um zwei Kinder- und Jugendbuchautoren nach ihrem Berufsleben zu fragen. Der Gastgeber in der Altbauwohnung voller Bücherregale ist Rolf-Bernhard Essig. In den 50ern, Seitenscheitel und aufmerksame graublaue Augen. Für junge Leser verfasst er vor allem Sachbücher. Eines dreht sich um die Odyssee, aber: "Mein Spezialgebiet sind Sprichwörter und Redensarten - wie zum Beispiel 'Bei dem musst du das Maul extra erschlagen'."
Auf der anderen Seite des Wohnzimmertisches mit Kaffeetassen und Keksen sitzt seine Kollegin. Lachfältchen, die schwarzen Haare als Bob mit einem ziemlich kurzen Pony.
"Ich bin Kinderbuchautorin und schreibe unter zwei Namen, unter Susanne Rebscher Kindersachbuch und unter Suza Kolb bin ich recht bekannt geworden mit meiner Ponyreihe 'Die Haferhorde'."
Die beiden gehören zur Gruppe 7. Das sind lauter Kinder- und Jugendbuchautoren, eigentlich vor allem Autorinnen, aus der Gegend, die sich an jedem siebten des Monats um sieben Uhr zum Gespräch treffen. Ich war schon mal dabei. Meine neuen Kollegen! Es hat mich ein bisschen verschreckt: Das war wie eine Selbsthilfegruppe. Ist es wirklich so hart?
"Naja, so würde ich das nicht sehen, wir sind ein Stammtisch und unterhalten uns auch natürlich über Probleme, die man so im Arbeitsalltag hat."
Problem Nummer Eins: Wie treibt man sich jeden Tag selbst an den Schreibtisch und feilt an den Geschichten, für die - Problem Nummer Zwei - es fast immer zu wenig Geld gibt, weswegen das Schreiben - Problem Nummer Drei - den meisten kaum zum Leben reicht.
Autoren von Kinder- und Jugendbüchern verdienen im Schnitt knapp 22.000 Euro brutto im Jahr. 700 bis 2000 Euro Garantiezahlung, also Vorschuss, mehr ist selten drin für ein Manuskript. Erst wenn sich ein Buch richtig gut verkauft kommt mehr rein. Ob das passiert, ist vielleicht so unvorhersehbar wie ein Lottogewinn.
"Manchmal bin ich sehr, sehr enttäuscht, wenn ich viel, viel Herzblut reingelegt habe, aber dann kommt ein ähnliches Buch, das sehr prominente Leute geschrieben haben, die verkaufen sich mit 80.000, 100.000 Auflage und meines bleibt bei 3000 hängen. Da habe ich dann auch schon Neid, Wut und Enttäuschung und denke mir, dieses Buch hat mehr verdient."
Mieser Verdienst, aber viel Anerkennung
Ihr Haupteinkommen verdienen die meisten durch Lesungen in Büchereien und Schulen. 50 bis 70 Prozent. Bei Susanne und Rolf-Bernhard läuft es derzeit ganz gut. Sie können vom Schreiben leben. Aber sie hat, noch vor ein paar Jahren, nebenher als Erzieherin gejobbt.
"Ja, es ist ein wunderschönes Leben, aber es gleichzeitig auch so hart wie das eines Unternehmers."
"Da müsste doch mehr drin sein, aber es ist ein bisschen so wie bei der Altenpflege. Es interessiert jeden, aber man ist nicht bereit, dafür zu zahlen."
"Hast du schon mal einen Stundenlohn ausgerechnet für dich als Autor?"
"'Die Odyssee' ist vergleichsweise gut vom Stundenlohn. Bei dem Buch 'Da haben wir den Salat - mit 80 Sprichwörtern um die Welt', da habe ich aus etwa 60 Sprachen und Ländern Recherche betreiben müssen und dabei kommt man auf einen Stundenlohn, den ich nicht benennen könnte. 50 Cent, ein Euro vielleicht."
Die beiden schauen mich an, als wäre das das Normalste auf der Welt. Autor sein für junge Leser - das geht nur als Mischkalkulation mit Unkalkulierbarem. Die Begeisterung, die ein Buch bei Kindern auslöst, ihre strahlenden Augen bei Lesungen. Die Kleinen inspirieren. Das ist noch wertvoller als Geld sagt Susanne.
Ich denke an die Landschaften durch die meine Heldin Ute zieht, die Anstrengungen und Ängste, die sie überwindet, wie es sie stark macht, anderen zu vertrauen. Das könnten meine jungen Leser auch spüren.
"Ein Autor ist ja auch wie ein Maler und ich glaube, da zählt man ja auch nicht die Stunden, die man an einem Bild sitzt. Und deshalb muss man das anders sehen und rechnen."
Hab ich genug Herzblut dafür?
Ich bin mir aber gerade nicht so sicher, ob mir diese immateriellen Werte reichen, satt zu werden. Aber es gibt ja auch diese tollen Geschichten von Leuten, die ganz überraschend ganz groß geworden sind. J.K. Rowling, Michael Ende, und hatte es Astrid Lindgren nicht auch erst schwer als Sekretärin und alleinerziehende Mutter? Außerdem bin ich inzwischen ziemlich eingenommen von mir selbst, von meinem eigenen Manuskript. Ich zeige es der Kollegin.
"Aha, ja schön." "Du darfst es rausnehmen!" "Das ist wieder typisch Anfänger, wenn man ein kostbares Papier nimmt und einen schönen Umschlag und denkt, die Verpackung machte irgendwas."
Meine große Präsentation wächst sich zu einem kleinen Desaster aus. Rolf-Bernhard deutet auf ein paar Tippfehler auf den original kolorierten Seiten. Susanne führt aus, wie unvorhersehbar die Chancen sind.
"Also, in dem erzählenden Bereich ist es eben Geschmackssache. Ich meine Harry Potter wurde auch nicht vom ersten Verlag angenommen, sondern erstmal von ganz vielen Verlagen abgelehnt in Deutschland."
Aber es gibt doch noch einen Funken Hoffnung von Susanne.
"Aber wenn man Journalist ist, hat man auch gute Chancen, oder wenn man sogar berühmt ist, natürlich. Weil die Verlage davon ausgehen, dass man schreiben kann. Außerdem ist ein Vorteil, dass Journalisten häufig schon Journalisten kennen und Verlage hoffen, dass der dadurch eine Art kleiner Presseabteilung mitbringt."
Rolf-Bernhard Essig und Susanne Rebscher haben beide Agenten. Die sagen ihnen, ganz profimäßig, wie sie die Chancen sehen und wo sie das entsprechende Werk vielleicht unterbringen könnten.
"Die Agentin kennt den Markt, die hat ein Gespür dafür, was die Verlage so erwarten oder suchen und dann kann sie das gut einschätzen." Ich bin unsicher.
"Also dann würdet ihr schon sagen, man soll lieber mit einer Agentin arbeiten, als sich direkt zu bewerben bei Verlagen?" "Also wenn man so gar keine Kontakte in der Verlagswelt hat, empfiehlt sich das."
Überangebot im Buchhandel
Ich habe noch etwas Zeit in Bamberg und versuche mir ein Bild zu machen über den Markt, auf dem ich mitmischen will. Der Buchladen Collibri in der Altstadt.
"Wenn ich Ihnen helfen kann, fragen Sie!"
Die Regale in der Kinderabteilung sind knallbunt. Es ist wenig los. Eine Mutter steht vor einem Holzregal. Auf sie kommt es an, weil - das ist auch speziell bei Kinderbüchern - Erwachsene die Bücher für die Kleinen kaufen. Ihr Sohn kruscht in einem Ständer mit Pixi-Büchern rum. Einer meiner potenziellen Fans? Ich spreche ihn an.
"Wie alt bist du denn?" Die Mutter antwortet: "Sag vier, Frederick". Frederick folgt: "Vier". Dann wieder die Mutter: "Magst du noch was sagen, zu deinen Büchern? Was du gerne für Bücher anschaust, was ist denn gerade dein Lieblingsbuch?" Frederick ruft: "Lotta!"
Lotta, von Astrid Lindgren, Die Kinder aus der Krachmacherstraße. Meine alte Freundin Pippi Langstrumpf steht hier natürlich im Regal. Mein Buch müsste in eines der Regale links neben dem Eingang. Bücher für Kinder zwischen vier und sieben.
Lotta, von Astrid Lindgren, Die Kinder aus der Krachmacherstraße. Meine alte Freundin Pippi Langstrumpf steht hier natürlich im Regal. Mein Buch müsste in eines der Regale links neben dem Eingang. Bücher für Kinder zwischen vier und sieben.
Wenn es so weit ist, hat es wohl ebenfalls so ein krachend buntes Cover. Das wünsche ich mir eigentlich nicht, dafür finde ich meine Geschichte zu klassisch. Fredericks Mutter sollte das Gefühl haben, etwas Seriöses zu kaufen. Nicht diese überdrehten Figuren.
Und dann stelle ich fest: Wenn etwas Erfolg hat, dann geht es offenbar in Serie. Snöfried 1 - 4, Petronella Apfelmus 1 - 8. Die Schule der magischen Tiere 1 - 10. Das wären wohl meine Mitbewerber.
Kein Problem, für Ute 2 - 4 hätte ich genug Ideen. Aber was für ein Kampf um Käufer! Vielleicht 1000 Kinderbuchautoren aus Deutschland beteiligen sich daran, habe ich mir ganz grob aus den zugänglichen Zahlen hochgerechnet. Ich darf gar nicht an die Zigtausend anderen denken, die übersetzt werden. Wenn die Bücher Ellenbogen hätten, dann wäre hier Krieg.
9000 neue Titel jedes Jahr im Marktsegment. Ich spreche die Buchhändlerin hinter dem Kassentresen darauf an.
"Viel zu viele! Wir haben im Moment unendlich viele Bilderbücher, wir sind rappeldickevoll mit Bilderbüchern, ich brauche jetzt nicht auch noch 50 Bilderbücher einkaufen, weil ich nicht weiß, wo ich sie hinstellen soll.
Biggi Sembach. Seit Jahrzehnten verkauft die 62-Jährige Kinderbücher. Eigentlich ein gutes Geschäft, das stetig wächst. Aber es wird immer unübersichtlicher. Vor sich hat sie einen Stapel Verlagsbroschüren. Sie sieht nicht sehr entspannt aus, wenn sie die durchschaut.
Bis ich in so einer Vorschau drin bin, das ist ein langer Weg und dann muss eine wie Biggi Sembach auch noch Lust und Platz haben, um das zu bestellen. Und dann muss die Mama von Frederick den Band bemerken und ihn kaufen wollen. Kann ich das nicht abkürzen? Mein eigener Verleger sein?
"Also, das gibt es auch, dass du über das Netz 40.000 verkaufst und dann gibt es das als Buch. Ich glaube die Marie Kondo mit dem Aufräumwahn hat auch so angefangen. Es sind da auch schon Möglichkeiten und Wege zum Verlag und zum Buch. Aber wie gesagt: Kinderbuch ist wirklich schwierig."
Vielleicht ist Biggi Sembach gegen die selbstverlegten Bücher im Netz, weil sie selber Bücher verkaufen will. Vielleicht auch aus sachlichen Gründen: In einem herkömmlichen Verlag arbeiten eine Menge Profis daran, dass alles passt.
Sie schüttelt schweigend den Kopf. Tippt etwas ins Suchfeld eines Onlineversands. Klickt. Books on Demand tauchen auf. Lieber nicht! Sie zeigt auf ein Cover.
"Das ist doch furchtbar. Das sieht doch aus, als ob es ein Sechsjähriger gemalt hat. Also das sind dann oft auch - böse gesagt - auch mal Menschen, die sich verwirklichen wollen. Aber - Entschuldigung - findest du, dass das schön aussieht?"
Eine Agentin muss mit ins Boot
Jetzt sind schon ein paar Wochen rum und ich habe noch nichts vom Verlag gehört. Was wohl mit meinem Umschlag mit der Grüffelo-Briefmarke geworden ist? Geduld gehört zum Autorenjob - inzwischen versuche ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, professionelle Hilfe ins Boot zu holen. Erste Erkundungen.
"Guten Tag Herr Kiesel, schön, dass sie da sind!"
Ich habe mich mit Barbara Küper verabredet. Sie trägt kurze graue Haare und eine auffällige Kugelkette aus pastellfarbenen Schmuckperlen über dem weißen Oberteil.
"Ich arbeite als Literaturagentin hier in Frankfurt und meine Spezialisierung sind Kinderbuchautorinnen und -autoren und Illustratoren."
Sie macht das jetzt schon seit 18 Jahren. In ihrem Büro stehen meterweise hohe Regale mit Büchern, die sie vermittelt hat. Sie scheint den richtigen Riecher zu haben.
"Dieses Regal ist voller Belegexemplare von Werken, bei denen wir Illustratoren beigesteuert haben."
Ihr Lachen ist sympathisch und sie erzeugt eine angenehme Atmosphäre. Sie führt in den Besprechungsraum. Da steht ein Sofa mit dicken grünen Kissen. Wir setzen uns. Gemütlich. Ich habe mir das ein bisschen kühler vorgestellt. Agenten sind mir bisher nur als Immobilienmakler begegnet.
"Ich vermute, dass Wohnungsmakler mit sehr viel weniger Herzblut arbeiten, als wir in der Kinderbuchbranche, im Bereich Agentur. Da ist sehr viel Persönliches mit im Spiel, das geht auch mit hin in persönliche Freundschaften, mit den Klienten, die ich vertrete. Und es ist ja auch so, dass ein geschriebenes Manuskript für diejenigen, die es geschrieben haben, wie ein Baby ist."
Spontan stellt sich bei mir das Gefühl ein, dass mein Buchstabenbaby hier gut aufgehoben wäre. Auch wenn sie ein Pippi-Langstrumpf-Fan ist.
"Das war ein Buch, das ich vor- und rückwärts gelesen habe, bis ich es auswendig konnte."
Darauf, dass ich bei ihr abblitzen könnte, bin ich noch gar nicht gekommen.
"Also, ich sollte fairerweise dazusagen, wenn ich eine Agentur habe, dann suche ich natürlich aus, wen ich vertrete."
Bin ich durchgefallen?
So wie Barbara Küper das beschreibt, ist es überlebenswichtig für ihre Agentur, wählerisch zu sein. Sie nimmt 15 Prozent der Garantiezahlungen der Buchverträge, die sie vermittelt. Aber erst wenn alles unter Dach und Fach ist. Sie geht erstmal in Vorleistung, feilt mit am Manuskript, nutzt ihre weitverzweigten Kontakte in die Verlagswelt. Sie will keine Hobbyliteraten, sondern welche, die sich voll dem Autorensein verschrieben haben. Menschen, die Frust ertragen und durchhalten können.
"Ich glaube, dass viele für ihren Beruf brennen. Und das sind die Menschen, mit denen ich am liebsten arbeite, weil da der Funke überspringt und da die gemeinsame Begeisterung für das, was wir machen, uns verbindet. Und so lässt sich ideal zusammenarbeiten."
Küper strahlt richtig, als sie das sagt. Ich sehe wahrscheinlich blass aus. Jeder, mit dem ich über Kinderbücher rede, spricht von Herzblut! Habe ich wirklich das Zeug dazu, meines da voll hinein zu geben? Und meine herzige Geschichte, wie ich zu dem Buchprojekt gekommen bin, klingt verdächtig nach Loser, wenn die Agentin von den Vielen erzählt, die keine Chance bei ihr haben.
"Es ist letzten Endes doch häufig ein sehr merklicher Unterschied zwischen netten, aber nicht sehr bedeutungsvollen Geschichten, die man eben abends mal erzählen kann, oder die man im Spazierengehen erfindet und den Sachen, die mit einem hohen Anspruch und Professionalität geschrieben sind. Es ist sehr anspruchsvoll, Dinge so zu schreiben, dass sie Kinder fesseln können, dass sie ihnen Spaß machen und dass sie trotzdem Tiefgang haben."
Ob sie sich die Sachen angeschaut hat, die ich ihr geschickt habe? Die Textstelle auf dem Gipfel mit dem magischen Stab? Küpers Mine wird professionell. Sie schlägt das rechte Bein über das linke.
"Ich kann mir aufgrund von fünf Manuskriptseiten noch nicht wirklich ein Bild machen - ich merke, dass da einer erzählen kann, mit Worten umgehen kann, aber ich kann mir überhaupt noch kein Bild machen von der Geschichte", sagt sie.
"Ich hatte zwar ein Exposé dazu, aber dieses Exposé war sehr lakonisch gehalten und hat sich sehr auf einzelne Handlungsschritte konzentriert. Dann konnte ich mit der Textprobe das Bild noch nicht wirklich komplettieren. Was mir spontan aufgefallen ist, das ist aber etwas, das sich leicht beheben ließe, ist, dass die Namen, die verwendet wurden, für Kinder sehr schwer lesbar und aussprechbar sind."
Es hört sich für mich so an, als ob ich bei einem ersten Herzblut-Test durchgefallen bin. Als Bewerbung war das zu wenig. Ich könnte es aber durchaus nochmal probieren. Eine Antwort würde ich auf jeden Fall bekommen, verspricht Barbara Küper.
Immer noch keine Antwort vom Verlag
Das mit der Antwort lässt mich wieder an meinen Brief an den Verlag denken. Auf der Webseite steht, dass man innerhalb von acht Wochen Antwort bekommt - wenn dort irgendjemand glaubt, dass das Manuskript was taugen könnte. Die Zeit ist mehr als rum.
Das kann doch nicht sein, dass die das so schlecht fanden. Ich mache einen Termin als Journalist, verrate aber erstmal nicht, worum es mir eigentlich geht. Sondern: Ich würde gerne wissen, wie das eigentlich mit unverlangt eingesandten Manuskripten läuft.
Wenig später stehe ich in Würzburg vor dem Gebäude des Arena Verlages. Den fand ich eine gute Wahl: Er gehört zu den größten Jugendbuchverlagen in Deutschland, einer der Wert darauf legt, einheimische Autoren aufzubauen. Er residiert in einem imposanten zweistöckigen Bau mit Walmdach.
Die Leiterin der PR-Abteilung bringt mich in das Lektorats-Sekretariat gleich neben dem Eingang. Drei Frauen arbeiten hier. Hinten am Fenster kümmert sich Leonie Hauck um die Post. Die 20-Jährige macht eine Ausbildung zur Medienkauffrau. Ihr Lieblingsbuch, ganz nebenbei: "Pippi Langstrumpf". Kein gutes Zeichen.
"Also, die ganzen unverlangt eingesandten Manuskripte kommen eben mit der Post jeden Morgen an. Von Mittwoch bis heute sind es täglich fünf bis zehn Manuskripte, die reinkommen. Einmal die Woche setze ich mich dann hin und schaue die durch, sortiere die auch schon vor. Die wirklich guten kommen dann gleich ins Lektorenfach und die restlichen hinten in die Kiste."
Das ist also die erste Hürde, über die ein Manuskript kommen muss: ein Azubi im Sekretariat. Das sollte zu schaffen sein. Meine Suche wird gleich zu Ende sein, denn alles, was an dieser Stelle den Eindruck macht, nicht völlig irre zu sein, kommt in eine Datenbank. Leonie Hauck hat klare Vorgaben.
"Ich habe so einen Ablaufplan, wo ich drüberschauen kann, wo auch bestimmte Merkmale stehen, worauf man achtet: Sind da viele Logikfehler in der Geschichte, ist sie gut geschrieben, würde ich persönlich weiter lesen wollen - auf solche Sachen muss ich drauf achten."
Kein Skript unter "K" in der Datenbank
"Ich hatte auch mal ein Manuskript hergeschickt. Ich wollte mir das ja aufsparen für später. Würden Sie mich in der Datenbank finden?"
Leonie Hauck tippt in den Computer.
"Das könnte sein. Ihr Nachname ist? Hmm. Kann ich jetzt leider nicht finden."
Ich habe es nicht mal in die Datenbank geschafft? Mein Baby! Dabei stand doch schon im Anschreiben, dass ich mein Geld mit Schreiben verdiene. Hat der Journalistenbonus nicht gezogen? Bestimmt ein Versehen.
Leonie Hauck sieht nicht so aus, als ob noch viel Hoffnung bestünde. Sie schaut nochmal, verspricht sie vage, vielleicht im Keller.
"Es ist eine Grüffelo-Briefmarke drauf", lege ich nach.
Aus einem Büro kommt eine Lektorin zum Regal. Schlank, schwarze Jeans, schwarzes Sweatshirt.
"Ich bin Nicoletta Enzmann, Teamleiterin Jugendbuch und Taschenbuch. Ich würde sagen, die Autoren, die es hier schon mal so weit ins Regal geschafft haben, können sich vor allem selbst beglückwünschen, dass sie es geschafft haben, einen Text zu vollenden und tatsächlich mal den Mut zu haben, das mal loszuschicken. Jetzt ist es an uns, die Perlen zu sichten."
Es passiert tatsächlich ab und zu, dass es ein Buch auf diesem Weg ins Verlagsprogramm schafft. Der normale Weg geht, und da redet Enzmann nicht lange drum herum, über Agenturen. 240 Titel erscheinen hier pro Jahr, wenn einer floppt, dann sind eine Menge Arbeitsstunden, die Druckkosten und der Vorschuss perdu.
Bei einer Buchveröffentlichung träumen alle mit - der Verleger, die Lektorin, der Autor. Und sie werden - alle zusammen - immer wieder enttäuscht. Enzmann spricht vom verlorenen Herzblut. Ich sollte mit dem Träumen vielleicht aufhören. Oder doch nicht?
Als Kinderbuchautor, das habe ich inzwischen gelernt, muss man Frust aushalten können. Zu den vielen wunderbaren Erfolgsgeschichten in der Buchbranche, den Rowlings, Lindgrens und Funkes gehört auch, dass es meistens eben nicht klappt.
Ich gehe zum Regal. "Wo ist denn der Buchstabe K?" "K ist da drüben. Sie suchen den Ort, wo Ihr Buch stehen würde, wenn Sie verlegt werden würden? Kiesel - also zwischen Kiefer und Kincaid." "Da ist ja auch noch Platz". "Es wäre Platz, wir suchen nur noch nach Ihrem Manuskript im Haus."
Der Tiefpunkt ist erreicht
Die Lektorin schickt noch so eine Art Trost nach. Die Frau von der Presseabteilung nickt zustimmend.
"Ein Buch hat ja dann seinen Zweck erfüllt, wenn es Leser findet und wer sagt denn, dass es fünf Millionen Leser sein müssen. Wenn der Großvater seine Memoiren schreibt für seine Enkel und die lesen das, dann hat das Buch seinen Zweck erfüllt."
Das ist der Tiefpunkt. Komme ich hier erhobenen Hauptes wieder raus? Wird je jemand mein Buch aufschlagen und mit meiner Heldin Ute herausfinden, was ein Eschenholzmännchen ist? Da kommt jemand, die Auszubildende.
Der Umschlag. Die Azubi hält ihn in der Hand. "Das hat etwas gedauert."
Um Gottes Willen - da ist er! Enzmann nimmt den brauen Umschlag entgegen. Die Auszubildende, Leonie Hauck, hat ihn tatsächlich im Keller gefunden. Im Archiv, nach Datum eingeordnet. Nicoletta Enzmann nimmt das Kuvert, es ist schon auf.
"Ja, das ist immer der spannende Moment, wo man immer die Papiere aus dem Umschlag zieht und nicht weiß, was einen erwartet. Das ist jetzt für ganz Kleine, fünf, sechs Jahre. Ein Exposé, zwei Seiten Text, was für uns beide natürlich tendenziell zu wenig noch ist, aber immerhin einen ersten Leseeindruck vom Schreiben würde man bekommen. Das Exposé auf einer Seite finde ich schon mal sehr gut, weil eine Seite kann ich schnell erfassen und muss nicht schnell fünf Seiten Inhalt lesen. Ja, schauen wir uns nochmal an."
Positiv denken!
Ich darf also weiter hoffen. Und wenn es nichts wird mit dem Verlag? Ich finde, die Geschichte von Ute im Land Pinheiro ist zu schade für meine Schublade. Ich mache mir Mut beim Verlassen des Verlagshauses. Ich bin ja schon ziemlich weit gekommen. Wenn auch über einen Umweg. Die Lektorin schaut sich mein Projekt an.
Und, das können auch nicht alle Kinderbuchautoren von sich sagen: Ich habe schon was mit einem Kinderbuchmanuskript verdient - indem ich Ihnen im Radio die Geschichte über die Geschichte erzählt habe.