Wenn die Regelschmerzen unerträglich werden
Viele Frauen leiden unter extrem starken Regelschmerzen, bei denen auch Schmerzmittel kaum helfen. Dahinter kann Endometriose stecken: eine Gewebeerkrankung, von der schätzungsweise jede fünfte Frau betroffen ist, die aber häufig nicht erkannt wird.
"Meistens bin ich nachts aufgewacht, weil die Schmerzen losgingen und hab dann noch während des Schlafens eigentlich noch zwei Schmerztabletten genommen, was dann dazu führte, dass ich am Ende des Tages am Ende meiner schlimmsten Phase so zwölf Schmerztabletten am Tag genommen hab."
Lydia hat Endometriose. Das kommt von "Endometrium" – Gebärmutterschleimhaut:
"Endometriose wird als das Vorkommen von gebärmutterschleimhautähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle bezeichnet."
Das sagt die Expertin - Professor Sylvia Mechsner vom Endometriosezentrum der Charité in Berlin.
Die Schmerzen können mit jeder Regel stärker werden
Die Krankheit ist chronisch und - wenn sie nicht behandelt wird - mit starken Schmerzen verbunden. Das können Regelschmerzen im Unterbauch sein, Schmerzen beim Sex, beim Urinieren oder beim Stuhlgang.
Die Schmerzen setzen oft schon mit der ersten Regel ein und können im Laufe der Jahre stärker werden.
So war das auch bei Lydia. Die junge Frau sitzt in einem Altbau im Prenzlauer Berg - dem Büro der Produktionsfirma, für die sie arbeitet - und erzählt aus der Zeit, in der auch ihre Regelschmerzen immer stärker wurden:
"Am Ende, als ich so 24, 25 war, war der Schmerz so schlimm, dass ich nicht arbeiten gehen konnte, und auch unter Tränen im Bett lag und trotz zehn Schmerztabletten nicht wirklich was machen konnte."
Wie die Krankheit entsteht, ist noch unklar
Endometriose kann an verschiedenen Stellen im Körper auftauchen. Typisch sind das Bauchfell und der Raum zwischen Darm- und Scheidenwand, bei Unterformen auch der Gebärmuttermuskel oder die Eierstöcke. Selbst angrenzende Organe wie Darm, Zwerchfell, Bauchwand oder Lunge können betroffen sein. Wird die Endometriose nicht behandelt, kann sie im schlimmsten Fall die Organe dauerhaft schädigen.
Und wie entsteht die Krankheit?
"Das ist eine gute Frage, die bisher noch keiner wirklich beantworten konnte. Im Moment glauben wir, dass die Gebärmutter selber Ursprungsort dieser Erkrankung ist. In der Übergangsschicht zwischen Gebärmutterschleimhaut und Gebärmuttermuskulatur scheint es zu einer Traumatisierung zu kommen, zu einer Gewebsschädigung durch diese Bewegungsabläufe und im Rahmen der Reparaturmechanismen, die der Körper hat, werden Enzyme hochreguliert."
Die Enzyme sollen dem Körper helfen, die kleinen Verletzungen zu heilen. Allerdings führen sie auch zu weiteren Kontraktionen, die die Gefäße schädigen. Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass an der Entstehung von Endometriose auch Stammzellen beteiligt sind:
"Und wenn die dann nämlich ihre Nische verlassen und entweder in die Tiefe hineinwandern, in die Muskulatur oder durch die Eileiter in den Bauchraum, können sich diese Gewebe so ausbilden. Wir wissen mittlerweile auch, dass es nicht nur gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe ist, sondern auch Muskulatur dazugehört, so ähnlich wie die Gebärmuttermuskulatur. Das sind quasi wie klitzekleine Uteri, die an anderer Stelle entstehen."
Heute menstruieren Frauen häufiger
Etwa zwei bis 20 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter haben Endometriose. Professor Mechsner vermutet, dass die Krankheit heute häufiger auftritt als früher und das hat sehr direkt mit unserem Lebenswandel zu tun, Frauen sind seltener schwanger, menstruieren dementsprechend häufiger:
"Noch im Mittelalter oder vor 200 Jahren haben Frauen manchmal nur 20, 30 Mal in ihrem Leben geblutet und nicht wie wir das heute 400 Mal in unserem Leben tun. Und diese Zyklen fördern eben Endometriose, Endometriose ist hormonabhängig."
Dass die Schätzungen, wie viele Frauen heute betroffen sind, so weit auseinander gehen, hat auch damit zu tun, dass die Krankheit noch so wenig bekannt ist. Patientinnen haben oft jahrelang Schmerzen.
Auch bei Lydia hat der Weg bis zur Diagnose und Behandlung Jahre gedauert. Wie viele Betroffene hat sie lange geglaubt, ihre starken Regelschmerzen seien normal. Erst mit Anfang 20 ist sie zur Frauenärztin gegangen:
"… die mir eigentlich relativ direkt gesagt hat, dass es die Möglichkeit gibt, dass ich Endometriose habe, die mir dann aber zum Ende hin dieser Sprechstunde einfach eine Broschüre von einem Pharma-Konzern in die Hand gedrückt hat und das hat bei mir ein bisschen eine Antihaltung ausgelöst."
Hormone helfen, manchmal auch eine OP
Erst als die Schmerzen so stark wurden, dass sie während ihrer Menstruation nicht mehr arbeiten konnte, hat Lydia sich weiter informiert und ist schließlich zu einem Spezialisten gegangen.
Inzwischen hat sie eine Hormonspirale, die gegen die Schmerzen hilft.
Auch die Pille kann bei Endometriose verschrieben werden, sagt Professor Mechsner. Und manchmal ist eine Operation nötig.
Auf jeden Fall sollte die Krankheit behandelt werden. Zwei Drittel der befragten Endometriosepatientinnen haben in einer Untersuchung angegeben, dass unter der Krankheit auch ihre Beziehung gelitten hat. 20 Prozent haben die Endometriose sogar als Trennungsgrund genannt. Die chronischen Schmerzen schränken das Sozialleben und die Sexualität der Frauen ein, viele können keine Kinder bekommen.
Häufig wird die Krankheit nicht erkannt
Und nicht immer hat das Umfeld so viel Verständnis für die Situation wie in Lydias Fall:
"Ich hab versucht, möglichst offen damit zu sein von Anfang an. Meine Chefs waren immer so, tut mir leid, geh nach Hause, bleib im Bett und so. Und Freundinnen und Freunde haben mir auch immer geglaubt von Anfang an."
In jedem Fall müsse mehr über Regelschmerzen und Endometriose gesprochen werden, sagt auch Professor Mechsner. Zu häufig wird Endometriose nicht erkannt, die Schmerzen nicht ernstgenommen. Das hat nicht zuletzt auch gesellschaftliche Gründe:
"Es gibt keine Männerkrankheit, die so schmerzhaft ist, und wenn es das geben würde, wäre da garantiert schon eine Lösung gefunden. Also Frauen sind ganz sicher sehr stark dadurch eingeschränkt. Wenn ich mir vorstelle, ich als Chirurgin müsste sagen, im OP, einer Männerwelt – auch – ich hab heute meine Tage, ich kann heute diese fünf Stunden OP nicht machen, wäre undenkbar. Von daher wird das eben sehr heruntergespielt, nicht so wahrgenommen in der Gesellschaft."