Endoskopische OP in HD

Von Michael Engel |
250.000 Euro kostet die Anlage, doch das Geld ist gut investiert: Mit Hilfe modernster Technologie operieren Ärzte Polypen im Darm - und reduzieren das Krebsrisiko im Vergleich zu herkömmlichen Methoden erheblich.
Wenn Jürgen Hochberger operiert, ist er mit Händen und Füssen dabei: Mit dem rechten Fuß tritt er auf einen Schalter für das elektrische Skalpell. Mit dem linken aktiviert er eine Pumpe: Spülwasser für den Wundbereich.

Mit der rechten Hand hält er ein Endoskop. Mit der linken dreht er an verschiedenen Rädchen, die den biegsamen Schlauch auf den Millimeter genau positionieren. Minikamera, Elektroskalpell, Pinzetten - alle Werkzeuge werden durch den dünnen Schlauch geführt. Der Mediziner blickt dabei gespannt auf einen 30-Zoll-Monitor: Live-Bilder aus dem Inneren des Dickdarms.

"Wir haben hier hoch auflösende Video-Endoskope in hochauflösender HD¬TV-Technologie. Und wenn Sie hier die kleine Luftblase sehen, die hier am Bildschirm vielleicht vier Zentimeter hat, dann hat sie im Original etwa einen halben Millimeter. Also wir arbeiten wie mit einem Mikroskop. Viel besser als man es mit dem blanken Auge tun könnte."

Zweieinhalb Stunden lang wird Jürgen Hochberger im St. Bernward Krankenhaus Hildesheim "alle Hände voll" zu tun haben, um einen Darm-Polypen zu entfernen. Bevor es losgeht bei dem narkotisierten Patienten, wird der 20 Millimeter große Polyp genauestens untersucht. Dazu wird ein kleines Ultraschallgerät mit dem schlauchartigen Endoskop eingeführt. Wieder geht der Blick zum Bildschirm.

"... und sie sehen hier auf der rechten Seite diesen Tumor. Und hier etwas hellgrau, die sogenannte Submukosa, das Unterschleimhaut-Fettgewebe. Und hier drüber sehe ich diesen Polypen auf die Schleimhaut allein begrenzt. Sehr schön von der Umgebung abgrenzbar. Keine vergrößerten Lymphknoten in der Region nachweisbar, sodass wir ihn gut endoskopisch resezieren können sollten. "

Resezieren heißt entfernen. Wahrscheinlich, so der Mediziner, ist es noch kein Krebs. Sicherheit gibt aber erst eine Gewebeanalyse nach der Operation. Nun wird das Endoskop "hochgefahren" - hörbar an der zischenden Luft. Sie strömt durch den 120 Zentimeter langen Schlauch, um den Darm ein wenig aufzudehnen, damit der Operateur ein größeres Blickfeld hat:

"Ja, wir haben jetzt diese Injektionsnadel eingeführt. Wir nehmen hier spezielle Nadeln mit 0,7 bis 1,0 Millimeter Außendurchmesser, damit wir ein möglichst großes Volumen dieser viskosen Flüssigkeit unter diesen Polypen bekommen. Dazu hilft uns diese elektronisch gesteuerte Pumpe. Sie sehen, wie sich die Schleimhaut hier aufbläst. Sie hören im Hintergrund das Geräusch der Pumpe, die ich hier mit dem Fußpedal aktivieren kann, und hier wird schrittweise dieser Polyp abgehoben. "

Bislang werden viele Polypen mit einer Drahtschlinge gekappt. Leider bleibt dann häufig Restgewebe zurück, aus dem sich ein Folgetumor entwickeln kann. Das neue Verfahren hat diesen Nachteil nicht mehr. Die zähflüssige Masse, die unter den Polypen gepumpt wird, hebt das gesamte Areal an. Es folgt ein kreisrunder Schnitt um den Polypen herum. Dann kann die Wucherung als Ganzes komplett entfernt werden.

"... noch ein paar Millimeter, und jetzt ist es ab. Jetzt schwimmt das Präparat. Jetzt ist es frei. So, wir gehen mit dem Proktoskop jetzt gerade mal ein und versuchen, das Präparat jetzt noch mal anzusaugen. So, das Präparat ist geborgen. Jetzt schauen wir uns noch mal den Wundgrund an, wo wir noch mal kleine Blutgefäße verschließen, und dann glaube ich, ist das ein sehr schönes Ergebnis für den Patienten. "

In zwei Tagen schon wird der 58-jährige Patient die Klinik verlassen. Die Darmkrebsgefahr ist vorerst gebannt. Glück gehabt.

"Ja, alles gut gegangen. Es war heute aufwendig - sehr stark durchblutet dieser Polyp. Da mussten wir einfach sehr sorgfältig und schrittweise vorgehen und wollten keinerlei Risiko eingehen für den Patienten. Darum hat es jetzt doch zweieinhalb Stunden gedauert. Die schnellste OP, die wir gemacht hatten vor drei Wochen, war elf Minuten im Magen. Also es kann auch sehr viel schneller gehen, aber es kann auch mal sehr lang gehen. "

250.000 Euro kostet die elektronische High-Tech-Apparatur, mit deren Hilfe der Polyp in stundenlanger Kleinarbeit entfernt wurde. Die Gefahr von wiederkehrenden Polypen beträgt bei herkömmlicher Chirurgie 30 bis 45 Prozent. Bei dem Verfahren, das Jürgen Hochberger anwendet, schrumpft das Risiko auf gerade einmal ein Prozent. Und das, so der Experte, rechnet sich für die Kassen und für den Patienten.

"Ich hoffe, dass er es möglichst bald vergessen hat. Er bekommt heute Abend etwas Tee und Zwieback und morgen Kartoffelpüree und wenn's ihm gut geht, kann er übermorgen nach Hause. "

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