Endspurt um die Oscars

Von Kerstin Zilm · 25.02.2012
Der rote Teppich ist aufgerollt, die goldenen Statuetten sind poliert, die Umschläge werden mit den Namen der Gewinner gefüllt - am Sonntag werden in Hollywood die begehrtesten Preise der US-Filmindustrie vergeben. Auch deutsche Filmemacher rechnen sich Chancen auf den Oscar aus.
Die letzte Woche vor der Oscarverleihung ist die Zeit der Partys, Empfänge und letzten Interviews für die Nominierten. Im Westküstenstudio des öffentlichen Radiosenders NPR sitzt Wim Wenders, um einmal mehr darüber zu sprechen, wie seine 3-D-Dokumentation "Pina" nach dem Tod der Erneuerin des Tanztheaters zu einem Film für sie statt mit ihr wurde.

In der Dokumentarfilm-Kategorie ist das Rennen eng. US-Filmkritiker feiern die Pina-Bausch-Hommage. Die LA Times nennt sie "eine Wucht" und "die aufregendste Nutzung von 3-D-Technik seit Avatar". Das Fachblatt Variety schwärmt

""Wim Wenders Tanzdokumentation ‚Pina’ zeigt multidimensionale Unterhaltung, die Kulturliebhaber in Verzückung versetzen wird."

Zwei junge deutsche Filmemacher stehen beim Empfang für die Nominierten in den Kurzfilmkategorien im Scheinwerferlicht. Stefan Gieren und Max Zähle waren schon in letzten Jahr bei der Oscar-Akademie. Ihre Geschichte "Raju" über eine misslungene Adoption in Indien gewann den bronzenen Studenten-Oscar. Vom Wirbel um Nominierte für einen ‚echten’ Oscar sind sie trotzdem überwältigt.
"Das wird glaube ich nie Routine. Man kennt die Menschen, die damit zu tun haben und das ist toll, dass man die wiedersehen darf. Als wir beim Studenten-Oscar hier waren, haben wir nie damit gerechnet. Auf einmal ist man wieder da und das ist ein schönes Gefühl."

Die LA Times hat "Raju" als Favoriten in seiner Kategorie gewählt. Auch der Vorsitzende der Kurzfilm-Abteilung in der Oscar-Akademie, Jon Bloom, hält viel vom deutschen Beitrag:

"’Raju’ ist besonders wunderbar. Für mich ist er ein Hit. Ich bin froh, dass er nominiert wurde. Ich versuche, neutral zu bleiben, aber ich bin besonders angetan von diesem Film."

Die Augen der meisten Zuschauer werden bei der Verleihungs-Zeremonie auf anderen Kategorien liegen. Großer Favorit ist mit zehn Nominierungen ‚The Artist’, doch im Rennen um die Auszeichnung als ‚bester Film’ liegen Martin Scorsese’s nostalgische 3-D-Geschichte ‚Hugo’ und das Drama um Rassismus der 60er Jahre ‚Help’ dicht hinter dem schwarz-weißen Stummfilm. ‚Help’ könnte afro-amerikanischen Filmemachern wieder Oscars bringen. Sie waren im letzten Jahr ganz leer ausgegangen.

Nicht überraschend, wenn man sich die Zusammensetzung der Oscar-Akademie anschaut. 94 Prozent der knapp 6000 Wähler sind weiß, nur zwei Prozent schwarz und noch weniger lateinamerikanischer Herkunft. Bei einem Altersdurchschnitt von 62 Jahren haben sie eine Vorliebe für eine bestimmte Art von Film, erklärt Stephen Galloway, Oscar Experte des Fachmagazins "The Hollywood Reporter":

"Es ist fast immer ein amerikanischer Film, ein Wohlfühlfilm, der die Zuschauer zum Lachen und Weinen bringt. Und es ist ein Film mit teurer Werbekampagne. Wer das Geld dafür nicht hat, ist tot."

"The Artist" hat fast alle Zutaten für das Erfolgsrezept. Die Favoritenrolle verdankt die französische Stummfilmproduktion aber vor allem Filmproduzent Harvey Weinstein.

"Er ist der größte Meister der Oscar-Manipulation aller Zeiten. Er ist genial, weiß genau, wie er Schauspieler und Regisseure zu den richtigen Leuten bringt und eine Aura der Vorbestimmung schafft."

Die deutschen Filmemacher mit Oscar-Hoffnungen können von einer solchen Kampagne nur träumen. Neben "Pina" und "Raju" ist Kostümbildnerin Lisy Christl für ihe Arbeit in "Anonymus" nominiert. Maria Schrader, Benno Führmann und Herbert Knaup spielen im polnischen Beitrag der Kategorie "Ausländischer Film’. Auch hinter den Oscar-Kulissen wirkt ein prominenter Deutscher mit: Komponist Hans Zimmer sorgt mit Pharell für die Musik der Oscar-Nacht. Während er an den letzten Noten feilt, schwitzen die anderen deutschen Filmemacher nur noch über einer Sache: die Dankesrede

"Die Rede existiert irgendwo in der Ferne aber die existiert nicht real. Da gibt’s keine Vorbereitung. Wenn es denn dann passieren sollte, das weiß man ja nicht, dann wird einem schon irgendwas einfallen."