Besuch in einer Kreuzberger Solarkraftwerkstatt
Die Zukunft für Solarenergie in Afrika ist unbestritten. Allerdings fehlt die Infrastruktur. Ein Großteil der ländlichen Regionen ist nicht ans Stromnetz angeschlossen. Wie man dort trotzdem mit Solaranlagen Energie erzeugen kann, zeigt eine kleine Berliner Firma.
Langsam kriecht ein Lastenaufzug an der rot-rußigen Backsteinfassade empor, im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Auf drei Etagen lärmen Bauarbeiter. "Mein Grundeinkommen e.V.", steht auf einem Briefkasten, "Flüchtlinge Willkommen e.V." auf einem anderen. Dazwischen: "MobiSol". Die Solarfirma sitzt unter dem Dach, im vierten Stock.
Links Küche, Sitzecke und Kicker, dahinter ein wandfüllendes Foto aus Tansania, Häuser am Fuße des Mount Meru, auf einigen Dächern funkeln Solarpanele. Auf der anderen Flurseite: gut 300 Polaroid-Fotos.
"Das sind Fotos von unseren Kollegen aus Tansania, Ruanda und natürlich auch aus unserem deutschen Büro."
Auch Paula Berning lächelt von einem Foto an der Wand. Zehn Monate war sie in Ruanda, jetzt kümmert sie sich in Kreuzberg ums Solargeschäft. Die Bedürfnisse ihrer afrikanischen Kunden immer vor Augen
"Hier haben wir wie in einem typischen tansanischen Wohnzimmer ein kleines Sofa, ein bequemes Sofa, ein paar nette Bilder an der Wand, natürlich auch von der Familie."
Ein, zwei mal drei Meter kleiner Raum. Afrikanische Lebensmittelpackungen auf den Regalen, ein Jesus Bild über dem Sofa.
"Wir haben einen Flachbildfernseher, auch das ist mittlerweile die Erwartung, wir haben ein Handy-Ladegerät."
Entwickelt in Berlin, gebaut in Schwedt
Unter einem Spitzendeckchen, ganz unten im Regal, stehen zwei schuhkartongroße Kästen. Ein höherer in grau. Ein flacherer in gelb. Die Solarbatterie und die Steuerungseinheit. Entwickelt in Berlin, gebaut in Schwedt.
"Die erste Idee ist vor fünf Jahren entstanden, so richtig vertreiben tun wir das seit drei Jahren etwa ..."
Die Idee: Solarstrom für Regionen ohne Stromnetz. Kleine Anlagen für den Hausgebrauch. Wo sonst Dieselgeneratoren für Energie und Petroleumlampen für Licht sorgen. Die Solar-Panels kommen aus China, die Steuerung und die Software aus Deutschland. Vor Ort braucht es nur Sonne. Und ein Mobilfunknetz
Einige Räume weiter loggt sich Jamaine Veseli in die "System-map" ein. Vor sich eine Bio-Cola. Und drei Computerbildschirme.
"Machen wir doch mal Tansania. Dann kann man auch die einzelnen Regionen, die Wards, das sind wie Orte, die kann man vergleichen."
Eine Karte von Tansania baut sich auf dem großen Bildschirm auf. Blaue, grüne, orange und rote Kreise verteilen sich über das Land. Sie zeigen an, wo wie viele Kunden gerade Solarstrom produzieren. Der 27-jährige Software-Entwickler klickt einen Kreis am Fuße des Mount Meru an:
"Da zum Beispiel die Region, das ist in Arusha, von der letzten Volkszählung 73.000 Einwohner, da haben wir halt 790 Systeme."
Jedes Solarsystem sendet einmal pro Stunde seine Daten übers Mobilfunk-Netz. Dafür sorgt die gelbe Plastikbox. Mit Steuerungsplatine, GSM-Modem und Sim-Karte. Jamaine Veseli steuert System-Nr. 16143 an. Eine 80 Watt Solaranlage. Rechts poppt ein Bild des Besitzers auf. Noch ein Klick und die Funktionsdaten der Anlage erscheinen:
"Der schwarze Graph ist die Batterie. Und die ist halt ziemlich voll. Rot ist der Verbrauch. Hier wurde irgendwas angemacht, 14 Watt, das könnte ein Fernseher sein, oder so. Und grüne zeigt, was in die Batterie reingeht."
Die Energiereserve liegt bei 86,3 Prozent. Das reicht für den Betrieb, wenn die Sonne mal nicht scheint. Auch sonst läuft alles stabil, bei System Nr. 16143, 7000 Kilometer entfernt, in Arusha:
"Wir versuchen halt bevor die Kunden irgendetwas merken, zu sehen, ob das System irgendwelche Probleme aufzeigt. Und eigentlich soll es so sein, dass der Techniker vor der Tür steht, bevor der Kunde merkt, dass etwas kaputt ist."
Solarservice aus Kreuzberg für Afrika
Die Techniker werden vor Ort ausgebildet. Mehr als hundert sind im Einsatz. Binnen 72 Stunden wird jede defekte Anlage repariert, versprechen die Berliner. Solarservice aus Kreuzberg für Afrika. Mehr als 30.000 Kunden in Ruanda und Tansania haben in ihre private Solaranlage investiert.
"Das fängt bei ungefähr 500 Euro an und geht bis 900 Euro, so im Durchschnitt sind wir so bei 700 Euro pro Anlage. Und das wird über drei Jahre, also 36 Monate aufgeteilt."
Bezahlt werden die Raten mit dem Mobiltelefon. Wie oft in Afrika üblich.
"Er schickt eine SMS mit einem Code. Und dann wird von seinem Handykonto Geld abgebucht und an uns überwiesen."
Bei weniger als drei Prozent der Kunden mussten die Berliner auf ihre Geld warten. Wer nicht zahlt, wird erst verwarnt. Und wenn dann immer noch kein Geld kommt, wird die Anlage in Tansania oder Ruanda stillgelegt. Per Mausklick aus Kreuzberg.