Wie viel Rauch muss sein?
Mehr als neunzig Prozent der polnischen Elektrizität werden aus Stein- und Braunkohle gewonnen. Damit zählt das Land zu den kohleintensivsten Energiemärkten der Welt. Und daran wird sich wohl sobald auch nichts ändern. Denn Kohle gilt in Polen als einer der rentabelsten Energieträger.
Es riecht unangenehm, süßsauer, leicht ätzend. Und zwar lange bevor es zu sehen ist: das Braunkohlekraftwerk Belachtow. Eines der größten weltweit. Rund 20 Prozent der in Polen produzierten Energie entstehen hier. Mit knapp 5300 Megawatt erzeugen die zwölf Blocks des Kraftwerks, ein Vielfaches mehr an Strom als anderswo in Europa. Soweit die positive Bilanz, auf die der Betreiber Konzern PGE, besonders stolz ist. Die Auswirkungen für die Umwelt seien allerdings katastrophal, sagt Katarzyna Guzek von Greenpeace Polen:
"Es muss nicht sein, dass in Polen im Prozess der Energieerzeugung Menschen sterben. Was zur Zeit der Fall ist."
Kein Protest in der Region
Die Menschen in Belchatow und Umgebung sehen die Sache indes viel gelassener. Sie scheinen sich an den Gestank des Schwefeldioxids in der Luft und die CO2-Emissionen längst gewöhnt zu haben. Die gigantische Braunkohlegrube und das Kraftwerk, sagen sie, seien Belchatows Zukunft und keineswegs der Untergang. Wirtschaftlich betrachtet zumindest:
"Mich stört das Kraftwerk nicht. Wissen Sie, ich wohne in einem Hochhaus und die Nachbarn schmutzen mehr, wenn sie ihre Teppiche auf dem Balkon ausklopfen. Abgesehen davon, diejenigen, die im Kraftwerk und in der Grube arbeiten, verdienen viel Geld."
"Wir sollten uns freuen. Ohne das Kraftwerk und die Grube wären 75 Prozent der Einwohner hier arbeitslos. Es ist gut, dass das Braunkohlekraftwerk gerade hier gebaut wurde."
Wer in Belchatow nach Gegnern der Grube und des Kraftwerks sucht, der sucht vergeblich. Selbst Greenpeacesprecherin Katarzyna Guzek muss zugeben, dass es in der Region besonders schwer ist, Umweltbewegte zu mobilisieren. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die meisten im Land ohnehin fest davon überzeugt sind, dass Polen ohne Kohleenergie nicht existieren kann.
Bürgermeister sieht Emissionen "unter Kontrolle"
Argumente, denen Greenpeacevertreter in Polen ganz und gar nicht zustimmen können und es auch nicht wollen. Das Land sei keineswegs auf fossile Brennstoffe angewiesen, sagt Greenpeacekoordinatorin für erneuerbare Energiequellen Anna Ogniewska. Zu diesem Schluss zumindest wären Forscher des Stuttgarter DLR-Zentrums bei ihrer jüngsten Studie gekommen.
"Polen verfügt über ein gigantisches Potenzial an erneuerbaren Energiequellen, wie Sonne, Wind, Biomasse. Die neuesten Analysen zeigen, dass wir bis zum Jahr 2030 über 50 Prozent der Energie aus erneuerbaren Energiequellen produzieren könnten. 2050 könnten auf diese Weise sogar 88 Prozent des Strombedarfs und 76 Prozent der Wärmeenergie erzeugt werden.
Alles Fantastereien, heißt es dazu trocken in Belchatow. Wer gegen das Kraftwerk und die Grube protestiere, sagt Bürgermeister Marek Chrzanowski, der habe schlicht keine Ahnung. Erstens wären all diese Erkenntnisse nicht gesichert und zweitens seien die Emissionen, betont der Kommunalpolitiker, längst um ein Vielfaches reduziert worden.
"Es gibt eine Gruppe von Menschen, die das Bild von Belchatow dämonisieren. Sie sehen nur hohe Schlote und reden nur von Emissionen. Sie halten etwas für eine Gefahr, was eigentlich keine Gefahr ist. Heute befinden sind CO2- und Schwefelemission weitestgehend unter Kontrolle."
Angeblich genug Braunkohle für weitere 20 Jahre
Unweit der Braunkohlegrube stehen Fahrzeuge Schlange und warten bis sie beladen werden. Große LKW, Kleintransporter, ein Traktor mit Anhänger. Im Führerhaus sitzt der 60-jährige Jozek. Heizöl, sagt der ehemalige Kraftwerkarbeiter, könnte er sich nicht leisten. Braunkohle aber durchaus:
"Braunkohle ist der günstigste Energieträger, den es gibt. Klar entsteht bei der Verbrennung Schwefeldioxid, aber ich habe einen Kamin aus Blech. Der hält das schon aus. Ob meine Lunge das auch aushält? Nun ja, ich weiß nicht, ob das für meine Lunge schädlich ist. Schauen Sie sich doch um. Welche Mengen hier im Kraftwerk verbrannt werden. Wenn das zugelassen wurde und jemand musste es doch untersucht haben, dann kann es doch nicht so schlimm sein."
Jüngsten geologischen Untersuchungen zufolge, meint der Bürgermeister von Belchatow, gäbe es in der Region noch genug Braunkohle für die nächsten zwanzig Jahre. Zeit genug um sich Gedanken über Alternativen zu machen. Stimmt, sagen Umweltschützer spöttisch, Hauptsache man beginne damit heute und nicht erst morgen.