Wärmedämmung ist "ungeheuer vernünftig"
Die Bundesregierung will etwas tun fürs Klima und legt deshalb einen Aktionsplan vor. Der geht dem Umweltexperten Ernst Ulrich von Weizsäcker aber nicht weit genug. Er fordert eine Abkehr von der "Kohle-Vorrang-Politik".
Ein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist "ohne Schaden für die Wirtschaft" möglich – wenn genügend Energie gespart wird. Diese Ansicht vertrat der Physiker und Umweltexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur.
Er forderte eine Abkehr von der "Kohle-Vorrang-Politik" und appellierte an Industrie und Privathaushalte, in sinnvolle Energiesparmaßnahmen zu investieren. Dabei hob er die Wärmedämmung hervor. Gas, das man nach einer entsprechenden Gebäudesanierung nicht mehr zum Heizen benötige, könne für die Stromerzeugung genutzt werden.
"Das dann eingesparte Gas kann gebraucht werden, um Kraftwerke zu betreiben, die an Stelle von Braunkohlekraftwerken Strom erzeugen", sagte von Weizsäcker. "Das hat nichts mit Abbau von Arbeitsplätzen zu tun (...) und dann kann man ohne Schaden für die Wirtschaft die Braunkohle ein Stück weit zurückfahren."
Wärmedämmung sei für die Industrie derzeit aber finanziell unattraktiv, weil sich Abschreibungen 15 bis 25 Jahre hinzögen. Dennoch sei das Dämmen "ungeheuer vernünftig", und der Staat solle dazu entsprechende Anreize schaffen.
Von Weizsäcker forderte zudem ein "Ping-Pong von Energieeffizienz und Energiepreisen". So sollten "die Energiepreise jedes Jahr um gerade so viel Prozent teurer [werden] wie die Effizienz im abgelaufenen Jahr zugenommen hat, so dass man dann im Durchschnitt im Monat nicht mehr für Energie bezahlt." Denn klar sei, dass Energie auf Dauer nicht mehr billiger werden könne.
Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Und? Haben Sie das Licht heute Morgen in der Küche ausgemacht? Tropft der Wasserhahn noch im Bad oder pfeift es durch das Dachfenster? Alles Kleinigkeiten. Nimmt man die Industrie aber, und da ist sich die Bundesregierung nun einig, in Deutschland wird zu viel Energie verschwendet, von den Großen und den Kleinen, weshalb die schwarz-rote Koalition einen nationalen Aktionsplan Energieeffizienz vorlegt, und der soll heute im Kabinett verabschiedet werden. Nicht von ungefähr – tagt doch gerade die Weltklimakonferenz in Lima. Christel Blanke mit den Details.
Einspielung
Und nicht weit genug gehen die Pläne der Bundesregierung auch dem Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker. Er ist Co-Vorsitzender des Club of Rome, das ist ein berühmter Club von internationalen Wachstumskritikern und Gründungspräsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Guten Morgen, Herr von Weizsäcker!
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Sie haben die von Rot-Grün eingeführte Ökosteuerreform mit initiiert und kritisieren jetzt in einem offenen Brief die Pläne der schwarz-roten Koalition zur Energieeffizienz. Was stört Sie?
von Weizsäcker: Wir haben nicht diese Pläne kritisiert. Die sind in gewissem Sinne schon eine Antwort auf unsere Kritik. Die Kritik war im Wesentlichen etwas, was sich anhörte wie Kohlevorrangpolitik.
Brink: Können Sie das präzisieren?
von Weizsäcker: Na ja, also dass Gaskraftwerke stillliegen und Braunkohle fährt wie verrückt und sich ständig vermehrt, das ist einfach nicht Klimaschutz.
Brink: Nun hat ja Wirtschaftsminister Gabriel sich klar gegen den schnellen Abbau der Kohlekraft positioniert, und Sie fordern in diesem Brief ja, die Subventionen für klimaschädliche Energieträger müssten abgebaut werden. Wie wollen Sie das durchsetzen?
von Weizsäcker: Wir haben eine Art von Drei-Stufen-Idee gehabt. Das, was jetzt die Bundesregierung beschlossen hat an allererster Stelle, nämlich echt Einsparen – im Gebäudebereich bedeutet das insbesondere auch sehr viel weniger Gasverbrauch. Das dann eingesparte Gas kann dann eingesetzt werden, um Kraftwerke zu betreiben, die anstelle von Braunkohlekraftwerken Strom erzeugen. Das hat nichts mit Abbau von Arbeitsplätzen zu tun und ist außerdem vernünftig. Und dann kann man ohne Schaden für die Wirtschaft die Braunkohle ein Stück weit zurückfahren. Wir haben auch nicht gesagt, über Nacht. Man soll nur im Rahmen der selbstgesteckten Klimaziele bleiben.
Brink: Gerade im Bereich Gebäudesanierung gibt es noch viel zu tun. Warum ist das nicht passiert bislang? Denn die Technologien, die gibt es ja längst.
von Weizsäcker: Ich habe mal mit Kredit-Leuten darüber geredet, was so die Abschreibedauer ist für Investitionen, und da kommt dann eben heraus, 15 bis 25 Jahre, je nach Zustand des Gebäudes. Das ist den heutigen Finanzmärkten viel zu lang. Die wollen ja immer nach drei bis fünf Jahren alles schon wieder einkassiert haben. Und das ist der Hauptgrund für den Attentismus.
Brink: Genau da steigt ja auch zum Beispiel der aktuelle Titel des "Spiegels" ein. Der kritisiert ja den Dämmungswahn als unwirtschaftlich. Bringt also diese ganze Gebäudesanierung gar nichts für die Energieeffizienz?
von Weizsäcker: Aber selbstverständlich bringt die was. Wenn man nach den Maßgaben eines früheren Deutsche-Bank-Chefs Ackermann, 20 Prozent bis 25 Prozent Rendite pro Jahr, arbeitet, dann ist ja praktisch alles unwirtschaftlich, was wir machen. Ich finde das Dämmen ungeheuer vernünftig, vor allem ist es ein langfristiger Gewinn.
Brink: Nun haben wir bei den Kleinen angefangen, also bei den Verbrauchern, bei denjenigen, die Häuser bauen. Wir können erwähnen, dass wir unser Licht ausmachen, dass wir gucken, dass der Wasserhahn nicht tropft. Aber die eigentlichen großen Sünder liegen ja im Bereich der Industrie, um noch mal auf die Subventionen zu kommen. Und da sieht man ja nicht, dass die eingedämmt werden sollen.
von Weizsäcker: Ja. Da muss man sagen, die Haushalte, die Privathaushalte sind oft viel eher bereit, eine Investition zu machen, die 15 Jahre abgeschrieben werden muss. Die Industrie ist das meistens nicht. Die denken tatsächlich in Zeiträumen von fünf bis zehn Jahren, und das ist zu kurz. Und manche von den Energieeffizienzmaßnahmen rentieren sich eben erst im Lauf von zehn Jahren, und dann machen sie es eben nicht.
Brink: Also Sie sagen, wir müssen wirklich bei den privaten, bei uns Verbrauchern anfangen, um das wirklich sinnvoll und effektiv zu machen?
von Weizsäcker: Beides gleichzeitig. Das muss man nicht hierarchisieren. Beide sollen das machen. Und wie Frau Hendricks völlig richtig sagt, ebenso im Verkehr. Also wir brauchen nicht die großen CO2-Emittenten-Autos, aber das ist dann auch eine Frage von uns Verbrauchern, dass wir die dann gar nicht erst kaufen 00:06:11.
Brink: Wenn Sie einen Katalog aufmachen – was hilft dann wirklich, damit wir weiterkommen, damit wir wirklich Weltmeister in der Disziplin Energieeffizienz werden? Das wollte die Bundesregierung ja so gerne.
von Weizsäcker: Ich persönlich habe dazu einen Vorschlag, der nicht überall gut ankommt, den ich aber für sehr vernünftig halte. Ich habe ihn übrigens in China, für die Chinesen entwickelt, nämlich: Macht doch die Energiepreise jedes Jahr um gerade so viel Prozent teurer, wie im abgelaufenen Jahr die Effizienz zugenommen hat. Sodass man dann im Durchschnitt im Monat nicht mehr für Energie bezahlt, und immer weiter steigt der Anreiz, effizienter zu werden, weil man damit immer höhere Renditen kriegt. Das ist so ähnlich wie beim Faktor Arbeit: Wenn die Arbeitsproduktivität steigt, dann können die Löhne steigen. Und das ist ein Ping-Pong: Wenn die Löhne steigen, dann steigt der Rationalisierungsdruck. In diesem Sinne hoffe ich, dass ein Ping-Pong bei Energieeffizienz und Energiepreisen uns zum Weltmeister macht.
Brink: Also eine intelligente CO2-Steuer. Aber glauben Sie allen Ernstes, der Wirtschaftsminister steigt darauf ein?
von Weizsäcker: Das ist eine Frage der Überzeugung. Wenn die Chinesen darauf einsteigen, dann nehme ich an, dass er plötzlich denkt, ach, das kann nicht ganz dumm sein.
Brink: Aber alles spricht ja dagegen, dass er das eigentlich tut. Wenn man sich anguckt, wie er mit dem Kohleabbau – also er sagt, wir können das nicht alles stoppen ...
von Weizsäcker: Ich verstehe den Wirtschaftsminister ganz gut. Die letzte Bundestagswahl ging zu erheblichen Teilen darum, endlich den Preisauftrieb bei Energie zu bremsen oder umzukehren. Das ist ihm ja schon ein Stück weit gelungen. Da muss man ihn auch loben in der Hinsicht. Und meine Idee ist ja nicht, aufgesattelt auf dem bisherigen Aufwärtstrend, das noch teurer zu machen, sondern lediglich zu sagen, es wird nicht mehr billiger auf die Dauer.
Brink: Der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker, Gründungspräsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Danke!
von Weizsäcker: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.