Energieexperte: "Wir haben zu wenig Kraftwerke"
Der Leiter der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler, hat sich gegen die von der EU-Kommission geforderte Trennung von Netzbetrieb und Energieproduktion als Maßnahme zur Strompreissenkung ausgesprochen. Das Problem sei nicht die Trennung, sondern dass es derzeit zu wenige Kraftwerke gebe, sagte der Energieexperte im Deutschlandradio Kultur. Das Problem werde zudem durch schlechte Investitionsbedingungen verstärkt. Viele insbesondere kleine Kraftwerksinvestoren hielten sich derzeit zurück.
Moderator: Die Strompreise in Deutschland sind mit die höchsten in Europa, 20 bis 30 Prozent über dem Durchschnitt. Und das ist auch kein Wunder, sagen übereinstimmend viele Wirtschaftswissenschaftler, denn in Deutschland gibt es vier große Stromanbieter, die sich gegenseitig nicht besonders viel Konkurrenz machen. Freunde machen sie sich derzeit auch nicht, Preiserhöhungen von bis zu 10 Prozent wurden angekündigt. Ein Problem unseres Strommarktes: Die vier großen Konzerne stellen nicht nur den Strom her, sie besitzen auch noch die Stromnetze, über die sie ihr Produkt verkaufen. Neelie Kroes, die EU-Kommissarin für den Wettbewerb, hat jetzt angekündigt, sie wolle Stromnetze und Produktion trennen. Nur so könne es fairen Marktzugang und offenen Wettbewerb geben. Wir sind jetzt verbunden mit Stephan Kohler, er ist der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur. Guten Morgen, Herr Kohler.
Stephan Kohler: Guten Morgen!
Moderator: Herr Kohler, Ihre Aufgabe bei der Deutschen Energie-Agentur ist es unter anderem, Strategien für den rationellen Umgang mit Energie zu entwerfen. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von einer Trennung von Stromnetz und Stromproduktion?
Kohler: Also, wir halten von diesem Vorschlag jetzt zur Frage der Strompreissenkung eigentlich sehr wenig, weil das Problem ja nicht die Trennung von den Netzen ist, sondern das Problem und die hohen Strompreise resultieren ja daraus, dass zu wenig Kraftwerke am Markt sind. In Deutschland ist eine Netzzugangsverordnung und eine Netznutzungsverordnung erlassen worden, also, wo praktisch die Neuanbieter klare Zugangsbedingungen für die Netze haben und Netzregeln aufgestellt worden sind zur Nutzung und die Bundesnetzagentur überwacht das, und Herr Kurth, der Chef von der Bundesnetzagentur, hat auch vor ein paar Tagen noch mal bestätigt, dass es keine Klage von einem unabhängigen Kraftwerksbetreiber gibt bezüglich der Netznutzung. Also, mit dieser Trennung lösen wir das Problem nicht.
Moderator: Sie haben darauf hingewiesen, dass der Präsident der Bundesnetzagentur sich da geäußert hat, er hat auch gesagt, dass eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerb und funktionierenden Handel die Schaffung eines Überangebotes von Strom sei. Wie könnte man denn dahin kommen?
Kohler: Also, das ist genau das Problem, dass es jetzt notwendig ist, dass möglichst ausreichend Kraftwerke gebaut werden und egal ob von großen Unternehmen oder von kleinen Unternehmen. Alle Kraftwerksinvestoren erwarten natürlich eine entsprechende Kapitalrendite. Und die Rahmenbedingungen für die Schaffung von neuen Kraftwerken sind aber derzeit nicht besonders gut, weil wir auf der einen Seite keine klaren Rahmenbedingungen haben, zum Beispiel wie die Emissionshandelsausstattungen über das Jahr 2012 hinaus aussehen – also, die neuen Kraftwerke müssen ja CO2-Zertifikate erwerben, um betrieben werden zu können –, und es ist eben noch nicht klar, wohin geht die Politik. Also, die Investitionsbedingungen sind nicht besonders gut. Deshalb halten sich auch viele insbesondere kleine Kraftwerksinvestoren derzeit zurück.
Moderator: Aber zu den Rahmenbedingungen gehört ja auch der Marktzugang, und der wird über Zugang zum Netz gesichert, insofern würde doch eine Trennung von Netz und Produktion auch für mehr Wettbewerb sorgen.
Kohler: Nein. Wenn ich als Kraftwerksinvestor heute einen freien Netzzugang habe, und in Deutschland ist es sogar so geregelt, dass die, die neue Kraftwerke bauen, sogar privilegiert sind gegenüber denen, die alte Kraftwerke haben, also gegenüber den vier Großen, die ja derzeit ungefähr 80 Prozent des Kraftwerksparks haben. Neuinvestoren sind privilegiert, kommen bevorzugt in das Netz und können das Netz auch entsprechend nutzen, und die Durchleitungsgebühr für die Netze – das ist immer ein Argument, dass die Durchleitungsgebühr zu hoch wäre –, die wird eben durch die Bundesnetzagentur geregelt und überwacht.
Moderator: Also, das Problem ist nicht der Zugang zum Markt, sondern das Problem sind die Verwertungsbedingungen, die Rendite.
Kohler: Genau. Das Problem ist derzeit, dass natürlich die Rahmenbedingungen … Wir reden hier immerhin über Investitionen. Ein Kraftwerk kostet ungefähr 1 bis 1,5 Milliarden Euro, und hier müssen natürlich – und im liberalisierten Energiemarkt gelten eben dann auch die Kapitalmarktbedingungen – hier müssen die Renditen stimmen, sonst wird nicht neu investiert.
Moderator: Und noch mal, was ist so schwierig daran? Warum ist es so schwierig, vernünftige Renditen da zu erwirtschaften, bei den Preisen derzeit?
Kohler: Nein, es werden ja vernünftige Renditen erwirtschaftet, aber was wir derzeit im Markt feststellen ist eben, dass ja … Deutschland ist ja nicht eine Insel, wo nur Kraftwerke gebaut werden, sondern wir haben europaweit, wir haben weltweit eine starke Nachfrage nach neuen Kraftwerken. Die Kraftwerkspreise, also die Investitionskosten, sind extrem gestiegen, und dadurch ist es für kleine, zum Beispiel für Stadtwerke, die jetzt ein neues Kraftwerk bauen, natürlich noch mal schwieriger geworden, dort in den Markt reinzukommen, weil sie Kraftwerke nur dann bekommen, wenn sie eben sehr hohe Preise bezahlen.
Moderator: Sie sind ja mit der Deutschen Energie-Agentur besonders den erneuerbaren Energien verpflichtet. Welche Rolle könnten die denn dabei spielen?
Kohler: Wir arbeiten insbesondere auf dem Thema Energieeffizienz, also: Wie kann der Stromverbrauch reduziert werden und wie können neue, erneuerbare Energien eingespeist werden? Erneuerbare Energien sollen bis zum Jahr 2020, also innerhalb von 12 Jahren, auf rund 30 Prozent ausgebaut werden. Die erneuerbare Energieeinspeisung wird über ein eigenes Gesetz geregelt, die können natürlich den Markt entlasten, weil diese Kraftwerke über die Gesetzgebung sichere Einspeisebedingungen haben. Und der zweite Punkt, auf den ich auch hinweisen möchte ist, dass wir durch Energieeinsparung, also durch innovative Technologien, in den Haushalten, in der Industrie innerhalb der nächsten 12 Jahre – also bis zum Jahr 2020 – zehn Prozent einsparen können. Durch diese zwei Maßnahmen können die Märkte entlastet werden, und der Preisdruck sinkt dann auf konventionelle Kraftwerke.
Moderator: Aber erneuerbare Energien sind ja nicht unbedingt preiswerter als die konventionellen Energien.
Kohler: Nein, sie sind nicht preiswerter, aber wir haben regenerative Energiequellen unterschiedlicher Art, also, wir unterscheiden ja zwischen Wasserkraft, Biomasse, Windenergie und Solarenergie, jetzt um die vier wichtigsten zu nennen. Solarenergie ist heute nicht wirtschaftlich, aber wir haben zum Beispiel im Bereich Biomasse und Windenergie eine Tendenz, die dazu führt, dass wir davon ausgehen, dass wir in wenigen Jahren konkurrenzfähig sind gegen konventionelle Kraftwerke.
Moderator: Vielen Dank für das Gespräch!
Kohler: Herzlichen Dank!
Stephan Kohler: Guten Morgen!
Moderator: Herr Kohler, Ihre Aufgabe bei der Deutschen Energie-Agentur ist es unter anderem, Strategien für den rationellen Umgang mit Energie zu entwerfen. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von einer Trennung von Stromnetz und Stromproduktion?
Kohler: Also, wir halten von diesem Vorschlag jetzt zur Frage der Strompreissenkung eigentlich sehr wenig, weil das Problem ja nicht die Trennung von den Netzen ist, sondern das Problem und die hohen Strompreise resultieren ja daraus, dass zu wenig Kraftwerke am Markt sind. In Deutschland ist eine Netzzugangsverordnung und eine Netznutzungsverordnung erlassen worden, also, wo praktisch die Neuanbieter klare Zugangsbedingungen für die Netze haben und Netzregeln aufgestellt worden sind zur Nutzung und die Bundesnetzagentur überwacht das, und Herr Kurth, der Chef von der Bundesnetzagentur, hat auch vor ein paar Tagen noch mal bestätigt, dass es keine Klage von einem unabhängigen Kraftwerksbetreiber gibt bezüglich der Netznutzung. Also, mit dieser Trennung lösen wir das Problem nicht.
Moderator: Sie haben darauf hingewiesen, dass der Präsident der Bundesnetzagentur sich da geäußert hat, er hat auch gesagt, dass eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerb und funktionierenden Handel die Schaffung eines Überangebotes von Strom sei. Wie könnte man denn dahin kommen?
Kohler: Also, das ist genau das Problem, dass es jetzt notwendig ist, dass möglichst ausreichend Kraftwerke gebaut werden und egal ob von großen Unternehmen oder von kleinen Unternehmen. Alle Kraftwerksinvestoren erwarten natürlich eine entsprechende Kapitalrendite. Und die Rahmenbedingungen für die Schaffung von neuen Kraftwerken sind aber derzeit nicht besonders gut, weil wir auf der einen Seite keine klaren Rahmenbedingungen haben, zum Beispiel wie die Emissionshandelsausstattungen über das Jahr 2012 hinaus aussehen – also, die neuen Kraftwerke müssen ja CO2-Zertifikate erwerben, um betrieben werden zu können –, und es ist eben noch nicht klar, wohin geht die Politik. Also, die Investitionsbedingungen sind nicht besonders gut. Deshalb halten sich auch viele insbesondere kleine Kraftwerksinvestoren derzeit zurück.
Moderator: Aber zu den Rahmenbedingungen gehört ja auch der Marktzugang, und der wird über Zugang zum Netz gesichert, insofern würde doch eine Trennung von Netz und Produktion auch für mehr Wettbewerb sorgen.
Kohler: Nein. Wenn ich als Kraftwerksinvestor heute einen freien Netzzugang habe, und in Deutschland ist es sogar so geregelt, dass die, die neue Kraftwerke bauen, sogar privilegiert sind gegenüber denen, die alte Kraftwerke haben, also gegenüber den vier Großen, die ja derzeit ungefähr 80 Prozent des Kraftwerksparks haben. Neuinvestoren sind privilegiert, kommen bevorzugt in das Netz und können das Netz auch entsprechend nutzen, und die Durchleitungsgebühr für die Netze – das ist immer ein Argument, dass die Durchleitungsgebühr zu hoch wäre –, die wird eben durch die Bundesnetzagentur geregelt und überwacht.
Moderator: Also, das Problem ist nicht der Zugang zum Markt, sondern das Problem sind die Verwertungsbedingungen, die Rendite.
Kohler: Genau. Das Problem ist derzeit, dass natürlich die Rahmenbedingungen … Wir reden hier immerhin über Investitionen. Ein Kraftwerk kostet ungefähr 1 bis 1,5 Milliarden Euro, und hier müssen natürlich – und im liberalisierten Energiemarkt gelten eben dann auch die Kapitalmarktbedingungen – hier müssen die Renditen stimmen, sonst wird nicht neu investiert.
Moderator: Und noch mal, was ist so schwierig daran? Warum ist es so schwierig, vernünftige Renditen da zu erwirtschaften, bei den Preisen derzeit?
Kohler: Nein, es werden ja vernünftige Renditen erwirtschaftet, aber was wir derzeit im Markt feststellen ist eben, dass ja … Deutschland ist ja nicht eine Insel, wo nur Kraftwerke gebaut werden, sondern wir haben europaweit, wir haben weltweit eine starke Nachfrage nach neuen Kraftwerken. Die Kraftwerkspreise, also die Investitionskosten, sind extrem gestiegen, und dadurch ist es für kleine, zum Beispiel für Stadtwerke, die jetzt ein neues Kraftwerk bauen, natürlich noch mal schwieriger geworden, dort in den Markt reinzukommen, weil sie Kraftwerke nur dann bekommen, wenn sie eben sehr hohe Preise bezahlen.
Moderator: Sie sind ja mit der Deutschen Energie-Agentur besonders den erneuerbaren Energien verpflichtet. Welche Rolle könnten die denn dabei spielen?
Kohler: Wir arbeiten insbesondere auf dem Thema Energieeffizienz, also: Wie kann der Stromverbrauch reduziert werden und wie können neue, erneuerbare Energien eingespeist werden? Erneuerbare Energien sollen bis zum Jahr 2020, also innerhalb von 12 Jahren, auf rund 30 Prozent ausgebaut werden. Die erneuerbare Energieeinspeisung wird über ein eigenes Gesetz geregelt, die können natürlich den Markt entlasten, weil diese Kraftwerke über die Gesetzgebung sichere Einspeisebedingungen haben. Und der zweite Punkt, auf den ich auch hinweisen möchte ist, dass wir durch Energieeinsparung, also durch innovative Technologien, in den Haushalten, in der Industrie innerhalb der nächsten 12 Jahre – also bis zum Jahr 2020 – zehn Prozent einsparen können. Durch diese zwei Maßnahmen können die Märkte entlastet werden, und der Preisdruck sinkt dann auf konventionelle Kraftwerke.
Moderator: Aber erneuerbare Energien sind ja nicht unbedingt preiswerter als die konventionellen Energien.
Kohler: Nein, sie sind nicht preiswerter, aber wir haben regenerative Energiequellen unterschiedlicher Art, also, wir unterscheiden ja zwischen Wasserkraft, Biomasse, Windenergie und Solarenergie, jetzt um die vier wichtigsten zu nennen. Solarenergie ist heute nicht wirtschaftlich, aber wir haben zum Beispiel im Bereich Biomasse und Windenergie eine Tendenz, die dazu führt, dass wir davon ausgehen, dass wir in wenigen Jahren konkurrenzfähig sind gegen konventionelle Kraftwerke.
Moderator: Vielen Dank für das Gespräch!
Kohler: Herzlichen Dank!