Energiefreundlich, aber hässlich
Abgeschlagene Stuckaturen und verschandelte Eingänge können die Folge eines nachträglich gedämmten Hauses sein, warnt Christoph Mäckler vom Deutschen Institut für Stadtbaukunst. Die von der Industrie versprochenen Einsparungswerte seien vermutlich "völlig überzogen".
Britta Bürger: Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2050 alle Gebäude möglichst energiedicht machen. Vorhandene Häuser werden deshalb nachträglich gedämmt, Dächer, Fassaden, Fugen und Fenster – nirgendwo soll Wärme entweichen. Was für den Klimaschutz vielleicht gut ist, ist für das Erscheinungsbild fatal. Kritiker fürchten, energiedichte Häuser könnten zum Ende aller schönen Architektur führen. Am Deutschen Institut für Stadtbaukunst in Dortmund arbeitet man deshalb an Alternativen, über die wir jetzt mit dem Institutsdirektor Christoph Mäckler sprechen wollen. Schönen guten Tag, Herr Mäckler!
Christoph Mäckler: Ja, grüß Gott, Frau Bürger!
Bürger: Manche sprechen bereits von einem Wärmedämmungswahn. Welche sichtbaren Folgen sind denn schon jetzt besonders störend?
Mäckler: Na, Sie haben schon an einigen Häusern, die sehr, sehr schön waren, plötzlich abgeschlagene Stuckaturen, abgeschlagene Natursteine, die Eingänge sind verschandelt, die ganzen Fassaden sind einfach nicht mehr ansehnlich, und es geht ja dabei nicht nur um schöne Architektur, sondern es geht schlichtweg um unsere Lebensräume, um unsere Städte, in denen wir leben und in denen wir arbeiten, und es ist einfach undenkbar, dass man, ohne dass man etwas genauer hinsieht, versucht, nun hier politisch dichte, wie es so schön heißt, Häuser zu schaffen.
Bürger: Werden die Gebäude tatsächlich gesichtslos, verlieren sie ihren individuellen Charakter, auch ihren Charme?
Mäckler: Ja natürlich. Wenn Sie ein Haus aus dem 18. Jahrhundert oder aus dem 19. Jahrhundert, Sie können auch eins aus dem 20. Jahrhundert nehmen, plötzlich einpacken, dann ist eben der Charme, dann sind die ganzen Vorsprünge und Rücksprünge und die ganze Proportion dieser Fassade, die da vormalig gedacht war und die uns so sehr schön anmutet, die wir so sehr genießen – nicht umsonst leben die Menschen am liebsten in der Altstadt des 19. Jahrhunderts, das ist ja auch verrückt, wenn man sich das so überlegt, aber das ist so –, diese Häuser werden einfach so nicht mehr da sein, und wir werden sehr schnell sehen, dass wir in Europa dort wieder mal eine Vorreiterrolle haben, und die anderen lachen sich ins Fäustchen, weil wir wieder mal 150 Prozent, wie wir Deutschen es so tun, alles europagerecht gemacht haben und nicht abgewartet haben, und das in einem Land, was wirklich technologisch gesehen Vorreiter in solchen Dingen ist. Wir in Deutschland sind diejenigen, die, sagen wir mal, das Energiesparen mit den dazugehörigen Techniken vorangebracht haben und nicht die anderen europäischen Länder. Und wenn man sich das klar macht und sich einfach klar macht, dass wir in 20 Jahren völlig andere Technologie haben werden, und wenn man sich weiterhin klar macht, dass wir nur einen wirklich absurden, kleinen Bruchteil auf der Erde darstellen, die hier diese Probleme produzieren, dann wird einem sehr schnell klar, dass wir da zu kurz springen.
Bürger: Die am häufigsten verwendeten Dämmmaterialien sind aus Styropor, auch aus anderen Kunststoffen. Sind die denn aus ökologischer Sicht gut, sind das gute Materialien?
Mäckler: Nein, es kommt noch dazu, viele sind ölbasiert, schon das ist das erste Verrückte, aber diese ganzen Materialien werden oftmals mit Pestiziden versetzt, was dann dazu führt, dass die ganze Umgebung des Hauses auf die Dauer eben diese Pestizide im Erdreich aufnimmt.
Bürger: Vermutlich halten die auch gar nicht bis in alle Ewigkeit?
Mäckler: Das sowieso. Wir haben heute schon die Wärmedämmung der Wärmedämmung, also die Sanierung der Wärmedämmung, die wir vor 10, 15 Jahren aufgetragen haben, werden heute von der Industrie wieder angeboten, zur Sanierung angeboten. Man sieht also, auch hier hat sich offenbar der Stand der Technik in der kurzen Zeit schon verbessert. Und es ist völlig klar, wenn Sie diese Wärmedämmung von den Häusern wieder abnehmen müssen, dann ist das Sondermüll, den Sie dort produziert haben, und das bürden wir sozusagen der nächsten Generation auf.
Bürger: Das ganze Dämmen soll ja dem Zweck dienen, Energie zu sparen, doch nach neuen Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle ist auch das wohl gar nicht so doll. Während die Dämmstoffindustrie bis zu 80 Prozent Energieeinsparungen verspricht, soll es bei den Bauten aus der Nachkriegszeit, aus den 50er- und 60er-Jahren tatsächlich nur knapp 30 Prozent Einsparung bringen. Das ist also anscheinend eine Mogelpackung.
Mäckler: Das ist richtig, also zunächst einmal möchte ich ganz klar und deutlich sagen: Wir müssen Energie einsparen, das ist überhaupt gar keine Frage. Nur: Wir arbeiten hier nach Laborwerten und nicht nach Werten, die sozusagen im lebenden Beispiel untersucht worden sind, und deswegen sind wir in unserem Institut auch dabei, zusammen mit der DOGEWO in Dortmund, Musterhäuser zu errichten mit verschiedenen Wandaufbauten, um eben nachzuweisen, wie sich diese Häuser in einem Langzeitprozess in der Atmosphäre eben wirklich verhalten. Sie müssen sich ja vorstellen, das Haus ist umgeben von Wind, von Sonne, von Regen und so weiter, diese ganzen Witterungseinflüsse spielen natürlich auch eine Rolle, und die können Sie mit Laborwerten nur schwer nachvollziehen. Das heißt, die Werte, die uns da von der Industrie angegeben werden, sind, zumindest was die Wärmedämmung der Außenfassade angeht, so nicht richtig, sondern sie müssen nachvollzogen werden in der Langzeitperiode. Und es spielen natürlich viele, viele andere Dinge, die einfach außer Acht gelassen werden, eine weitere wichtige Rolle. Wir reden immer nur von der Wärmedämmung eines Hauses, und alleine wenn ich mir überlege, dass ich ein Haus wärmedämme, das heißt, ein Haus mit vier Hausseiten und einem Dach wärmedämme, dann hat das natürlich eine ganz andere Wärmedämmung zur Folge, ich verliere sehr viel mehr Energie, als wenn ich zum Beispiel dieses Haus staple und dieses Haus, wie in unseren Städten üblich, eben aneinander stelle, sodass also nur viel weniger Fassaden, also zum Beispiel in einem Blocksystem nur eine Vorderseite und eine Hofseite und ein Dach vorhanden sind. Schon da spare ich unglaublich viel Energie ein, das heißt, das müsste eben auch erst mal untersucht werden.
Bürger: Wie der Dämmungswahn das Gesicht unserer Städte verändert, darüber sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur mit Christoph Mäckler, dem Direktor des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst in Dortmund. Sie haben ja an Ihrem Institut, Herr Mäckler, ästhetisch und ökologisch vertretbare Alternativen bereits erarbeitet, Sie haben eben schon von diesen Musterhäusern gesprochen. Was für Materialien verwenden Sie denn für die Sanierung von schon bestehenden Gebäuden? Was würden Sie da empfehlen?
Mäckler: Ja, das sind natürlich Fragen, die wir erst in der Forschung jetzt voranbringen. Wir sind im Moment dabei, mit verschiedenen Städten - mit Lübeck, mit Frankfurt, mit Dortmund - den dortigen Siedlungsbaugesellschaften Häuser aus den verschiedenen Jahrzehnten und den verschiedenen Jahrhunderten in einem solchen Langzeitprozess zu untersuchen. Es ist völlig klar: Wenn Sie ein Haus haben mit 24 Zentimeter Außenwand oder Sie haben eben ein Haus mit 50 Zentimeter Außenwand aus dem 19. Jahrhundert, dann haben Sie andere Dämmwerte, und Sie müssen das eben erst mal untersuchen. Das können Sie im Labor nicht untersuchen. Und das Interessante ist eben, dass wir jetzt schon feststellen – und wir stehen erst am Anfang unserer Untersuchungen –, dass oftmals die Energiewerte, die uns von den Siedlungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellt werden, also das, was an Heizung wirklich verbraucht worden ist, dass dieser Verbrauch gar nicht sehr viel niedriger, rechnerisch niedriger liegt, wenn wir das Haus dann komplett mit Wärmedämmung eingepackt haben. Das heißt, hier muss man einfach mal genauer jetzt hinsehen: Wie viel kann ich mit dem Fenster dämmen, wie viel kann ich mit der Kellergeschossdecke dämmen, wie stark kann ich das Dach dämmen und so weiter und so fort, bevor ich an die Fassade gehe. Und da haben wir das Gefühl schon jetzt, ohne dass wir hier schon regelrechte Ergebnisse haben, weil das eben einem längeren Prozess bedarf, dass die Werte, die hier von der Industrie vorgegeben worden sind, einfach völlig überzogen sind.
Bürger: Und können Sie kurzfristig auch Empfehlungen geben für Leute, die jetzt ihr Eigenheim zum Beispiel dämmen wollen? Gibt es Alternativen zu den üblicherweise benutzten Dämmstoffen der Industrie?
Mäckler: Wenn Sie ein Haus haben, das Sie glauben, mit Wärmedämmung einpacken zu müssen, da gibt es natürlich hier schon auch verschiedene Möglichkeiten. Sie können eben einfach nur die Wärmedämmung außen draufbringen und dann dieses Putzsystem draufsetzen mit all den Folgen, die wir eben schon beschrieben haben. Sie können aber auch eine zweite Mauerschale davorsetzen und eine Innendämmung zum Beispiel machen. Dann können Sie außen einen wunderbaren Putz aufbringen, und das Haus wird weitere 100 oder 150 Jahre stehen bleiben, weil Sie einen normalen Putzauftrag eben außen haben. Also die zweite Schale ist eine Möglichkeit, wenn Sie jetzt nicht eine Fassade haben mit großen Stuckaturen, mit Gesimsen, mit Natursteinen und so weiter und so fort. Da kann ich nur sagen, Finger weg und einfach nur abwarten, abwarten, bis Genaueres klar ist. Und es wird, das kann man mit ganz großer Sicherheit sagen, es wird andere Ergebnisse in Zukunft geben.
Bürger: Meinen Sie, dass die Bundesregierung tatsächlich ihren Kurs dann noch mal überprüfen muss?
Mäckler: Das muss sie, das ist ganz sicher. Ich meine, jetzt kann man den Hausbewohnern schon mal sagen: Natürlich müsst ihr wärmedämmen, schaut eure Heizsysteme an, oft sind die Heizungsanlagen völlig überaltert, dort hat die Industrie einen unglaublichen Fortschritt gemacht. Sie können heute sehr viel Energie schon einsparen, wenn Sie einfach eine andere Heizungsanlage im Keller einbauen. Sie können natürlich Ihre Kellerdecken dämmen, das bringt auch unglaublich viel, Sie können Ihr Dachgeschoss, wenn es nicht schon ausgebaut ist, dämmen, sodass einfach der Wärmeverlust erheblich reduziert werden kann. Alles andere spielt sich dann wirklich hinter den Kommastellen ab, was ich dann wirklich als Verbraucher, als Hausbesitzer noch einsparen kann.
Bürger: Gedämmt, aber häßlich – energiedichte Gebäude verdrängen schöne Architektur. Das Institut für Stadtbaukunst in Dortmund arbeitet deshalb an ästhetisch und ökologisch überzeugenden Alternativen. Und dem Direktor Christoph Mäckler danke ich sehr herzlich für das Gespräch!
Christoph Mäckler: Ja, grüß Gott, Frau Bürger!
Bürger: Manche sprechen bereits von einem Wärmedämmungswahn. Welche sichtbaren Folgen sind denn schon jetzt besonders störend?
Mäckler: Na, Sie haben schon an einigen Häusern, die sehr, sehr schön waren, plötzlich abgeschlagene Stuckaturen, abgeschlagene Natursteine, die Eingänge sind verschandelt, die ganzen Fassaden sind einfach nicht mehr ansehnlich, und es geht ja dabei nicht nur um schöne Architektur, sondern es geht schlichtweg um unsere Lebensräume, um unsere Städte, in denen wir leben und in denen wir arbeiten, und es ist einfach undenkbar, dass man, ohne dass man etwas genauer hinsieht, versucht, nun hier politisch dichte, wie es so schön heißt, Häuser zu schaffen.
Bürger: Werden die Gebäude tatsächlich gesichtslos, verlieren sie ihren individuellen Charakter, auch ihren Charme?
Mäckler: Ja natürlich. Wenn Sie ein Haus aus dem 18. Jahrhundert oder aus dem 19. Jahrhundert, Sie können auch eins aus dem 20. Jahrhundert nehmen, plötzlich einpacken, dann ist eben der Charme, dann sind die ganzen Vorsprünge und Rücksprünge und die ganze Proportion dieser Fassade, die da vormalig gedacht war und die uns so sehr schön anmutet, die wir so sehr genießen – nicht umsonst leben die Menschen am liebsten in der Altstadt des 19. Jahrhunderts, das ist ja auch verrückt, wenn man sich das so überlegt, aber das ist so –, diese Häuser werden einfach so nicht mehr da sein, und wir werden sehr schnell sehen, dass wir in Europa dort wieder mal eine Vorreiterrolle haben, und die anderen lachen sich ins Fäustchen, weil wir wieder mal 150 Prozent, wie wir Deutschen es so tun, alles europagerecht gemacht haben und nicht abgewartet haben, und das in einem Land, was wirklich technologisch gesehen Vorreiter in solchen Dingen ist. Wir in Deutschland sind diejenigen, die, sagen wir mal, das Energiesparen mit den dazugehörigen Techniken vorangebracht haben und nicht die anderen europäischen Länder. Und wenn man sich das klar macht und sich einfach klar macht, dass wir in 20 Jahren völlig andere Technologie haben werden, und wenn man sich weiterhin klar macht, dass wir nur einen wirklich absurden, kleinen Bruchteil auf der Erde darstellen, die hier diese Probleme produzieren, dann wird einem sehr schnell klar, dass wir da zu kurz springen.
Bürger: Die am häufigsten verwendeten Dämmmaterialien sind aus Styropor, auch aus anderen Kunststoffen. Sind die denn aus ökologischer Sicht gut, sind das gute Materialien?
Mäckler: Nein, es kommt noch dazu, viele sind ölbasiert, schon das ist das erste Verrückte, aber diese ganzen Materialien werden oftmals mit Pestiziden versetzt, was dann dazu führt, dass die ganze Umgebung des Hauses auf die Dauer eben diese Pestizide im Erdreich aufnimmt.
Bürger: Vermutlich halten die auch gar nicht bis in alle Ewigkeit?
Mäckler: Das sowieso. Wir haben heute schon die Wärmedämmung der Wärmedämmung, also die Sanierung der Wärmedämmung, die wir vor 10, 15 Jahren aufgetragen haben, werden heute von der Industrie wieder angeboten, zur Sanierung angeboten. Man sieht also, auch hier hat sich offenbar der Stand der Technik in der kurzen Zeit schon verbessert. Und es ist völlig klar, wenn Sie diese Wärmedämmung von den Häusern wieder abnehmen müssen, dann ist das Sondermüll, den Sie dort produziert haben, und das bürden wir sozusagen der nächsten Generation auf.
Bürger: Das ganze Dämmen soll ja dem Zweck dienen, Energie zu sparen, doch nach neuen Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle ist auch das wohl gar nicht so doll. Während die Dämmstoffindustrie bis zu 80 Prozent Energieeinsparungen verspricht, soll es bei den Bauten aus der Nachkriegszeit, aus den 50er- und 60er-Jahren tatsächlich nur knapp 30 Prozent Einsparung bringen. Das ist also anscheinend eine Mogelpackung.
Mäckler: Das ist richtig, also zunächst einmal möchte ich ganz klar und deutlich sagen: Wir müssen Energie einsparen, das ist überhaupt gar keine Frage. Nur: Wir arbeiten hier nach Laborwerten und nicht nach Werten, die sozusagen im lebenden Beispiel untersucht worden sind, und deswegen sind wir in unserem Institut auch dabei, zusammen mit der DOGEWO in Dortmund, Musterhäuser zu errichten mit verschiedenen Wandaufbauten, um eben nachzuweisen, wie sich diese Häuser in einem Langzeitprozess in der Atmosphäre eben wirklich verhalten. Sie müssen sich ja vorstellen, das Haus ist umgeben von Wind, von Sonne, von Regen und so weiter, diese ganzen Witterungseinflüsse spielen natürlich auch eine Rolle, und die können Sie mit Laborwerten nur schwer nachvollziehen. Das heißt, die Werte, die uns da von der Industrie angegeben werden, sind, zumindest was die Wärmedämmung der Außenfassade angeht, so nicht richtig, sondern sie müssen nachvollzogen werden in der Langzeitperiode. Und es spielen natürlich viele, viele andere Dinge, die einfach außer Acht gelassen werden, eine weitere wichtige Rolle. Wir reden immer nur von der Wärmedämmung eines Hauses, und alleine wenn ich mir überlege, dass ich ein Haus wärmedämme, das heißt, ein Haus mit vier Hausseiten und einem Dach wärmedämme, dann hat das natürlich eine ganz andere Wärmedämmung zur Folge, ich verliere sehr viel mehr Energie, als wenn ich zum Beispiel dieses Haus staple und dieses Haus, wie in unseren Städten üblich, eben aneinander stelle, sodass also nur viel weniger Fassaden, also zum Beispiel in einem Blocksystem nur eine Vorderseite und eine Hofseite und ein Dach vorhanden sind. Schon da spare ich unglaublich viel Energie ein, das heißt, das müsste eben auch erst mal untersucht werden.
Bürger: Wie der Dämmungswahn das Gesicht unserer Städte verändert, darüber sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur mit Christoph Mäckler, dem Direktor des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst in Dortmund. Sie haben ja an Ihrem Institut, Herr Mäckler, ästhetisch und ökologisch vertretbare Alternativen bereits erarbeitet, Sie haben eben schon von diesen Musterhäusern gesprochen. Was für Materialien verwenden Sie denn für die Sanierung von schon bestehenden Gebäuden? Was würden Sie da empfehlen?
Mäckler: Ja, das sind natürlich Fragen, die wir erst in der Forschung jetzt voranbringen. Wir sind im Moment dabei, mit verschiedenen Städten - mit Lübeck, mit Frankfurt, mit Dortmund - den dortigen Siedlungsbaugesellschaften Häuser aus den verschiedenen Jahrzehnten und den verschiedenen Jahrhunderten in einem solchen Langzeitprozess zu untersuchen. Es ist völlig klar: Wenn Sie ein Haus haben mit 24 Zentimeter Außenwand oder Sie haben eben ein Haus mit 50 Zentimeter Außenwand aus dem 19. Jahrhundert, dann haben Sie andere Dämmwerte, und Sie müssen das eben erst mal untersuchen. Das können Sie im Labor nicht untersuchen. Und das Interessante ist eben, dass wir jetzt schon feststellen – und wir stehen erst am Anfang unserer Untersuchungen –, dass oftmals die Energiewerte, die uns von den Siedlungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellt werden, also das, was an Heizung wirklich verbraucht worden ist, dass dieser Verbrauch gar nicht sehr viel niedriger, rechnerisch niedriger liegt, wenn wir das Haus dann komplett mit Wärmedämmung eingepackt haben. Das heißt, hier muss man einfach mal genauer jetzt hinsehen: Wie viel kann ich mit dem Fenster dämmen, wie viel kann ich mit der Kellergeschossdecke dämmen, wie stark kann ich das Dach dämmen und so weiter und so fort, bevor ich an die Fassade gehe. Und da haben wir das Gefühl schon jetzt, ohne dass wir hier schon regelrechte Ergebnisse haben, weil das eben einem längeren Prozess bedarf, dass die Werte, die hier von der Industrie vorgegeben worden sind, einfach völlig überzogen sind.
Bürger: Und können Sie kurzfristig auch Empfehlungen geben für Leute, die jetzt ihr Eigenheim zum Beispiel dämmen wollen? Gibt es Alternativen zu den üblicherweise benutzten Dämmstoffen der Industrie?
Mäckler: Wenn Sie ein Haus haben, das Sie glauben, mit Wärmedämmung einpacken zu müssen, da gibt es natürlich hier schon auch verschiedene Möglichkeiten. Sie können eben einfach nur die Wärmedämmung außen draufbringen und dann dieses Putzsystem draufsetzen mit all den Folgen, die wir eben schon beschrieben haben. Sie können aber auch eine zweite Mauerschale davorsetzen und eine Innendämmung zum Beispiel machen. Dann können Sie außen einen wunderbaren Putz aufbringen, und das Haus wird weitere 100 oder 150 Jahre stehen bleiben, weil Sie einen normalen Putzauftrag eben außen haben. Also die zweite Schale ist eine Möglichkeit, wenn Sie jetzt nicht eine Fassade haben mit großen Stuckaturen, mit Gesimsen, mit Natursteinen und so weiter und so fort. Da kann ich nur sagen, Finger weg und einfach nur abwarten, abwarten, bis Genaueres klar ist. Und es wird, das kann man mit ganz großer Sicherheit sagen, es wird andere Ergebnisse in Zukunft geben.
Bürger: Meinen Sie, dass die Bundesregierung tatsächlich ihren Kurs dann noch mal überprüfen muss?
Mäckler: Das muss sie, das ist ganz sicher. Ich meine, jetzt kann man den Hausbewohnern schon mal sagen: Natürlich müsst ihr wärmedämmen, schaut eure Heizsysteme an, oft sind die Heizungsanlagen völlig überaltert, dort hat die Industrie einen unglaublichen Fortschritt gemacht. Sie können heute sehr viel Energie schon einsparen, wenn Sie einfach eine andere Heizungsanlage im Keller einbauen. Sie können natürlich Ihre Kellerdecken dämmen, das bringt auch unglaublich viel, Sie können Ihr Dachgeschoss, wenn es nicht schon ausgebaut ist, dämmen, sodass einfach der Wärmeverlust erheblich reduziert werden kann. Alles andere spielt sich dann wirklich hinter den Kommastellen ab, was ich dann wirklich als Verbraucher, als Hausbesitzer noch einsparen kann.
Bürger: Gedämmt, aber häßlich – energiedichte Gebäude verdrängen schöne Architektur. Das Institut für Stadtbaukunst in Dortmund arbeitet deshalb an ästhetisch und ökologisch überzeugenden Alternativen. Und dem Direktor Christoph Mäckler danke ich sehr herzlich für das Gespräch!