Privates Flüssiggasterminal Lubmin
Das LNG-Spezialschiff "Neptune" liegt nun erst noch im Hafen Mukran, entladen werden kann es erst, wenn es die Genehmigung für das LNG-Terminal gibt. © IMAGO / Jens Koehler / IMAGO / Jens Koehler
Verzögerung beim Anlanden von LNG an der Ostsee
18:03 Minuten
Neue LNG-Terminals sollen an der Nordsee entstehen, doch es gibt auch ein vielversprechendes Projekt an der Ostsee: Die ReGas versucht derzeit vor Lubmin im Greifswalder Bodden ein privatwirtschaftlich finanziertes Terminal zu bauen. Doch es hakt.
In den letzten Novembertagen hatte es noch sehr gut ausgesehen für den pünktlichen Start des "LNG-Terminals Deutsche Ostsee". "Das ist schon mächtig gewaltig, oder? - Hallodria", sagte damals ein freudig erregter Mann am Kai des Rügener Hafens Sassnitz-Mukran, während sich ein großes, blau-weiß angestrichenes Schiff näherte. Die von Lotsen und Schleppern präzise navigierte "Neptune" war dabei nicht irgendein Schiff, sondern eine 283 Meter lange FSRU, weiß der Mann am Kai, Stephan Knabe, einer der Gründer der Deutschen ReGas und zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen ReGas: "Floating Storage and Regasification Unit - das ist dieses Regasifizierungsschiff. Ich meine, mittlerweile wissen ja auch alle, was Protein-Spikes auf Viren sind, und in Zukunft wissen alle, was FSRU ist. Da bin ich mal ein bisschen selbstbewusst. Mein Name ist "
Stephan Knabe leitet eine Steuer- und Wirtschaftsberaterkanzlei in Potsdam. Er gründet im April - kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges - die Deutsche ReGas, und zwar mit seinem Freund und Geschäftspartner Ingo Wagner. Der kennt sich mit LNG-Terminals aus, weil er jahrelang in London einen Fonds für solche Energieinfrastrukturprojekte managte. Frühere Pläne der beiden, vor Lubmin ein Terminal für die Einfuhr von „grünem Wasserstoff“ aufzubauen, dienen nun als Blaupause für den neuerdings von der Bundesregierung forcierten Import von Flüssiggas als Alternative zu russischem Erdgas durch die Leitung.
Vom großen Tanker die Fracht immer stückweis in den Hafen
Während alle anderen deutschen LNG-Terminals an der Nordseeküste entstehen und von Steuergeldern bezahlt werden, ist das „Terminal Deutsche Ostsee" eine rein privatwirtschaftliche Angelegenheit. Namentliche und finanzielle Details nennt Stephan Knabe nicht. Nur so viel: Das Ganze soll am Ende kein Verlustgeschäft sein. Doch vor allem wolle man Deutschland helfen, durch den ersten Winter ohne russisches Gas zu kommen, so Knabe: „Wir werden die Rolle desjenigen spielen, der Flüssiggas in Erdgas umwandelt. Wir sind quasi die Tankstelle, damit von hier aus die deutschen Haushalte und auch die deutsche Industrie mit Erdgas versorgt werden können."
Das "Terminal Deutsche Ostsee" soll so funktionieren: Ein großer Tanker wird in tieferem Ostseewasser vor der Insel Rügen ankern und das herbeigeschipperte Flüssiggas aufnehmen. Die tiefgekühlte Fracht dürfte laut Stephan Knabe vor allem aus Norwegen kommen, aber auch aus weiter entfernten Teilen der Welt.
Drei kleinere Shuttle-Schiffe wiederum transportieren das Flüssiggas durch den flachen Greifswalder Bodden zur "Neptune" in Lubmin. Dort wird es erhitzt und rückgewandelt in seinen ursprünglichen gasförmigen Zustand. An so ein Schiff zu kommen, da plötzlich alle Welt LNG haben wolle – für die ReGas mit ihren guten Kontakten und Partnern kein Problem, sagt Stephan Knabe, etwa weil er mit "einem der führenden Schiffsmakler in London" zusammenarbeite, der ihnen eine entsprechende Auswahl von FSRUs zur Verfügung gestellt habe: "Das sind normale LNG-Tanker, die mit einer Zusatzeinheit versehen sind, so dass sie das Flüssiggas wieder in den gasförmigen Zustand umwandeln können. Diese Schiffe kommen mit einer hochspezialisierten und trainierten Mannschaft, die dann die Arbeit auf dem Schiff realisiert. Genauso ist das mit den kleinen Tankern und mit dem Tanker in der Ostsee. Die haben entsprechend ihre Besatzungen. Wir sind die Charterer. Wir koordinieren das alles und ermöglichen es.“
Verzögerung durch Bürgerbeteiligung
Am geplanten Starttermin 1. Dezember dann meldete die ReGas tatsächlich die Betriebsbereitschaft ihres LNG-Ostseeterminals. Doch es gibt Verzögerungen. Das Regasifizierungsschiff "Neptune" bleibt darum vorerst im Hafen Mukran liegen, wo es zuletzt viel Treibstoff abgelassen hatte, um leichter zu werden und statt seinen üblichen knapp zehn Metern Tiefgang auf 5,22 Meter zu kommen. Mehr ginge nicht für die Überfahrt durch den flachen Bodden. Der Grund für die Verzögerung: Erst am Montag dieser Woche endete die Frist für die Bürgerbeteiligung zum Genehmigungsverfahren.
Nun muss das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Stralsund erst einmal die eingegangenen 1099 Einzeleinwendungen prüfen. Darunter jene vom Bund für Umwelt und Naturschutz Mecklenburg-Vorpommern. "Der erste und gewichtigste Einwand ist natürlich die Frage: Was konnten wir sichten? Wir konnten einen Teil der Unterlagen sehen. Wir wissen nicht, ob das alle sind. Das ist aus unserer Sicht sehr, sehr schlecht gelaufen“, sagt Corinna Cwielag.
Die Biologin führt von Schwerin aus die Geschäfte des BUND. Man habe sich die Projektunterlagen des Antragstellers angeschaut und viele Gründe für Einwendungen gefunden, obwohl das neue LNG-Beschleunigungsgesetz des Bundes die Fristen stark verkürzt habe. Das Unternehmen ReGas konnte zudem weitere Einschränkungen durchsetzen, ärgert sich Corinna Cwielag: „Die Unterlagen sind eben nicht im Internet zugänglich gemacht worden, wie es selbst das Beschleunigungsgesetz vorgesehen hätte." Das sei nach intensiver Recherche und immer wieder ergangenen Anfragen beim Land auf Wunsch des Unternehmens so dann geschehen.
"Wir haben einmal eine Unterlage sehen können, die dann von ReGas zugänglich gemacht wurde - auf einer Plattform, die aber leider nicht gut funktioniert hat. Aus unserer Sicht ist völlig unverständlich, wieso man mit 'Sicherheitsbedenken' eine Transparenz vermeidet und eine Bürgerbeteiligung enorm erschwert.“
Schnell soll es gehen - zu Lasten von Verträglichkeitsprüfungen
Laut dem LNG-Beschleunigungsgesetz aus dem Hause des grünen Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck muss neuerdings auch keine Umwelverträglichkeitsprüfung mehr durchgeführt werden, sobald durch ein LNG-Projekt mindestens fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr ins deutsche Gasnetz kommen. Kein Wunder, dass die brandenburgische ReGas, die anfangs weniger angekündigt hatte, nun aber in ihrem Antrag bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr in Aussicht stelle, sagt Corinna Cwielag.
„Diese Art und Weise das Naturschutzrecht außer Kraft zu setzen, ist ein Dammbruch. Dazu kommt noch, dass ein großes Problem auch ist: Wie bewertet man den Eingriff in den Naturraum? Und was bietet man an als Ausgleich? Da lässt leider das Beschleunigungsgesetz zu, dass erst bis zu zwei Jahren nach Genehmigung eine sinnvolle Maßnahme gefunden sein muss. Und dann hat man noch mal drei Jahre Zeit, die umzusetzen."
Der BUND Mecklenburg-Vorpommern weist auf zwei besonders erhebliche Eingriffe hin. Da wäre zunächst der 24-Stunden-Shuttlebetrieb der drei kleineren Tanker durch das flache Boddengewässer: „Auch die Shuttle-Schiffe haben noch 6,80 Meter Tiefgang. Der Hafen ist sieben Meter tief. Also werden sie voraussichtlich nicht voll beladen werden können. Dann müssen sie aber öfter fahren, um die Flüssiggas-Mengen zu transportieren. Das bedeutet wiederum, dass die Störungen im Bodden im Bereich der Vögel, auch für Schweinswale, auch für Robben mehr werden würden. Und da ist die Argumentation des Unternehmens, die Vögel hätten sich daran gewöhnt oder würden sich auch daran gewöhnen. Das ist aus unserer Sicht verkehrt." So werde sicher die Größe der mehr als 100 Meter langen Shuttle-Schiffe auch für Verwirbelungen sorgen, die dann dazu führten, "dass Sediment aufgewirbelt wird, dass Schadstoffe aufgewirbelt werden und dass sich damit die Nahrungsräume für die rastenden Vögel, aber auch für Schweinswale und auch für die Robben verändern werden. Das ist alles nicht berücksichtigt.“
Heißes Wasser gefährdet Ökosystem
Zum anderen wäre da der Kühlwasser-Kreislauf auf der "Neptune". Das Schiff werde täglich rund 30.000 Kubikmeter Ostsee-Wasser aus dem Lubminer Hafenbecken nehmen, um damit die Motoren ihrer Regasifizierungsmaschinen zu kühlen.
Im Gegensatz zu ReGas glaubt der BUND allerdings nicht, dass die Rückleitung des erwärmten Wassers ins Hafenbecken ohne thermischen Effekte bleiben wird: "Es ist so, dass das Riesenschiff, diese Gas-Einheit, schon einen Großteil der Wassersäule des Hafenbeckens einnimmt. Und jetzt kommt da noch das Shuttle-Schiff rein, was auch wieder über sechs Meter tief und hundert Meter lang ist. Das drückt also das Wasser-Gemisch aus dem Hafen raus, und damit kommt das rausgedrückte Wasser im Greifswalder Bodden an. Da ist aber vielleicht gerade die Heringslaichzeit. Dann wird es dort einfach zu warm, weil es einfach zu warmes Wasser zur falschen Zeit gibt. Oder wir haben Hochsommer und das Wasser ist schon sehr warm, und dann kommt noch wieder erwärmtes Kühlwasser dazu. Dann haben wir ein Algenwachstum, was die Seegraswiesen sehr stark belasten wird und was auch wahrscheinlich für die Lebewelt am Meeresboden eine Beeinträchtigung ist, so dass es dort weniger Nahrung geben wird. Und nicht zuletzt für uns als Badegäste gibt es schlechteres Wasser mit all den Gefahren mit Vibrionen, mit Blaualgen und so weiter."
Kein gefracktes Gas - möglichst
Immerhin sollen im Gegensatz zum Brunsbütteler LNG-Terminal an der Nordsee in Lubmin keine Biozide im Kühlwasser zum Einsatz kommen. Die Deutsche ReGas hofft derweil darauf, die Betriebsgenehmigung noch in diesem Dezember zu erhalten. Die würde neun Jahre gelten - wichtig gerade für die Planungssicherheit eines Unternehmens, das sich ausschließlich auf private Investitionen stützt und voll ins eigene Risiko geht. So zurückhaltend der Potsdamer Mitgründer und Aufsichtsrat Stephan Knabe seine Worte wählt - es ist ihm anzumerken, dass es ihm und seinen Kollegen viel bedeuten würde, am Ende als erstes der deutschen LNG-Terminals loszulegen. Privat vor Staat, sozusagen:
"Wir haben unsere eigenen Mittel eingesetzt - Eigenkapital. Das gesamte Projekt wird privat finanziert. Ein mittelständisches Projekt im Vergleich zu den staatlich geförderten Industrieprojekten, die sonst in diesem Bereich angedacht sind. Und ja, wir sind in Vorleistung gegangen, weil wir davon ausgehen, dass das Terminal Deutsche Ostsee im Winter dringend benötigt wird. Und LNG zu bekommen für dieses Terminal, ist überhaupt kein Problem.“
Woher das Flüssiggas kommt und zu welchem Preis, bleibt weiterhin Geschäftsgeheimnis. Nur so viel: Gefracktes Gas soll es - möglichst - nicht sein.