Energiepolitik

Ausstieg aus der Braunkohle - Jetzt!

Von Stephan Hilsberg |
Kohle- oder Atomstrom? Ökologisch keinen Unterschied sieht hier der Brandenburger SPD-Forschungspolitiker Stephan Hilsberg. Wer Klimaschutz will, muss die Braunkohleverstromung aufgeben.
Der Strom aus Braunkohle ähnelt dem aus Atomenergie. Nicht nur physikalisch, sondern auch politisch gesehen. Er ist umstritten, aber das beeindruckt ihn nicht. Er boomt unangefochten, bis, ja bis sein Bann gebrochen sein wird, bis dem Ausstieg aus dem Atomstrom auch der Ausstieg aus dem Kohlestrom folgt. Keine Frage, wer Klimaschutz will, der muss sich von der Braunkohle verabschieden, so wie es mit der Steinkohle schon geschieht.
Der Bergbau unter Tage wird bis 2018 voraussichtlich eingestellt, weil die staatlichen Subventionen auslaufen. Denn heimische Steinkohle abzubauen, ist weitaus teurer als ausländische zu importieren. Die Förderung der Braunkohle über Tage war dagegen immer kostengünstig. Und sie dürfte es wohl bleiben. Noch nie war ihr Anteil an der Stromproduktion so hoch wie heute.
Und das bedeutet, dass noch keine einzige Tonne CO2 weniger in die Luft gepustet worden ist, obschon Kohlekraftwerke immer effizienter werden. Es ist anders gekommen als geplant. Die erneuerbaren Energien verdrängen das umweltfreundliche, aber teure Gas vom Strommarkt und sorgen indirekt für ein Comeback der schmutzigen, aber günstigeren Kohle. Dieses und das schwache europäische Wirtschaftswachstum der letzten Jahre ließen nicht nur die Handelspreise an der Strombörse fallen, sondern auch die Preise für Emissionszertifikate.
Braunkohleindustrie ohne Gedanken an den Klimaschutz
Konventionellen Kraftwerken tut es derzeit nicht weh, die Luft zu verschmutzen. Das war natürlich nicht beabsichtigt. Im Gegenteil, der Zertifikatehandel sollte langsam und beharrlich auf ökonomischem Weg zu einer Reduktion des CO2 beitragen. Gegenwärtig werden Maßnahmen überlegt, diese Verschmutzungsrechte wieder zu verteuern. Keinesfalls werden sie jedoch auf ihr altes Niveau steigen.
Die Braunkohlenindustrie verdient gut und denkt nicht daran vor dem Klimaschutz zu weichen. Sie will die Politik zwingen, das CO2 aus der Abluft ihrer Kraftwerke unterirdisch zu entsorgen. Doch das ist gefährlich und politisch nicht durchsetzbar. Wie einst die Atomlobby wirbt sie beim Verbraucher mit niedrigen Produktionskosten. Doch sie verschweigt, worum es ihr wirklich geht – um ihre Gewinne. Davon hat der Kunde aber nichts, denn der Strompreis wird vom teuersten Erzeuger getrieben.
Die Bevölkerung in den Revieren von der Lausitz bis nach Leipzig hat die Braunkohlenlobby jetzt schon hinter sich gebracht, hat viel Angst vor wirtschaftlichem Untergang erzeugt. Und diese Angst sitzt besonders tief, seit die Menschen die Deindustrialisierung nach der deutschen Einheit durchlebt haben. Dabei sind die Tagebauregionen längst nicht mehr von der Braunkohleverstromung abhängig. Nur haben es Kritiker und Umweltschützer schwer, sich in dieser Stimmung zu behaupten.
Lobbypolitik befeuert von Erwerbsängsten
Und das, obschon alle wissen, dass Klimaschutz und Braunkohlestrom unvereinbar sind. Gegenwärtig mag der fossile Energieträger Kohle noch als sogenannte Brückentechnologie gebraucht werden, nicht anders als die Atomenergie. Und vom Atomausstieg wissen wir, dass er wie eine self-fulfilling prophecy gewirkt hat, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die mit ihm verbundenen technologischen, wirtschaftlichen und politischen Folgen konnten gerade deshalb gelöst werden, weil klar war, wo die Reise hingeht.
Spätestens 2022 wird der letzte Atommeiler abgeschaltet. Und spätestens 2030 sollte das letzte Kohlekraftwerk den Betrieb einstellen. Erst dann, wenn dies klar ist, werden keine neuen Anlagen mehr beantragt, keine weiteren Tagebaue mehr eröffnet. Dann haben die Reviere Planungssicherheit, kommt der Netzausbau voran, macht eine Reform des Emissionshandels Sinn, und erst dadurch wird Deutschland beginnen, seinen CO2- Ausstoß zu verringern.
Deshalb brauchen wir die politische Grundsatzentscheidung des Ausstiegs aus der Kohle, besonders aus der Braunkohle – und wir brauchen sie jetzt.
Stephan Hilsberg, 1956 im brandenburgischen Müncheberg geboren, arbeitete in der DDR als Informatiker. Ende der 80er Jahre engagierte er sich in der Friedensbewegung der Evangelischen Kirche. Am Beginn der friedlichen Revolution 1989 zählte er zu den Gründungsmitgliedern der ostdeutschen SPD, war ihr erster Sprecher und später Geschäftsführer. Hilsberg gehörte der letzten und frei gewählten Volkskammer 1990 an. Anschließend war er Bundestagsabgeordneter bis 2009 und in dieser Zeit u. a. bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und zwei Jahre lang Staatssekretär im Verkehrsministerium. Heute ist er selbständig als Autor und Publizist tätig.
Stephan Hilsberg, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Stephan Hilsberg, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion© stephan-hilsberg.de
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